Kein Vergleich zu 2017

Dabei handelte es sich aber nicht um eine Neuauflage der Fernsehdebatte von 2017, in der damals Emmanuel Macron noch neu in der Politik war und dadurch den Nimbus des Quereinsteigers ausstrahlte, der alles anders und besser machen wollte als seine Vorgänger.

An diesem Mittwoch hatte der amtierende Präsident eine durchwachsene Bilanz einer vielschichtigen fünfjährigen Amtszeit zu verteidigen. Marine Le Pen, welche 2017 die eindeutige Verliererin der Debatte gewesen war, die schlecht vorbereitet und sich vor allem bei wirtschaftspolitischen Fragen unqualifiziert äußerte, sich dabei bei Zahlen und Fakten irrte und durch anzügliche Ausfälle viele Anhänger verprellte, hatte offensichtlich dazu gelernt.

Diesmal trat sie wesentlich beherrschter und sachlicher auf, kam gleich zur Sache, ohne ihren Kontrahenten frontal anzugreifen, sondern eher ihre eigene Agenda zu präsentieren.

Präsident Macron, wie immer gut vorbereitet, erschien aber auch an diesem Mittwoch in Detailfragen überlegen und ließ Frau Le Pen spüren, dass er sie für nicht geeignet für das höchste Amt im Staat hält, und gab wiederholt seiner Neigung zu Arroganz nach, obwohl seine Spin-Doktoren ihn davor eindringlich gewarnt hatten.

Für die Zuschauer nicht sehr angenehm: Die Debatte war in acht Themenbereiche geteilt, was dazu führte, dass die beiden Kandidaten in ihrer knappen Redezeit nur wenig ansprechen und kaum ins Detail gehen konnten, sondern vor allem Kritik der Gegenseite abwehren mussten. Deshalb blieb vieles nur angerissen und an der Oberfläche kleben.

Beide Kandidaten fischten im linken Wähler-Milieu

Beide Kandidaten waren darum bemüht im brach liegenden linken Wähler-Milieu zu fischen. Marine Le Pen einleitend dadurch, dass sie sich als „Verteidigerin der Gerechtigkeit, der nationalen Brüderlichkeit und der wiedergefundenen Harmonie zwischen den verschiedenen Gruppierungen der Bevölkerung“ darstellte.

Macron erwiderte darauf, wie staatsmännisch er agiert habe, erinnerte an sein Streben nach Reformen in Frankreich und Europa sowie seinen Einsatz während der Coronakrise und jetzt im Krieg in der Ukraine.

Außenpolitik auf gaullistischen Spuren

Was das Thema Außenpolitik anging, da wurde der Einmarsch Russlands in die Ukraine von beiden Kandidaten verurteilt. Allerdings hat Emmanuel Macron in diesem Zusammenhang Marine Le Pen vorgeworfen, sich in eine Abhängigkeit zu Russland begeben zu haben, indem sie 2014 im Hinblick auf ihren Wahlkampf 2017 einen Kredit bei einer Putin nahestehenden Bank aufnahm.

Sie hängen von der russischen Macht und von Putin ab“, sagte er. „Wenn Sie von Russland sprechen, dann sprechen Sie von Ihrem Geldgeber.“ Marine Le Pen verteidigte sich mit dem Hinweis, dass ihr seinerzeit keine französische Bank einen Kredit gewähren wollte, was undemokratisch sei.

Sie machte Macron, der seinerzeit Wirtschaftsminister war, persönlich für diese Verweigerung verantwortlich. Dieser konterte mit dem Hinweis, dass die Banken nicht in sein Ressort, sondern in das des Finanzministers fielen. Le Pen räumte ein, dass sie den Boykott von Öl- und Gasimporten als Sanktion gegen Russland nicht mitträgt, weil dies wirtschaftlich zu Lasten der französischen Bevölkerung gehe.

Allerdings verzichtete sie auf die Aussage, welche von ihr im Wahlkampf häufig zu hören war, nach dem Krieg in der Ukraine müsse die Nato „auf Russland zugehen und ein strategisches Abkommen mit Moskau schließen“, um dem Sicherheitsbedürfnis aller Seiten zu entsprechen.

Beide Kandidaten bedienten sich dabei gaullistischer Theorien, im Bezug zur Außen-und Geopolitik. Allgemein kann festgestellt werden, dass die Debatte keine Überraschungen gebracht hat und beide Kandidaten nur ihre bereits bekannten Programmpunkte und Meinungen wiederholt haben.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Die TV-Debatte zwischen Le Pen und Macron machte vor allem deutlich, dass bei allen Schwächen des politischen System Frankreichs und der beiden Kandidaten, der politische Meinungsaustausch auf einem weit höheren Niveau stattfindet, als seit geraumer Zeit in der Bundesrepublik. Dieses wird besonders deutlich in den Bereichen Außen-, Verteidigungs- und Geopolitik, wo in Paris zumindest Strategien existieren, während man sich in Berlin  aufführt, wie in einem transatlantischen Tollhaus. Bei aller Oberflächlichkeit, die ihnen nachgesagt wird, sind die Franzosen - sobald es um die historische Perspektive geht - die profunderen Denker. Sie schließen dabei auch das kategorische Scheitern nicht aus, obgleich ihnen die Lust am Untergang fremd ist.

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