Da Informationen in der Sekunde, in der sie publik werden, bereits vollends in den Kursen implementiert werden, ist der aktuelle Aktienkurs der Theorie folgend immer fair und spiegelt den Wert eines Unternehmens zu 100 Prozent wider.

Hiernach ist es also praktisch unmöglich, dass ein Marktteilnehmer imstande ist, den Markt langfristig outperformen zu können. Zudem wären höhere Renditen nur mit der Inkaufnahme von höheren Risiken möglich. Auch geht die Theorie davon aus, dass die Marktteilnehmer in Summe stets rational und risikoscheu agieren.

Zum Thema Risikoscheue kann festgestellt werden, dass Menschen - gerade in bullischen Märkten - vieles sind, aber sicher nicht risikoscheu. Gerade in den vergangenen zwölf Monaten lässt sich das komplette Gegenteil anhand der Kursentwicklung von defizitären Tech-Unternehmen ablesen.

 

Im Index abgebildet finden sich unprofitable Unternehmen aus dem Tech-Sektor mit der zusammengefassten Kursentwicklung bis zum 15. Januar 2021. Zweifelsohne waren es diese risikoscheuen Anleger, die bei Unternehmen, welche nachweislich keinen Cent Gewinn generieren, für Kursvervielfachungen innerhalb weniger Monate gesorgt haben müssen - nicht?!

Dürfte es in effizienten Märkten Blasen geben?

Zudem genügt ein Blick auf wenige Charts, um zu zeigen, dass es auch mit der oft zitierten Effizienz nicht weit her sein kann. Am Kursverlauf des Nasdaq 100 zu Zeiten der Dotcom-Blase lässt sich dies hervorragend ablesen. Wenn Märkte effizient und Kurse dadurch jederzeit fair bepreist sind, wie kann es dann überhaupt zu Blasen kommen? Haben die armen Teufel damals EM.TV, Deutsche Telekom und Mobilcom also tatsächlich zu ‚perfekten‘ Preisen gekauft oder ganz im Gegenteil zu regelrechten Mondpreisen?

Quelle: guidants.com

Moderne Portfoliotheorie – gar nicht so modern

Ebenso bedenklich ist das Beharren auf gewissen Teilen der 1952 von Harry Markowitz begründeten modernen Portfoliotheorie, die an Unis auch - trotz vermehrt kritischer Betrachtung in finanzwissenschaftlichen Kreisen - nach wie vor gelehrt wird.

Die Theorie steht allein aufgrund des Festhaltens an der Kennzahl Beta als zentrale Risikokennzahl auf tönernen Füßen. Dabei sagt das Beta zwar aus, wie stark die Schwankungen sind, denen eine Aktie im Verhältnis zum Referenzindex unterworfen ist, aber rein gar nichts über das spezifische Risiko derselben Aktie.

Demnach wäre eine E.ON aus Sicht des Betas von 0,37 ‚sicherer‘, als eine Adidas mit einem Beta von 0,86. Der langfristige Kursverlauf beider Titel führt ganz klar vor Augen, dass das Beta als Risikokennzahl unsinnig ist. Bei der ‚sicheren‘ und schwankungsarmen E.ON konnte man in den letzten Jahrzehnten nur eines - und zwar Geld verlieren.

Das Positive an der Portfoliotheorie ist die theoretische Grundlage für die Wichtigkeit der richtigen Diversifikation eines Wertpapierportfolios. Allerdings, dass man niemals ‚alle Eier in einen Korb‘ legen soll, wussten Anleger unter Anwendung des gesunden Menschenverstands auch schon vorher.

Momentum – Schlecht für EMH, gut für Anleger

Ein weiterer Sargnagel für die beschworene Markteffizienzhypothese (und der abgeleiteten Aussage, man könne Märkte nicht schlagen) ist der Momentum-Faktor, der die Theorie regelrecht ad absurdum führt. So bemerkte Eugene Fama in einem Interview "Momentum ist meiner Meinung nach die größte Blamage für effiziente Märkte". Dem hinzufügend, hoffe er „dass es verschwindet“.

