Ein Bürgergeld, längere Bezugszeiten für Arbeitslose ohne Sanktionen und ein deutlich erhöhter Mindestlohn müssen ebenso her wie eine Grundrente mit dem schönen Namen „Respekt-Rente“ von 900 Euro und eine Kindergrundsicherung.
Staatswirtschaft hat noch nie glücklich gemacht und wird nie glücklich machen
Kann es sein, dass es bei diesen Sozialreformen vor allem darum geht, nach links und rechts abgewanderte Wähler-Schäfchen wieder in das angestammte politische Milieu zurückzuholen? Immerhin finden 2019 vier Landtagswahlen sowie eine Europawahl statt und Umfragen prognostizieren der ein oder anderen Partei alles andere als rosige Wahlergebnisse. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
Überhaupt, ist eine Respekt-Rente gerecht, die auf Bedürftigkeitsprüfung verzichtet? Und wie viel Respekt bringt man eigentlich denjenigen entgegen, die zwar weniger als 35 Jahre „geklebt“ haben, somit keinen Anspruch auf Grundrente haben, obwohl sie während ihrer kürzeren Beitragszeit wegen insgesamt höheren Beiträgen gemäß Leistungsprinzip eine höhere Rente als die „Grundrentner“ erhalten müssten?
Und die Grundsicherung für Kinder? Am Ziel vorbeigeschossen! Eine sinnvolle Grundsicherung für Kinder wäre es, wenn sie in Ganztagsschulen unterrichtet würden, so dass auf die ordentliche Erledigung von Hausaufgaben, auf die Vorbereitung von Klausuren und konsequente Spracherlernung geachtet würde und in denen es nicht zuletzt ausgewogene Schulspeisungen gäbe. Dann könnten die Elternteile ohne schlechtes Gewissen und in Ruhe ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen. So würde Deutschland tatsächlich zur Bildungsrepublik und über verbesserte Job- und Aufstiegschancen der Kinder unendlich viel für seine Zukunftsfähigkeit tun.
Wer soll überhaupt die neue deutsche Sozialromantik finanzieren? Wenn demnächst aus staatlichen Überschüssen Defizite werden, müssen die Besserverdienenden mit ihren Steuern ran, obwohl die Steuerquote schon enorm hoch ist. Zur gepflegten Kenntnisnahme: Mittlerweile zahlt auch der Otto Normal-Facharbeiter den Höchststeuersatz. Werden sie es als gerecht empfinden, nach dem Motto der Band Geier Sturzflug „Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt“ für diejenigen zu zahlen, die bei der Suche nach einem Job keine großen Eigenbemühungen mehr zeigen müssen? Ist das das neue Leistungsprinzip?
Die Etablierung eines sich überkümmernden Nanny-Staates, der es gemäß Robin Hood-Prinzip von den angeblich Reichen, den Beschäftigten, nimmt, ist weder sozial noch gerecht, sondern ein Tritt gegen das Schienbein des Leistungsprinzips und damit leistungshemmend, auch auf volkswirtschaftlicher Ebene.
Hilfe, der Staat will Marktwirtschaft betreiben
In seinem Arbeitspapier „Nationale Industriestrategie 2030“ verlangt das Bundeswirtschaftsministerium mehr Marktwirtschaft. Gute Idee! Bei näherer Lektüre spricht man jedoch ausgerechnet den Unternehmen marktwirtschaftliche Fähigkeiten ab. Deren betriebswirtschaftliche Entscheidungen seien teilweise nicht ausreichend, um globale Kräfte- und Wohlstandsverschiebungen auszugleichen oder zu verhindern. Und darum - und jetzt kommt es - sei aktivierende, fördernde und schützende Industriepolitik berechtigt, d.h. Vater Staat soll ran.
Ja, es hat gravierende unternehmerische Fehlentscheidungen gegeben, die zu Pleiten, Pech und Pannen führten. Doch wer ohne wirtschaftliche Sünde ist, werfe den ersten Stein. Hat von oben verordnete Marktwirtschaft - die hübsche Umschreibung für Staatswirtschaft - in der Vergangenheit bewiesen, dass sie es besser kann?
