Moomax GmbH - Lindners Geschäftsvisionen und die Volksaktie

Persönliche Erfahrung im Umgang mit öffentlichen Geldern, Risikokapital, Unternehmensinsolvenzen und dem Auf und Ab an den Kapitalmärkten konnte der Bundesfinanzminister bereitserwerben. Auch die Fähigkeit zu antizipieren - nämlich zu erkennen, dass eine Geldzahlung spätestens mit Fälligkeit zu leisten ist, sollte er erlernt haben. Letzteres möglicherweise eher auf die harte Tour - durch Betreiben von Gläubigern.

Als (Mit-)Geschäftsführer war er bei der Firma Moomax GmbH tätig. Gegründet wurde die Moomax Pressemitteilungen zufolge am 29. Mai 20001. Gemäß Handelsregister waren Geschäftsziel und Gegenstand des Unternehmens „die Entwicklung und das Design komplexer Softwarelösungen, insbesondere für die mobile Kommunikation“.

Das Stammkapital der Gesellschaft betrug 30.000,00 Euro. In seiner Eigenschaft als (Mit-)geschäftsführer hat er die Pflicht gehabt, stets die wirtschaftliche Lage zu kennen, um bei Zahlungsschwierigkeiten steuernd eingreifen zu können. Nach kaum einem Jahr Geschäftsführertätigkeit und 6 Monate vor Insolvenz der Firma Ende 2001 verließ Christian Wolfgang Lindner das Unternehmen.

Volksvermögen auf den Kapitalmärkten verbrannt

Die Zeit um das Jahr 2000 war geprägt von der sogenannten New Economy. Neue technologische Entwicklungen wie Internet und Mobiltelefonie ließen junge Firmen, sogenannte Start-ups, wie Pilze aus dem Boden schießen. An der Deutschen Börse wurde der aus 50 Aktienwerten bestehende Nemax 50 gegründet.

Zukunftsorientierten Unternehmen, vornehmlich aus der Informations-, Bio- und Telekommunikationsbranche konnten hier Eigenkapital aufnehmen. Insbesondere Kleinanleger entdeckten die Aktie als Geldanlage. Es war die Zeit, als die Deutsche Telekom AG die sogenannte „T-Aktie“ auf dem Kapitalmarkt platzierte.

Das auch als „Volksaktie“ bekannt gewordene Wertpapier ging jedoch den Bach runter. Klagen auf Schadenersatz für erlittene Kursverluste verliefen erfolglos. Investitionen in die verschiedenen Aktientitel des Nemax 50 bescherte insbesondere Kleinanlegern Milliardenverluste. Ende 2004 wurde der für die New Economy kreierte Index eingestellt.

In dieser rekordverdächtigen Zeit hat der spätere Bundesfinanzminister sich als befähigt erwiesen, etwa 1,40 Millionen Euro öffentlicher Gelder zu verbrennen. Die staatseigene Förderbank „Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)“ stellte diesen Betrag als Kredit zur Verfügung. Wie es soweit kommen konnte, wird sich wohl nie vollständig aufklären lassen. Das „Bankgeheimnis“, die Pflicht zur Verschwiegenheit, gilt eben auch für die „Bank aus Verantwortung“ (Selbstverständnis und Außendarstellung der KfW).

Man soll auch scheitern von Pionieren nicht biographisch ein Leben lang als Stigma verwenden2 - zitierte Herr Lindner die nordrheinwestfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Anlass seines auch als Wutrede bekannt gewordenen Auftrittes war ein Zwischenruf aus den Reihen der SPD-Fraktion während einer Landtagssitzung Ende Januar 2015. Er hätte ja „Erfahrung mit der Gründerkultur“ - eine Anspielung auf die Insolvenz seines Unternehmens während der New Economy.

Zugegeben - ein Leben lang sollte man einem jungen Menschen, Lindner war zum Zeitpunkt der Unternehmensinsolvenz Anfang 20 - keine Vorhaltungen machen. Andererseits wird man erwarten dürfen, dass man aus Fehlern klug wird und als gebranntes Kind das Feuer scheut.

„Keine Rendite ohne Risiko“ - diese Börsenweisheit galt nicht nur zur Zeit der New Economy, sondern hat auch heute Berechtigung. Nur, dass es diesmal nicht um bankenfinanziertes Startkapital für ein Start-up in Millionenhöhe geht. Im Raum stehen Aktienspekulationen mit Milliardenbeträgen, aufzubringen aus Steuergeldern und aus den Taschen zwangsweise rentenversicherter Beitragszahler.

