Im Finanzsektor ließ sich über die letzten Monaten und Jahre ein Trend beobachten, der sich in einem zunehmenden Ausmaß auf eine Anpassung der eigenen Anlagephilosophie an global formulierte Klimavorgaben fokussierte.

Doch dieser Trend namens Environmental, Social and Governance, auch unter dem Kürzel ESG bekannt, scheint mittlerweile an der ein oder anderen Stelle hinterfragt zu werden. So hat mit Vanguard der zweitgrößte Vermögensverwalter der Welt bekannt gegeben, sich aus einer als wichtig erachteten Finanzallianz, die sich laut eigener Aussage einem „Kampf gegen den Klimawandel“ verschrieben hat, zurückzuziehen.

Investmententscheidungen werden zu einem Druckmittel gemacht

Hierbei handelt es sich um eine Initiative namens Net Zero Asset Managers (NZAM). Vanguard war der Initiative erst im Jahr 2021 beigetreten. Die Mitglieder von NZAM bezeichnen sich selbst als eine internationale Gruppe von Vermögensverwaltern, die sich dem Ziel einer Nullemission von Treibhausgasen bis spätestens zum Jahr 2050 verpflichtet hat.

Die Initiative beruft sich unter anderem darauf, die eigenen Anlageziele in Einklang mit globalen Anstrengungen zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius bringen zu wollen.

Um dieses Ziel bis spätestens im Jahr 2050 zu erreichen, werden finanzielle Unterstützungen und Investitionen im Unternehmensbereich nur noch zugunsten von Wirtschaftssektoren und Unternehmen forciert, welche sich einer Nullemission von Treibhausgasen bis spätestens zum Jahr 2050 verschrieben haben.

Formal Beschwerde eingereicht

Im vergangenen Monat reichte die Organisation Consumers´ Research zusammen mit dreizehn bundesstaatlichen Justizministern eine formale Beschwerde bei der Federal Energy Regulatory Commission (FERC) in den USA gegen Vanguard ein.

In dieser formalen Beschwerde wird der Kapitalverwalter beschuldigt, ehedem getroffene Vereinbarungen in Bezug auf eine passive Aktienkontrolle im Bereich von Energie- und Versorgungsunternehmen verletzt und unterlaufen zu haben.

Sich der Mission einer Nullemission von Treibhausgasen zu verschreiben sei kein abstraktes Ziel, wie Will Hild, geschäftsführender Direktor der Organisation Consumers´ Research am 1. Dezember in einer Kolumne des Wall Street Journal schrieb.

Vielmehr verlange die Initiative namens NZAM von den eigenen Mitgliedern, spezifische Emissionsziele für bestimmte Industriesektoren – allen voran im wichtigen Bereich der Energie- und Versorgungsunternehmen – einzufordern.

Der Plan zum Erreichen von Nettonullemissionen der Internationalen Energieagentur sieht vor, fossile Brennstoffe wie Rohöl, Erdgas und Kohle bis spätestens zum Jahr 2050 aus der Stromerzeugung auszuschließen.

Um dieses Ziel zu erreichen, wird es zu einer radikalen Transformation und Restrukturierung der Operationen unter den amerikanischen Energie- und Versorgungsunternehmen kommen müssen.

Republikanische Allianz auf Ebene der Bundesstaaten zieht vor Gerichte – oder entzieht Kapitalverwaltern Anlagegelder

Interessant ist, dass die Verkündung eines Ausstiegs aus der NZAM-Initiative durch den Kapitalverwalter Vanguard just zu einem Zeitpunkt geschieht, zu dem es zu einem sich mehrenden Säbelrasseln und juristischen Manövern der Republikanischen Partei gegen eine Reihe von Kapitalverwaltungs- und Investmentfirmen in den USA kommt.

In diesem Zusammenhang stehen allen voran sogenannte „Woke“-Agenden und Kampagnen, welche sich für einen schnellen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen in der Energieproduktion aussprechen, im Kreuzfeuer der Kritik.