Macht es wirklich Sinn, eine Energiewende mit zu wenig Rücksicht auf Arbeitsplatzsicherheit und gesicherte Stromversorgung zu planen? Der digitalisierte Kapitalismus wird dramatisch mehr Strom brauchen als heutzutage. Ist das polit-ideologische Zertrampeln der deutschen Dieseltechnologie mit viel Schaum vor dem Mund ein Musterbeispiel für wirtschaftspolitische Weitsicht?
Die ersten Zweifel am Wo, Wie und Was von Abgaswerten sind doch schon unüberhörbar. Warum wird die Dieseltechnologie nicht konsequent weiterentwickelt? Stattdessen läuft man der E-Mobilität hinterher wie die Ratten dem Rattenfänger ohne die Infrastruktur zügig aufzubauen oder z.B. die Frage zu beantworten, wie die hochtoxischen Altbatterien zu entsorgen sind und ob dort, wo Lithium gefördert wird - das A und O von Batterien - nicht die Umwelt regelrecht versaut wird.
Kann es sein, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird? Übrigens, wer A sagt, muss auch B sagen: Warum initiiert die „marktwirtschaftlich“ denkende Politik nicht mit viel Schmackes den Aufbau einer nationalen Batterieallianz, damit unsere heutige Vorzeigebranche morgen nicht von Tesla und den Chinesen abhängig ist, wie das Hundchen von Herrchen oder Frauchen?
Und was ist mit der Wohnungsnot, die so wenig überraschend gekommen ist wie Weihnachten und Ostern? Warum hat man Bauen so teuer gemacht, dass sich Private die eigenen vier Wände immer weniger leisten können und Investoren wegen abnehmender Renditen immer zurückhaltender werden? Interessanterweise scheint Dämmung ökologisch auch nicht immer über jeden Zweifel erhaben zu sein. Zudem klagen nicht wenige Immobilienbesitzer über Schimmel wegen mangelnder Belüftung.
Musste es so weit kommen wie in Berlin, wo aufgrund der extremen Wohnungsnöte mittlerweile fast die Hälfte der Bevölkerung der Vergesellschaftung von Wohnungsraum positiv gegenübersteht? Wenn das jemals kommen sollte, wird in der Bundeshauptstadt privat kein Ziegelstein mehr bewegt.
Schließlich, ist es überzeugend, die Fusion der beiden deutschen Großbanken politisch zu forcieren, nachdem man den Bankensektor zuerst übertrieben dereguliert und jetzt kaputtreguliert hat? Unabhängig davon, ob diese Zwangsehe ökonomisch überhaupt Sinn macht, scheint in Berlin die Angst groß zu sein, dass chinesische oder arabische Investoren oder Hedgefonds für kleines Geld große Anteile an Deutscher und Commerzbank erwerben könnten und schließlich der deutsche Finanzplatz fremdbestimmt ist. Die großen Konzentrationsbemühungen in der Finanzindustrie hat Frankreich bereits vor 20 Jahren zu deutlich besseren Bankenzeiten gemacht und damit stabile nationale Bankeinheiten geschaffen, ohne dass es zu Massenentlassungen gekommen ist.
Dem Volk aufs Maul schauen, aber nicht nach dem Mund reden
Statt sich „Marktwirtschaft“ selbst auf die Fahnen zu schreiben, soll der Staat einfach nur optimale Rahmenbedingungen für den deutschen Standort schaffen. Unsere mittlerweile dramatischen Strukturdefizite müssen angepackt werden. Sind unsere Unternehmenssteuern im weltweiten Wettbewerb zu hoch? Haben wir ein Bürokratieproblem? Übertreiben wir den Flickenteppich-haften Föderalismus von 16 Bundesländern? Ist es nicht eine Blamage, dass es die Zeit einer Generation braucht, bis Großprojekte wie der Berliner Flughafen oder Stuttgart 21 fertiggestellt sind? Ist es für die viertgrößte Wirtschaftsnation der Welt nicht beschämend, teilweise riesige Funklöcher zu haben? Das sind alles rhetorische Fragen.