Das Desaster Riester-Rente

Bereits die prinzipiell privat finanzierte Riester-Rente ist nach großen Ankündigungen seitens der Politik im Jahr 2002 grandios gescheitert. Weniger aus Sicht der Versicherungen und Banken, die ihr Geschäft gemacht haben. Jedoch für den oftmals unbedarften und gutgläubigen Versicherungsnehmer. Denn die

  1. laufenden Kosten in der Ansparphase und die
  2. laufenden Kosten in der Auszahlungsphase sowie die
  3. nachgelagerte Besteuerung zu einem heute unbekannten persönlichen Steuersatz
  4. und der zu erwartende Kaufkraftverlust durch Inflation

machen den Riester-Vertrag oftmals unrentabel.

Da hilft es nur bedingt, dass bei Riesterrenten das eingezahlte Kapital, inklusive staatlicher Zulagen, garantiert ist. Denn letztere sind ohnehin nicht gerade üppig. Jährlich gewährt die für Riester-Zulagen zuständige staatliche Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) 175,00 € Grundzulage. Um diese zu erhalten, müssen Anleger allerdings mindestens 4,00 Prozent des Vorjahresbruttojahresgehaltes in den Riestervertrag einzahlen (abzüglich Zulage in Höhe von 175,00 € sowie 300,00 € je Kind solange Anspruch auf Kindergeld besteht).

Nun mag man einwenden, dass die Riester-Beiträge bis zur Bemessungsgrenze von 2.100,00 € steuerfrei sind. Jedoch sind mit Rentenbeginn die Riester-Auszahlungen nachgelagert zu versteuern.

Seitens Banken und Versicherungen wird gerne damit geworben, dass im Rentenalter die steuerpflichtigen Einkünfte zumeist niedriger sind als im Arbeitsleben. Somit ist in der Regel auch der persönliche Steuersatz niedriger, was unterm Strich einen finanziellen Vorteil bringen soll. Das Argument ist fragwürdig:

  • Zum einen lässt sich über Jahre hinweg nicht seriös voraussagen, wie hoch der Steuersatz ab Rentenbeginn sein wird.
  • Zum anderen ist zu bedenken, dass neben der Riester-Rente auch die gesetzliche Rente besteuert wird. Erhöhungen der gesetzlichen Rente wirken sich auf den persönlichen Steuersatz und somit auch auf die Riester-Rente aus.

Vier Prozent dauerhafte Verzinsung des angesparten Riester-Kapitals war einst das politische Ziel der Riester-Rente. Ein Wert, der seit Einführung der Riester-Rente zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd erreicht wurde. Staatlich garantiert ist letztlich nur, dass das eingezahlte Kapital erhalten bleibt und mit Rentenbeginn zur Auszahlung gelangt.

In Anbetracht einer jährlichen Geldentwertung von etwa 8,00 % (Jahr 2022) ist die wahre Garantie, dass sich keine Rendite erzielen lässt. Zumindest nicht auf Seiten der Versicherten.Immer wieder in der Kritik stehen unter anderem die hohen Abschlussgebühren, Provisionenund Verwaltungskosten dieser Verträge. Je 100,00 Euro Einzahlung können Kosten von 25,00 Euro und mehr anfallen3.

Dass die Versicherungsbranche nicht so seriös ist, wie sie sich nach außen gibt, wird sich spätestens seit dem sogenannten „ERGO-Skandal“ des Jahres 2011 herumgesprochen haben.Und dieser dürfte wohl nur die Spitze des Eisberges sein. Vertriebsmitarbeiter berichten von gelebter Praxis in den Konzernen:

Mit Bordell-Besuchen auf Mallorca, Urlaub im Swinger-Hotel auf Jamaika oder „Party Total“ im Budapester Gellert-Thermalbad wurden erfolgreiche Vermittler belohnt. Die Hamburg-Mannheimer soll Schadenbegrenzung der eigenen Art betrieben haben. Die in Ungarn angefallenen finanziellen Aufwendungen für Huren und Vergnügen in Höhe von 83.000,00 € konnten von der Steuer abgesetzt werden4. Für Branchenvertreter vielleicht ein befriedigendes Ergebnis - die Kosten haben im Wesentlichen Versicherte und Steuerzahler zu schultern.

