Nach kurzem Aufatmen vor dem vergangenen Wochenende setzt die türkische Lira ihre Talfahrt im heutigen Handel fort. Grund hierfür scheint unter anderem ein Reuters-Bericht zu sein, in dem es heißt, dass die Türkei offiziell zu einer Bananenrepublik zu avancieren droht.

Nun ja, mit Blick auf die Ereignisse an den internationalen Währungsmärkten und außer Rand und Band befindlichen Zentralbanken dürfte eine solche Einschätzung inzwischen auf eine ganze Reihe von Nationen – inklusive der USA – in der Welt zutreffen.

Laut Reuters arbeite das türkische Finanzministerium gerade an einer neuen Gesetzgebung, die einen Transfer von Rücklagen der Notenbank in Höhe von 40 Milliarden Lira – oder rund 6,6 Milliarden US-Dollar – in das Haushaltsbudget der Regierung von Staatspräsident Erdogan ermöglichen soll.

Weiterer Missbrauch zeichnet sich ab

Nach der durch Erdogan und die AKP verfügten Wahlannullierung in Istanbul, aufgrund der sich die Türkei ohnehin schon im Zentrum massiver Kritik aus dem In- und Ausland befindet, sehen Beobachter in dem durch das Finanzministerium ausgearbeitete Papier Anzeichen für einen bevorstehenden Missbrauch der türkischen Zentralbank zur Finanzierung der Regierung.

Das durch die Erdogan-Regierung dringend benötigte Geld dürfte nach einer Verabschiedung der Gesetzgebung im Zuge des elektronischen Gelddruckens durch die Zentralbank generiert werden. Und wenn die türkische Notenbank erst einmal damit beginnen wird, massiv Liras zu drucken, dürfte der weitere Weg vorgezeichnet sein.

Hyperinflation, ökonomischer Zusammenbruch und ein finaler Kollaps der türkischen Lira würden wohl zu den wahrscheinlichsten Szenarien gehören. Aus eben jenem Grund hatte ich Ihnen im letzten Jahr von einem Kauf der Lira aus Spekulationszwecken abgeraten. Denn wie sich anhand der Türkei oder Argentiniens zeigt, lassen sich Währungskrisen nicht einfach so hinfort zaubern. Vielmehr flammen diese Krisen allenthalben immer wieder auf.

Regierungsbudget ist schon deutlich angekratzt

Hinzu gesellt sich die Tatsache, dass sich das türkische Regierungsbudget bereits tiefer in den roten Zahlen befindet als einst prognostiziert. Wen wundert es da, dass Erdogan und die AKP sich nun allem Anschein nach an den letzten verfügbaren Strohhalm in Form der Notenbank klammern, um sich das eigene Haushaltsdefizit von den Zentralbankern praktisch durch die Hintertür monetisieren zu lassen?!

Finanzielle Rücklagen der Zentralbank, die sich aus erzielten Gewinnen aus Finanzgeschäften zusammensetzen, unterscheiden sich von deren gehaltenen Währungsreserven. Im Falle eines Generaltransfers der Zentralbank-Rücklagen an die Regierung, würden sich Erdogan und die AKP über einen kurzfristigen Geldsegen von bis zu 40 Milliarden Lira freuen.

Bereits im Januar hatte die türkische Notenbank 37 Milliarden Lira aus eigenen Gewinnen an das Finanzministerium in Ankara zur Stabilisierung des Haushalts transferiert. Wie groß der Finanzbedarf der Regierung Erdogan zu sein scheint, zeigte sich nicht zuletzt an dem zeitlich um drei Monate vorgezogenen Termin dieses Transfers.

Abstimmung im Parlament steht noch bevor

Um derartige Zentralbank-Transfers zukünftig zu zementieren, benötigt es jedoch eine neue Gesetzgebung, die sich laut durch Reuters zitierten Quellen nun in Ausarbeitung befände und dem Parlament alsbald zur Abstimmung vorgelegt werden dürfte.

Allein im ersten Quartal 2019 belief sich das türkische Haushaltsdefizit auf knapp 37 Milliarden Lira. Finanzanalysten prognostizieren, dass sich dieses Defizit bis Ende des laufenden Jahres auf mehr als 80 Milliarden Lira ausweiten wird. Deutlich wird anhand dieser Zahlen, dass sich ein Transfer der Notenbank-Rücklagen als nicht ausreichend erweisen wird, um die türkische Regierung solvent zu halten.

An den Währungsmärkten sorgte der Reuters-Bericht für weitere Unruhe, da deutlich wird, auf welch drastische Weise sich die Finanzstabilität der Türkei verschlechtert. Nun kursieren Befürchtungen, laut denen sich die Regierung fortan der Zentralbank bedienen könnte, um sich mittels Gelddruckens liquide zu halten.

Kursreaktion ließ nicht lange auf sich warten

Resultat ist, dass die türkische Lira im heutigen Handel abermals die psychologisch wichtige Marke von sechs Lira pro US-Dollar durchbrochen hat. Bislang übersetzen sich die Verluste der türkischen Lira im heutigen Handel auf knapp 2,5 Prozent, nachdem das Währungspaar am frühen Nachmittag bei 6,13 Lira pro US-Dollar gehandelt wurde.

Angemerkt sei an dieser Stelle abschließend nochmals, dass türkische Unternehmen auf einen aufgetürmten Schuldenberg in Höhe von 315 Milliarden US-Dollar blicken. Es verwundert aus diesem Blickwinkel kaum, dass viele Unternehmen die kurzzeitige Lira-Stärke in der vergangenen Woche dazu genutzt zu haben scheinen, um sich mit rund 300 Millionen US-Dollar einzudecken.

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