Lieber Vater Staat, wir brauchen weder wahlpopulistische Sozialromantik noch gut gemeinte, aber schlecht gemachte staatliche Marktwirtschaft mit politischer Überkorrektheit. Nein, unser größtes Problem sind nicht die fehlenden Toiletten für das dritte Geschlecht.
Übernimm Deine Verantwortung auch in schwierigen Zeiten und kümmere Dich um die wirklich wichtigen Dinge. Sorge für einen gut gedüngten ökonomischen Nährboden, damit Unternehmen hier ihre Wurzeln behalten, neue Investitionen pflanzen und vor allem viele gute, nicht prekäre Arbeitsplätze gedeihen lassen. Lass Firmen Marktwirtschaft machen, damit sie ihre Wertschöpfung bei uns entfalten und nicht rüber machen nach Asien oder Amerika. Das ist für mich Sozialpolitik vom feinsten. Denn wo wirtschaftliche Perspektiven blühen und Rezessionsängste verdorren, können Gelbwesten keine Wurzeln treiben.
Nennen wir das Ganze doch einfach soziale Marktwirtschaft. Auf das Gegenteil, marktwirtschaftliche Staatswirtschaft habe ich keinen Bock.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128
Kommentare
Das Ziel scheint ein Anderes zu sein: Joschka Fischer hat es schon sehr deutlich und schriftlich dargelegt!
Die Deutschen sind zu intelligent, zu fleißig und zu reich! Nehmt ihnen das Geld weg, verschwendet es egal wofür; Hauptsache sie haben es nicht mehr!!! Ich für mienen Teil zweifle indess stark an der Intelligenz und am ewigen Mantra vom reich sein der schon länger hier Lebenden.
Wer hat es gehört oder glesen? Wer hat darauf reagiert? NIEMAND- Kein AUFSCHREI! Es interessiert schlicht Keinen! Hätte ich etwas zu sagen, bekäme er ab sofort keine € 11.000,00 per Monat mehr; er wäre für mich neben Anderen der erste Deutsche, dem ich das Geld wegnehmen würde!
Sieht man sich die Leute in unserem Politzirkus an - zum schaudern. Kaum mehr jemand mit solider Schul- oder Berufsausbildung, kaum jemand der im wirklichen Leben seinen Unterhalt verdiente, viele Rechtsverdreher - alle eint nur Eines - sie wissen nicht was sie tun- sie wollen es nicht wissen und wie und wo hole ich das Beste/Meiste für mich raus! Schaumschläger der allermiesesten Sorte - der Schein ist Alles.
Der Michl staunt, regt sich auf, reagiert nicht mehr, stumpft immer mehr ab - kein Widerstand weit und breit; so wird das nicht´s mehr! Wer sich hier noch der Hoffnung hingibt, hat den Blick auf die Realität schon verloren und befindet sich im Land der Träume.; kognitive Dissonanz heißt diese grassierende Volkskrankheit und scheint unheilbar zu sein.
Sehr schön, aber ob Bock oder nicht, wir befinden uns bereits in der staatlichen Planwirtschaft und dieser Weg ins Abseits wird konsequent von allen Blockparteien und ihren Galionsfiguren beschritten sowie letztlich durch das Verhalten der Wähler eingefordert. Mag sein, dass die Scheindemokratie als System eine Negativauslese bei Politikern fördert, die Verantwortung liegt aber beim Volk selbst. Die geistige Verwahrlosung, Verantwortungslosigkeit und Infantilität der Massen ermöglicht und beschleunigt den gewollten, irreversiblen Abstieg dieser transatlantischen Kolonie.
Bevor die Medienverblödeten und immer noch schlafenden Deutschen Wählen gehen, sollten Sie erst mal folgendes durchlesen.