Nachdem die Partei der Republikaner im Zuge der jüngst abgehaltenen Zwischenwahlen zum Kongress (Mid-terms) wieder über eine politische Mehrheit im Repräsentantenhaus verfügt, wird es in diesen Bereichen ab Beginn des neuen Jahres zu einer Reihe von Anhörungen vor diversen Ausschüssen des Unterhauses kommen.

BlackRock im Visier

In konservativen Medien wird zudem darüber berichtet, dass republikanische Gesetzgeber bereits damit beschäftigt seien, Anti-ESG-Maßnahmen auszuarbeiten. So kündigte Anfang Dezember unter anderem der Bundesstaat Florida an, bei dem Kapitalverwalter BlackRock veranlagte Gelder in Höhe von zwei Milliarden US-Dollar abziehen zu wollen.

Die Staatsregierung von Gouverneur Ron DeSantis gab hierzu bekannt, sich aus einer Zusammenarbeit mit dem weltweit größten Kapitalverwalter BlackRock zurückziehen zu wollen.

Den Ausschlag für diese getroffene Entscheidung habe eine offene Erklärung durch den Kapitalverwalter selbst geliefert. In dieser Erklärung hieß es, dass BlackRock auch andere Ziele als eine Generierung von Anlagerenditen zugunsten der eigenen Investoren verfolge.

Eine Initiative, die zu Konfusion unter den Mitgliedern führen kann…

In einer durch den Konkurrenten Vanguard publizierten Erklärung zur der Entscheidung eines Ausstiegs aus der NZAM-Initiative heißt es, dass Industrieinitiativen wie NZAM sich dazu in der Lage sehen, sowohl einen konstruktiven Dialog anzustoßen als auch zu forcieren.

Manchmal könnten derartige Initiativen jedoch auch zu Konfusion beitragen. Dies gelte im aktuellen Umfeld insbesondere für die individuellen Sichtweisen unter den in der Initiative zusammengeschlossenen Investment- und Kapitalverwaltungsunternehmen.

Aus diesem Grund habe man sich bei Vanguard für einen Ausstieg aus der NZAM-Initiative entschieden. Vorrangiges Ziel von Vanguard sei es, gegenüber den eigenen Investoren eine bestmögliche Performance zu garantieren.

Vanguard fokussiert sich auf das Wesentliche

Hierfür sei es notwendig, von Seiten des Managements jene Klarheit und Transparenz vorherrschen zu lassen, welche sich die eigenen Investoren von Vanguard wünschten und einforderten. Dies gelte vor allem unter Bezugnahme auf die zukünftige Rolle, die Indexfonds und die hauseigene Sicht auf bestehende Anlagerisiken, spielten.

Hierzu gehörten unter anderem auch Klimarisiken. Den eigenen Investoren sei es dabei immanent wichtig, dass Vanguard in allen Angelegenheiten, die von großer Bedeutung für das Unternehmen selbst wie auch für seine Anleger seien, auch zukünftig unabhängig entscheiden und mit einer unabhängigen Stimmen sprechen wird.

Gesagt sei, dass es sich hierbei um eine keineswegs zu unterschätzende Entwicklung im Anlagesektor handelt. Zumindest Vanguard hat nunmehr klar gemacht, die Interessen der eigenen Investoren nicht mehr den Interessen von international aktiven Klimakonsortien unterzuordnen.

Wachsender Druck unter Investoren

Der Druck, der zuletzt durch die eigenen Investoren und Anleger auf das Management von Vanguard ausgeübt worden ist, muss doch ziemlich stark gewesen sein, was augenscheinlich zu einem Umdenken und einer damit einhergehenden Kehrtwende geführt haben mag.

Der einst durch Jack Bogle gegründete Kapitalverwalter zeichnet sich im Industrievergleich durch eine einzigartige Eigentümerstruktur aus. So erweisen sich die Investmentfonds von Vanguard auch gleichzeitig als Eigentümer der übergeordneten Vanguard Group.

