Geld anlegen und Gutes dabei bewirken: Das klingt in den Ohren vieler Anleger verlockend.

Bei der Einbeziehung von ESG-Kriterien und nachhaltigen Anlagen geht es nicht nur darum, finanziell gut abzuschneiden, sondern auch darum, Gutes zu tun.“ – so das Schlussplädoyer von JP Morgan Asset Management auf seiner Homepage.

Damit reiht sich JP Morgan in die Reihe der Verfechter ein, die den Anlegern suggerieren, durch ihre Investmententscheidungen etwas für die Umwelt (Environmental, E), Soziales (Social, S) und Unternehmensführung (Governance, G) tun zu können.

Die Kritik um ESG-Investments nimmt zu. Viele Experten kritisieren das Bewertungssystem beziehungsweise die Ratingagenturen dahinter. Sie geben an, dass ESG nicht die tatsächliche Nachhaltigkeit von Unternehmen analysiere. Stattdessen sagen sie, es sei vielmehr das Ziel, durch vermeintlich grüne Investments gute Geschäfte zu machen. Doch wo genau liegt das Problem von ESG?

ESG-Kritik: Wie werden die Kriterien angewendet?

Angewendet werden die verschiedenen Kriterien aus den Bereichen Environment, Social und Governance von sogenannten Ratingagenturen. Diese sammeln und interpretieren die entsprechenden Daten und Informationen von Unternehmen zu ihrer Nachhaltigkeitsperformance.

Die Agenturen bedienen sich dabei jedoch verschiedener Methoden, die die einzelnen Kriterien nach völlig unterschiedlichen Ansätzen anwenden. Zu den wesentlichen Methoden zählt neben dem positiven und negativen Screening auch das sogenannte Best-in-Class-Verfahren.

  • Positivkriterien

Bei Positivkriterien (Positive Screening) werden Unternehmen für das Portfolio ausgewählt, die bestimmte Anforderungen an Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungs-Standards überdurchschnittlich gut erfüllen.

  • Negativkriterien

Wird das Ausschlussprinzip (Negative Screening) angewendet, legt der Fondsanbieter bestimmte Werte fest. Entspricht ein Unternehmen nicht diesen festgelegten Werten, wird ein Investment in diese ausgeschlossen.

  • Best-in-Class

Der Best-in-Class-Ansatz wählt für das jeweilige Investment immer den/die Beste/n der entsprechenden Branche aus. Das sind dann die Unternehmen, die die besten Bewertungen hinsichtlich ihrer sozialen und ökologischen Auswirkungen erhalten haben. Klima- oder Umweltschädliche sowie unethische Branchen werden damit nicht ausgeschlossen. Es wird lediglich das am wenigsten schlimmste Unternehmen einer beliebigen Branche belohnt.

Wie kontrovers teilweise die ESG-Einstufungen sind, zeigt diese Teilübersicht der Seite NedFed.

Hier werfen Sie einmal einen Blick auf die höchst unterschiedlichen Einstufungen der Telekom.

Die Deutsche Telekom erhält von MSCI eine ESG-Bewertung von BBB und befindet sich damit im unteren Durchschnitt innerhalb der Telekommunikationsbranche. Gekennzeichnet vor allem durch Schwächen in der „Unternehmensführung“ sowie „Personalverwaltung“ — dazu zählt MSCI unter anderem die Komplexität der Aufbauorganisation und Arbeitnehmerschutzthemen. S&P dagegen bewertet die Deutsche Telekom mit einem ESG-Rating von 90 und hier gehört sie zu den branchenbesten bei ökologischen und sozialen Aspekten. Besonders bei der „Klimastrategie“, „Personalentwicklung“ und „Datenschutz“. Ein deutlich positiveres Bild im Gegensatz zu MSCI. Sustainalytics bewertet die Deutsche Telekom mit einem ESG-Risiko von 16,8 und das Unternehmen gehört damit zu den sechs Prozent der besten Unternehmen innerhalb der Telekommunikationsdienstleister.

ESG-Fonds nur eine neue Marketingmasche?

Liest man die Marketing-Unterlagen vieler Fondsanbieter und Banken, erhält man den Eindruck, man bekämpfe durch den Kauf von ESG-Anlagen den Klimawandel, stärke den Umweltschutz, fördere die Menschenrechte, trage zu mehr Diversität in Unternehmen bei und erziele damit auch noch eine schöne Rendite.

Nachhaltiges Investieren, das zeigen auch wissenschaftliche Studien, dürfte in der heutigen Form weder das Klimaproblem noch gesellschaftliche Missstände lösen. Der Anreiz, Kunden mit übertriebenen Versprechen vom Kauf ihrer ESG-Fonds zu überzeugen, ist zu groß. Die Nachfrage nach solchen Produkten ist ungebrochen, und meist lässt sich mit dem Label ESG ein Aufpreis bei den Gebühren verlangen.

Wenn ESG-Marketing zum Bumerang wird

Das teilweise irreführende Nachhaltigkeitsmarketing könnte bald zum Bumerang werden, wie sich im Mai 2021 am Beispiel des Fondsanbieters DWS zeigte: 50 Polizisten und Strafverfolger durchsuchten damals den Hauptsitz von DWS in Frankfurt. Ausgelöst hatte die Aktion der Strafverfolgungsbehörden eine Amerikanerin - Desiree Fixler. Sie hatte DWS nach ihrer Entlassung als Nachhaltigkeitschefin vorgeworfen, Anlageprodukte ohne ausreichende Grundlage als ESG-konform verkauft zu haben.