Nun ist es aber so, daß das sog. Bundeswahlgesetz seit 1956 nicht mehr verfassungsgemäß (also nicht mehr versichert) ist. Somit sind die Handlungen aller sog. Bundesregierungen oder Landtesregierungen seit 1956 nicht mehr versichert. Da natürlich jede Vertragspartei das Recht zur Nachbesserung hat, wurde der Bundesregierung durch das Bundesverfassungsgericht das Recht der Nachbesserung mehrfach eingeräumt. Das letzte Mal im Jahre 2012. Es ist bis heute nichts geschehen. Was bedeutet das? Das bedeutet, daß jedes Mitglied der sogenannten Bundesregierung oder Landtesregierungen für seine Handlungen nicht versichert ist und somit privat (als Mensch mit seinem Kollateralvermögen) haftet. Aber wo kein Kläger, da kein Richter.
Wie wird ein Vorstand eines Vereins z.B. am Ende seiner Amtsperiode entlastet.
Na durch eine Wahl. Wir entlasten die Bundesregierung oder Landtesregierungen mit jeder Wahl. Und wir übernehmen die unbegrenzte Haftung für die Fehlverwaltung/Betrug/Treuhandbruch usw., die in der Bundesregierung oder Landtesregierungen der vergangenen Legislaturperiode gemacht wurden und zwar rückwirkend.
Da GERMANY kein Staat ist (NGO) geschweige den einer werden kann (Besatzer), ist auch alles gerede unserer Politikerclowns über Sozialreformen nur Personen nicht Menschenverblödung.
Das Geld muß weiter von unten nach oben fließen. Es gibt noch viel zu holen in Deutschland.
Was hätte der ,,Leistende" denn von seinem Potential, wenn ihm nach vollbrachter Arbeit ein weniger Leistungsfähiger, aber dafür vielleicht Stärkerer auflauern und ihm den Lohn seiner Arbeit abnehmen würde, ohne dafür vom Rest der Gesellschaft verurteilt zu werden?
Ich will nicht behaupten, dass wir in einer solchen Gesellschaft, in der andere Attribute von Bedeutung wären, alle ein besseres Leben führen würden. Aber unser aktuelles Zusammenleben funktioniert primär deshalb, weil sich ein Großteil der Menschen auch unter gewissen Zwängen in eine Rolle fügt. Und genau deshalb hat dieser Teil auch einen Anspruch darauf mitgenommen zu werden und an dem erwirtschafteten Wohlstand zumindest in einem Mindestmaß zu partizipieren.
Und ist es nicht möglicherweise so, dass dieser ach so überalimentierte Rentner seine 900€ insgesamt, jedenfalls aber einen Teil für die Waren ausgibt, die der hochbesteuerte Facharbeiter hergestellt hat?Und vielleicht kann sich der Geschäftsführer der Firma im Anschluss von ihnen die Frage beantworten lassen, ob er sich nun Fresenius oder Wirecard ins Depot legen soll. Falls er mit ihren Hinweisen nicht zufrieden war, braucht er danach meinen rechtlichen Rat und wir können uns alle unsere Brötchen leisten und unsere Kinder auf vernünftige Schulen schicken.Hört sich für mich nach einem super Konjunkturprogramm an.
Aber vielleicht haben sie Recht und stattdessen sollten wir die Konjunkturprogramme über den Weg Dieselfortentwicklung, mithin über die Autoindustrie fahren. Ach ja...Abwrackprämie, Abgasskandal, Personaleinsparung, Hysterie, sündhaft teure Gerichtsverfahren mit den namenhaften Kanzleien auf beiden Seiten, die mit einem breiten Grinsen die Hand aufmachen.
Vielleicht lieber nicht...
Oder Senkung der Unternehmenssteuer?Erfolgsmodell USA?Aktienrückkäufe statt Investitionen?
Vielleicht lieber nicht...
Und ist es nicht möglicherweise so, dass trotz der ,,unendlichen" Fähigkeiten des Marktes stets staatliche Forschungs- und Anschubfinanzierungen sowie spätere Investitionen und Beihilfen Unternehmen und Wirtschaftszweige zu dem gemacht haben, was sie heute sind?
Google, Apple...ach was rede ich...