Vorsatz oder Ignoranz der deutschen Politik?

Unter den Schlagworten „Aktivierender Sozialstaat und sozialpolitische Steuerung“ wurden in Deutschland seit Riester ein Reihe von Reformen auf den Weg gebracht5. Die geplante Aktienrente, auch Generationenkapital genannt, ist lediglich die neueste Idee.

Man lehnt sich wohl nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man annimmt, dass die meisten Rentenversicherten sich nicht freiwillig an Aktienspekulationen, Geld- und Rentenwettenbeteiligen würden. Steuerungsinstrument um den Vermögenseinsatz zu bewirken ist dieSozialgesetzgebung. Beigetrieben wird der monatliche Pflichtbeitrag zur Rentenversicherung durch die gesetzliche Krankenversicherung, bei welcher der Arbeitnehmer zuletzt versichert war.

Eine Stabilisierung und Reaktivierung der angeschlagenen gesetzlichen Rente ist dadurch jedoch kaum zu erwarten. Bereits der Handlungsansatz wirft die Frage auf, wie die Rente ausgezahlt werden soll, wenn es an der Aktienbörse mal bergab geht.

Es ließe sich zynisch argumentieren, dass eben dies den Rentenbezieher zu Aktivitäten im täglichen Leben anregt. Und sei es, dass er an einer der bereits heute in Deutschland verbreiteten Lebensmitteltafeln ansteht oder sich ein Taschengeld in Form von Pfandflaschen aus dem Altmüllcontainer fischt.

Tatsache ist jedenfalls, dass Krisenszenarien von Befürwortern der Aktienrente oder anderen kapitalgedeckten Formen der Altersvorsorge kaum in Betracht gezogen werden. Altersvorsorge sollte jedoch nicht auf Annahmen und Mutmaßungen beruhen, sondern zumindest Szenarien-Rechnungen beinhalten. Um hieraus mögliche zu erwartende negative Auswirkungen abzuleiten. Gerade in Deutschland wäre das geboten. Denn das Vermögen von Aktien- und Pensionsfonds kann auch kollabieren oder enteignet werden.

Börsenkrisen und Rentennot

Ein weithin bekanntes Beispiel ist der Börsencrash des Jahres 1929. Der 24. Oktober ist in die Geschichte als „schwarzer Freitag“ eingegangen. An der New Yorker Börse brachen die Aktienkurse massiv ein. Für die Weltwirtschaft, insbesondere aber für die auf Auslandsexporte angewiesene deutsche Wirtschaft, war das ein abgrundtiefes Desaster. 

Zahlreiche Unternehmen, mussten Insolvenz anmelden. Zwei Millionen Menschen waren 1929 arbeitslos. Bereits 1931 hatte sich diese Zahl verdoppelt, im Jahr 1933 belief sich die Anzahl auf nahezu 6 Millionen Bürger - mehr als ein Drittel der erwerbsfähigen Bevölkerung. In Folge waren die Staatseinnahmen aus Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen nicht mehr hinreichend, um Arbeitslosengeld und Renten zu bezahlen. Eine ungeheure soziale Verelendung breiter Gesellschaftsschichten griff um sich, die in der Hoffnung auf Rettung 1933 in die nationalsozialistische Diktatur einmündete.

Eher am Rande sei erwähnt, dass am Ende des ersten Weltkrieges deutsche Aktien nahezu 90 Prozent ihres Wertes verloren. Bereits kurz nach Beginn des Zweiten wurde in den USA das Auslandsvermögen deutscher Banken und Versicherungen zunächst eingefroren und nachfolgend enteignet.

Erst ein Vierteljahrhundert nach dem Aktiencrash und lange nach Ende des zweiten Weltkrieges, nämlich am 23. November 1954, erreichte der New Yorker Aktienindex wieder das Vorkrisenniveau. 

Auch in jüngerer Zeit lassen sich Beispiele für Börsenkrisen zu finden. Erinnert sei an die Finanzkrise infolge des Platzes der Immobilienblase in den USA. Im Jahr 2008 war derenHöhepunkt. In der Zeit von Dezember 2007 bis zum Tiefpunkt im März 2009 verlor der deutsche Aktienindex DAX etwa 46 Prozent seines Wertes6. Erst fünf Jahre später konnte das 2008er Jahreshoch von 8.045,97 Punkten wiedererlangt werden. 