Die Regulatoren erarbeiten derzeit nicht zuletzt als Folge des Falls DWS weltweit neue Gesetze und Vorschriften gegen Greenwashing. Die EU hat ein Klassifizierungssystem verabschiedet, das Wirtschaftsaktivitäten in „umweltfreundlich“ und „nicht umweltfreundlich“ einteilt.

Übrigens – wussten Sie…?

Kurz nachdem Russland in die Ukraine einmarschiert war, argumentierten zwei Citigroup-Aktienanalysten, dass Waffenhersteller und Rüstungsunternehmen als ESG-Investitionen gelten sollten, weil ihre Produkte dazu beitragen, die Demokratie zu verteidigen und den Frieden zu bewahren. Andere nannten das absurd.

Ich sage: heute ist alles möglich und denkbar. Man muss es nur versuchen.

  • Deutsche kaufen weniger Bio-Lebensmittel

Die Branche für Bio-Lebensmittel steuert 2022 auf das erste Umsatzminus in ihrer Geschichte zu.“ titelte die Tagesschau am 27.12.2022. „Aussichten bleiben von hohen Kosten belastet. Entsprechend werden die kurzfristigen Aussichten für den Ökolandbau für 2023 als "verhalten" bezeichnet. Die Branche hofft auf ein Wiederanspringen der Konjunktur oder wieder bessere Verbrauchereinkommen, dann dürfe mit einem Nachfragewachstum gerechnet werden, heißt es im Bericht.

  • Man lese und staune!

Gibt es etwa einen Zusammenhang zwischen Kosten für Bio-Produkte und Kaufentscheidung der Verbraucher? Ist Bio und Tierwohl etwa teurer als konventionelle und Massentierhaltung? Dann dürfte es ja auch einen Zusammenhang zwischen EGS-Fonds und Rendite geben. Schließlich kostet die Einhaltung von ESG-Kriterien Geld, welches den Ertrag der Firma und damit auch den der Aktionäre schmälert.

Nach Louisiana, South Carolina, Utah und Arkansas wendet sich auch der US-Bundesstaat Missouri von BlackRock ab und entzieht dem Vermögensverwalter Geld. Konkret geht es um 500 Millionen US-Dollar. Das berichtete die „FAZ“: „Finanzminister Scott Fitzpatrick warf BlackRock (…) vor, Kriterien für Umwelt, Soziales und guter Unternehmensführung (ESG) zur sehr in den Mittelpunkt zu rücken – auf Kosten der Rendite“

ESG als Aufputschmittel? – Blick in die Vergangenheit

Ich erinnere mich „un“-gerne an die Zeit des „Neuen Marktes“ welcher nach knapp sechs Jahren am 10.03.1997 endgültig scheiterte. Er galt als führender Wachstumsmarkt Europas. Von einst 330 Firmen sind noch 150 notiert.

 

Hier wurde auch ein Marktsegment künstlich gehypt, indem man beim Anleger einen Bedarf weckte, den er vorher nicht hatte.

Zugegeben: Solche Eskapaden dürften sich im ESG-Segment in dieser extremen Form nicht wiederholen. Doch auch hier besteht tendenziell die Gefahr, dass Unternehmenspreise künstlich hochgejubelt werden, nur, weil sie - nun nebulöse ESG-Kriterien erfüllend – den Weg in einen der EGS-Indizes und damit ESG-ETF finden und von ESG-Fondsmanagern gekauft werden müssen.

Die Aktie Tesla ist hier ein gutes Beispiel. Einst Star unter den Klimaschützern, flog Tesla letztes Jahr aus dem S&P 500 ESG. Sicherlich auch ein Grund für den Absturz der Aktie und dem Abbau der erreichten Überbewertung.

„Was heißt das konkret für mich?!“

Der Grundgedanke zu ESG ist gut! Die Umsetzung jedoch nicht, lässt sie doch einen immensen Spielraum für Auslegungen und aktive Einflussnahme von Politik und Index-Anbietern zu. Zu intransparent und inkonsequent sind für mich die Regelungen. Das zeigt auch die Einstufung von Gas- und Atomenergie als „grüne“ und nachhaltige Energie durch das EU-Parlament.

Letztendlich zählt für den Anleger nur die Performance seiner Anlage. Ein Fondsmanager kauft auch in einem herkömmlichen Standardfonds ESG-konforme Aktien, wenn diese solide aufgestellt und bewertet sind sowie alle Kriterien für eine gute Geschäftsentwicklung erfüllen.

Übrigens: Kein einziger Cent der Käufer von ESG-Fonds findet den Weg ins Unternehmen! Sie kaufen lediglich einem anderen Aktionär seine Anteile ab. Es entsteht dadurch (abgesehen bei Kapitalerhöhungen) keine einzige neue Aktie und somit auch kein neues Eigenkapitel für das Unternehmen. Im Zweifelsfall tun Sie nur dem ehemaligen Aktionär etwas Gutes. Aber das ist ja auch schon mal etwas.

Wenn Sie wirklich ökologisch und ethisch investieren und nicht nur anlegen wollen, dann kaufen Sie beim Biobauern ein, installieren sich eine Solaranlage aufs Dach, oder beteiligen sich über eine Bürgerbeteiligung an regionalen ökologischen Projekten. Doch davon gibt es leider immer noch zu wenige. Auch das hat seine Gründe!

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