Marktwirtschaft!!!!Aber nur wenn es gerade passt.
Ich empfehle allen Bildungsministern oder lerngeilen Eltern sich in der 7-9 std. Mal vor eine Klasse zu stellen und Deutsch, Mathematik, Physik zu unterrichten.
Ich habe Deutschland schon vor längerer Zeit den Rücken gekehrt, weil es mir dort nicht mehr gefiel, auch politisch. Zu viel Gejammer. Zu komplizierte Prozesse. Das allgegenwärtige Giesskannenprinzip, um politisch Frieden zu stiften. Das Leistungsprinzip wurde ja nicht erst seit letztem Jahr ausgehebelt.
Ich möchte aus einem wirtschaftlich und politisch nicht schlecht dastehenden Nachbarland einige Denkanstösse geben. Diese sollen nicht besserwisserisch daher kommen. Nichts läge mir ferner. Aber durch meine Aussensicht ordne ich manches anders ein. Vielleicht findet das der eine oder andere Leser interessant. Die nachfolgende Liste ist nur lose geordnet:
1. Staat: In der Schweiz gibt es seit gut 20 Jahren de facto keine Beamten mehr. Es ist nicht bekannt, dass Schulen oder staatliche Dienstleistungen deshalb an Qualität eingebüsst hätten. Warum wäre das wichtig in Deutschland? Ich sehe hier vor allem zwei Vorteile: 1. Einzahlung ins selbe RENTENsystem und keine Extrawurst mit üppigen Pensionen mehr. 2. Dynamik im Arbeitsmarkt. Es ist hier durchaus Gang und Gäbe in seinem Berufsleben in der freien Wirtschaft und für den Staat zu arbeiten. Zum Beispiel Lehrer gebe ich weiter unten noch ein "Müsterli" ab.
2. Föderalismus: In der Schweiz ist der Kantönligeist, also der Föderalismus stark ausgeprägt. Ich sehe in der föderalen Struktur Deutschlands nicht das grundlegende Problem. Sonst hätte die Schweiz ein mindestens so grosses.
3. Bildung: Ich gebe ein Beispiel aus meinem Wohnkanton. Abiturquote pro Jahrgang: knapp 20%. D.h. 80% der Schulabgänger finden ihren Weg im breitmaschigen schweizer Bildungssystem zu gut bezahlten und gut qualifizierten Berufen. Eines der Probleme Deutschlands ist meiner Ansicht nach die Massenhysterie, dass möglichst alle Kinder ans Gymnasium sollen. Wieso? Wer verdient in seinem Berufsleben wohl mehr? Der hochqualifizierte Handwerker oder der Medienwissenschaftler, der mit 30 merkt, dass die akademischen Bäume nicht in den Himmel wachsen?
4. Bildung zum Zweiten: Wieder ein Beispiel aus meinem Wohnkanton. Die Gymnasialrektoren bekommen vom Kanton (= Bundesland) ein Globalbudget. Davon zahlen sie Löhne und können mehr oder weniger frei, als CEOs ihrer Schulen, deren Entwicklung vorantreiben. Bewerbungen von Lehrpersonen gehen direkt an den Rektor, der für seine Schule Lehrpersonen auswählt und dem Kanton zur Einstellung empfiehlt. Dies kann auch die in Deutschland so heiss diskutierten Quereinsteiger beinhalten. Der Kandidat absolviert dann berufsbegleitend die entsprechende Ausbildung und fertig. Ein Gymnasium ist daher mehr ein mittelständisches Unternehmen, mit hinreichend grosser Autonomie. Wäre beim deutschen Kontrollwahn soviel Vertrauensvorschuss ertragbar?
5. Bildung zum Dritten: Klassengrössen: Maximal 24 auf Gymnasialstufe. Ganztagesschulen sind bei den älteren Schülern die Regel. Und, oh weh... G12 funktioniert auch - ganz ohne Massenpsychose und Dauerschäden bei den lieben Kleinen.