Kurseinbrüche an den Aktienmärkten infolge der Corona-Pandemie im März 2020 („Dax erlebt derzeit den schnellsten Crash seiner Geschichte“ - Handelsblatt vom 12.03.2020) oder des Zusammensturzes des World Trade Centers in New York am 11.09.2001 sind weitere Beispiele. Allerdings erholten sich die Kurse in Folge rasch wieder. Jedoch sollte nicht zuletzt die Finanzkrise des Jahres 2008 aufgezeigt haben, mit welch hohen Risiken Kapitalanlagen auf den internationalen Finanzmärkten behaftet sind.

Wie die Wirtschaftsgeschichte beweist, muss der Anstieg nach einer Börsentalfahrtkeineswegs zeitnah erfolgen. Vielmehr kann er auch durch Niederungen des Elends und der Armut führen und sich sogar über Jahrzehnte hinziehen. Bereits deshalb lässt sich der künftige Geldwert einer aktienbasierten Altersvorsorge nicht seriös einschätzen.

Wenn denn überhaupt in seröse Unternehmen investiert wird. Die ehemals börsennotierte, insolvente Wirecard AG wäre wohl auch eine aussichtsreiche Kapitalanlage für die staatliche Altersvorsorge gewesen. Bundeskanzler Scholz leidet heute an Erinnerungslücken, Merkel verteidigt ihren politischen Einsatz für die Firma. Der zwangsversicherte Beitragszahler hätteseinen Einsatz allerdings verloren.

Immerhin ist die Politik noch der Auffassung „Wer gearbeitet und vorgesorgt hat, muss immer mehr haben als die Grundsicherung7

Vom Erhalt des im Erwerbsleben erworben Lebensstandards im Alter, ein jahrzehntelang rentenrechtlich garantierter Anspruch, ist schon lange kaum mehr die Rede. Die Stabilität der Beitragszahlungen, die sogenannte Haltelinie, welche die Höhe der Beitragssätze bis zum Jahr 2025 auf 20 % begrenzen soll, bestimmt heute das politische Handeln. Konzepte zur Sicherung einer auskömmlichen Rente, abseits von Spekulation auf den Finanzmärkten, werden noch nicht einmal ernsthaft diskutiert.

Die Bundesrepublik Deutschland war einmal ein Staat, in dem Arbeitnehmer in Würde alt werden konnten. Inwieweit das mit der überdies in Rede stehenden „Basis-Rente“ für jedermann ab dem 70. Lebensjahr möglich sein wird, möge jeder für sich beurteilen. Die Schuld den Politikern zu geben, wäre jedoch zu einfach. Es ist letztlich der Wähler, der Rentenbankrotteuren immer wieder aufs Neue zu Legitimität sowie politischer Macht, sowie Rentenlobbyisten von Banken und Konzernen zu finanziellem Erfolg verhilft.

„Was heißt das konkret für mich!?“

Für die persönliche Altersvorsorge sind Aktien ein durchaus sinnvolles Investment. Ähnlich wie Edelmetalle und Immobilien dienen sie der Risikostreuung. Professionell und unabhängig verwaltet können sie ansehnliche Wertzuwächse sowie überdies Dividendengewinne erzielen. 

Die heutige Rentenmisere ist im Wesentlichen Ergebnis politischen Handelns. Bei einem Rentenniveau von 48,15 % (gesetzliche Rente nach 45 Jahren Beitragszahlung mit durchschnittlichem Einkommen im Verhältnis zum durchschnittlichem Arbeitnehmereinkommen des Jahres 2023) kann von einer lebensstandardsichernden Rente kaum mehr die Rede sein. Bereits deshalb ist der private Aufbau einer auf Wertpapiere gestützten Altersvorsorge, als alternative Ergänzung zur umlagefinanzieren gesetzlichen Rente, folgerichtig.

Die Regenten in Berlin werden voraussichtlich, entgegen aller offiziellen Beteuerungen,weitere Abgaben verlangen - neben den ohnehin schon hohen Zwangsbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung. Staatliche Spekulation auf Aktienrendite ist keine seriöse Lösung, für die von der Politik verschuldete Rentennot.

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