Vereinfacht gesagt werden bei der Momentum-Strategie nur solche Aktien ins Portfolio gekauft, die sich in der vergangenen Periode besonders gut entwickelt haben. Der Momentum-Effekt besagt, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit eben diese Titel sind, die in der Folgeperiode erneut zu den Outperformen gehören werden.

Das gleiche gilt umgekehrt natürlich auch für besonders schwach performende Aktien. Der Momentum-Effekt ist also die empirische Grundlage für ‚The trend is your friend‘. Die Datenlage ist erdrückend. So findet sich im Netz sogar eine Studie, die den Momentum-Faktor zurück bis in das 19. Jahrhundert belegen kann.

Anhand des MSCI World Momentum, zu dem sich auch zugrundeliegende ETFs finden lassen, lässt sich die deutliche Outperformance gegenüber dem MSCI World erkennen. Gleichzeitig zeigt sich, dass der Momentum-Ansatz im langfristigen Bild sogar geringeren Schwankungen unterworfen ist. Eine Outperformance bei annehmbaren Schwankungen ist also durchaus möglich. Wie passt das mit der EMH zusammen?

Momentum ist kein Allheilmittel

Allerdings hat die Momentum-Strategie kurzfristig auch Nachteile. Kommt es zu einer Korrektur, sind es meist die am stärksten gelaufenen Titel, die bei einem Marktrückgang auch die deutlichsten Einbußen zu verzeichnen haben. Dieser Umstand zeigt sich anhand der derzeitigen Korrektur bei Tech-Titeln besonders gut. Da sich die Zusammensetzung der Titel in Momentum-Portfolios, wie dem MSCI World Momentum, vergleichsweise träge auf halbjährlicher Basis ändert, können Verluste zwischenzeitlich also größer ausfallen, als beim Gesamtmarkt.

Dieser Umstand ist bekannt - und so haben findige Finanzwissenschaftler herausgefunden, dass diesem Nachteil mit einer Beimischung von Value-Titeln entgegengewirkt werden kann. Value-Aktien weisen in Summe eine geringere Schwankungsbreite aus als Momentum-Titel. Der Umstand, dass Value-Titel meist auch noch brave Dividendenzahler sind, spielt bei der (gerade langfristigen) Performance ebenso eine wichtige Rolle. So wirkt die Zugabe von Value gerade zum Schutz vor stärkeren Kurseinbrüchen als wohltuende Ergänzung für Momentum-Portfolios.

„Was heißt das für mich konkret!?“

In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass man mit dem Momentum-Ansatz den Markt schlagen konnte. Mit der Ergänzung durch Value kann sich die Strategie sogar noch verfeinern lassen, die sich per kosten- und zeitsparenden ETFs problemlos nachvollziehen lässt. Ob sich diese Tendenz bis in alle Ewigkeit fortsetzen wird? Wer weiß das schon. Nichtsdestotrotz sollte damit klar sein, dass man gut beraten ist, auch scheinbar über jeden Zweifel erhabenen Theorien stets kritisch zu begegnen und einen offenen Geist zu wahren.

Herzlichst

Ihr Christof von Wenzl

Quellen:guidants.com, https://www.aqr.com/Insights/Perspectives/Fama-on-Momentum, https://www.ai-cio.com/news/asness-debunks-famas-views-on-momentum/, https://www.msci.com/documents/10199/904e031c-94e4-4dbc-a314-7c373446dffa, https://images.aqr.com/-/media/AQR/Documents/Journal-Articles/JPM-Momentum-in-Japan---The-Exception-That-Proves-the-Rule.pdf,

Risikohinweis
Dieser Artikel dient nur zu Informationszwecken, bietet keine Anlageberatung und empfiehlt nicht den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Hinweis auf zukünftige Ergebnisse.

Hinweis
Dirk Müller sowie die Finanzethos GmbH haben sich verpflichtet den Kodex des Deutschen Presserates für Finanz- und Wirtschaftsjournalisten einzuhalten. Der Verhaltenskodex untersagt die Ausnutzung von Insiderinformationen und regelt den Umgang mit möglichen Interessenkonflikten. Die Einhaltung des Verhaltenskodex wird jährlich überprüft. Dies gilt auch für die für Dirk Müller oder für die Finanzethos GmbH tätigen freien Journalisten.

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"