6. Öffentliche Projekte: Es ist hier sicher nicht alles Gold, was glänzt. Dennoch halten die Schweizer das Kostendach in der Regel mehr oder weniger ein. Es sei denn, es gibt unvorhergesehene Probleme, wie beim Gotthard-Basistunnel. Dennoch hatte dieser nur zwei Jahre Verspätung bei der Fertigstellung. Bei einem Bauwerk von 57 km(!) Streckenlänge. Kosten: ca. 10.75 Mrd €, also nur 3.5 Mrd € mehr, als der BER.
7. Bahn. Die SBB wollte nie dem Flugverkehr Konkurrenz machen wie die Bahn es vollmundig tat. Ist in einem kleinen Land auch nicht sinnvoll. War es dies in Deutschland je? Wieso muss der sogenannte Service Publique, also z.B. Bahn oder Post privatisiert werden? Muss sich ein Land nicht Erreichbarkeit leisten müssen, um Regionen nicht über die Massen zu entvölkern? Und wieso war man in Deutschland seinerzeit so ehrenkäsig und entwickelte und baute mit dem ICE einen Hochgeschwindigkeitszug, obschon Frankreich mit dem TGV ein Prämiumprodukt in der Auslage hatte? Das Geld wäre der Bahn-Infrastruktur sicher gut zu Gesicht gestanden.
8. Funklöcher. Gibt es hier auch, aber sicher nicht in dem Ausmass wie in Deutschland. Trotz der Berge und bisweilen tiefen Täler. Es jammert aber auch nicht jeder wegen Elektrosmog.
9. Kultur. Herr und Frau Schweizer JAMMERN viel weniger als der deutsche Michel. Man nimmt aber auch den Mund nicht so voll. Man ist gelassener. Ruht mehr in sich. Zugegeben tun die zackigeren Zuwanderer aus dem grossen Kanton dem bisweilen trägen System gut. Aber ich habe manchmal das Gefühl, dass in Deutschland seit Jahrzehnten die Zeit still steht. Es ist immer eine Minute vor Zwölf. Diese Gelassenheit heisst aber auch, dass man Selbstverantwortung erwartet. Wenn ich mich mit meiner Verwandtschaft in Deutschland unterhalte, werden die Diskrepanzen hinsichtlich der Eigenverantwortung immer offensichtlicher.
10. Erwartungshaltung an den Staat. In der Schweiz wird der (Sozial-)Staat (noch) nicht als Selbstbedienungsladen angesehen. Es ist den Schweizern sehr wohl bewusst, dass er und sie diesen mit ihren Steuergeldern finanziert. Liegt dies vielleicht daran, dass man die Steuern "aktiv" überweisen muss, anstatt sie vom Bruttolohn abgezogen zu bekommen?
11. (Bonus): Direkte Demokratie: Wer in Deutschland von der Basis-Demokratie à la Helvetien träumt, möge sich bitte folgendes vor Augen führen:
- Drei- bis viermal im Jahr ist Abstimmung. Dazu gilt es, ein sogenanntes "Abstimmungsbüchlein" zu studieren und sich eine - eigene - Meinung zu bilden. Da kann es vorkommen, dass mehr als drei Initiativen oder Referenden "vors Volk" kommen. Wenn man das Verfahren ernst nimmt, ist man ein paar Stunden beschäftigt. Wären das die Menschen in Deutschland?
- Die Beteiligung an Abstimmungen und Wahlen kann auch mal in der Region um 35% liegen. Wie sieht es da mit der Legitimation eines Entscheides aus, der mit vielleicht 50.3% angenommen wird?
- Die Verlierer akzeptieren die Niederlage. Ich erinnere an das Geschrei der Stuttgart 21-Gegner nach der Volksabstimmung. Demokratie heisst, Verlieren zu können. Kann man das in Deutschland noch?
- Wären die Deutschen reif genug, um aus volkswirtschaftlichen Gründen für längere Arbeitszeiten zu stimmen wie seinerzeit die Schweizer?
Vielen Dank fürs Lesen, wenn ihr bis hierher durchgehalten habt. Aber das musste mal raus!