Diese Organisationsstruktur versetzt das Unternehmen dazu in die Lage, die Interessen seiner Investoren an erste Stelle zu setzen. Die Überlagerung dieser Interessen durch das Verfolgen einer „ESG“-Agenda im hauseigenen Fondsmanagement samt einer als stellvertretend zu bezeichnenden Stimmrechtsvertretung würde der Unternehmensgründungsvision diametral entgegenstehen und Verrat an den Idealen von Jack Bogle üben, wie es heißt.

Denn das durch Vanguard verwaltete Vermögen von Investoren und Anlegern würde dann unter dem Aspekt einer Verfolgung von sozial-gesellschaftlichen Zielen verwendet. Hiermit gehen nicht nur erhebliche Anlagerisiken einher, sondern auch die durch Vanguard zugunsten der eigenen Investoren zu erzielenden Renditen könnten sich hierdurch beeinträchtigen sehen.

Nichtsdestotrotz bleibt für den Moment erst einmal abzuwarten, wie weit sich Vanguard von der internationalen „ESG“-Agenda ausnehmen und entfernen wird. Das Unternehmen erklärte weiter, dass der eigens verkündete Ausstieg aus der NZAM-Initiative das eigene Engagement in diesem Hinblick nicht beeinträchtigen wird.

Vanguard überlässt Anlagepräferenzen fortan den eigenen Investoren

Vielmehr werde es in den nächsten Jahren darum gehen, die eigenen Investoren und Anlegern dabei zu unterstützen all jene Gefahren und Risiken zu bewältigen, die mit dem Klimawandel aus Perspektive von langfristig zu erzielenden Renditen einhergehen können.

Die im Bundesstaat Pennsylvania ansässige Vanguard Group bekräftigte aus diesem Grund, auch in der Zukunft spezifische Investmentprodukte anbieten zu wollen, die darauf ausgelegt seien, Nullemissionsziele im Bereich der Treibhausgase zu erreichen.

An diesem Ansatz lässt sich bei Licht besehen nichts aussetzen, da Vanguard und andere große Kapitalverwalter und Banken eine solche Investmentphilosophie letzten Endes nur denjenigen Investoren und Anlegern anbieten sollten, die derartige Investments auch speziell suchen und nachfragen.

In der Zwischenzeit zählen die meisten der weltweit größten Kapitalverwaltungs- und Vermögensverwaltungsgesellschaften zu den Mitgliedern der NZAM-Initiative. Hierzu gehören etwa 290 Unterzeichner, darunter BlackRock, JPMorgan Asset Management, State Street sowie Legal & General.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt Bezug auf eine offizielle Erklärung auf der Seite der Kapitalverwaltungsfirma Vanguard.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Ausnahmen bestätigen bislang die Regel

Im Fall der Kapitalverwaltungsunternehmen Fidelity, Pimco und – fortan auch – Vanguard handelt es sich bislang um drei bemerkenswerte Ausnahmen von der Regel. Die in der NZAM-Initiative zusammengeschlossenen Unternehmen verwalteten Anfang November einen kumulierten Anlagebetrag in Höhe von gut 66 Billionen US-Dollar.

Nach dem nun erklärten Rückzug von Vanguard wird sich dieser kumulierte Anlagebetrag um rund sieben Billionen US-Dollar reduzieren. Es wird abzuwarten bleiben, ob es schon bald zu ähnlichen Entwicklungen unter anderen Kapitalverwaltungsgesellschaften kommen wird.

Es könnte nämlich durchaus sein, dass der Druck, dem sich Vanguard zuletzt durch die eigenen Investoren und Anleger ausgesetzt sah, auch unter Konkurrenzunternehmen in der Branche zunehmen wird.

Letztendlich könnte die durch Vanguard getroffene Entscheidung, die Interessen der eigenen Investoren und Anleger – und über alle anderen Zielsetzungen hinaus – an die erste Stelle der eigens zu treffenden Entscheidungen zu stellen, zu zunehmenden Kapitalabzügen und einer damit verbundenen Kapitalwanderung unter den Wettbewerbern führen.

Die Investoren der Kapitalverwalter würden somit sprichwörtlich mit den Füßen über die ESG-Agenda abstimmen. Wohin so etwas führen kann, hat der Fall von Vanguard gerade eben aufgezeigt!

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