Ein gut diversifiziertes Portfolio kombiniert verschiedene Anlageklassen, deren Renditen unterschiedlich auf Marktbedingungen reagieren. Der beigefügte Chart illustriert dies eindrucksvoll. Er zeigt den kumulativen Ertrag (Portfolio Cumlative Returns) sowie die maximalen zwischenzeitlichen Rückgänge (Maximum Drawdowns) eines gleichgewichteten Portfolios aus vier verschiedenen Anlageklassen. Leser, die schon länger dabei sind, kennen dieses einfache Portfolio, das als Ausgangsbasis für eine langfristige Anlage dienen kann.

Gerade die Drawdowns zeigen, dass die Tiefpunkte im Zeitverlauf durch die Streuung der Anlageklassen im Vergleich zu reinen Aktienportfolios deutlich gemildert werden können. Darunter leidet der maximal mögliche Ertrag, aber das ist der Preis der niedrigeren Rückgänge. Mit diesen geringeren Drawdowns geht eine höhere Wahrscheinlichkeit einher, dass Anleger ihre Strategie auch langfristig durchhalten. Und genau das ist bei reinen Aktienstrategien oft der Knackpunkt.

Jeder hätte gerne nach 30 Jahren den maximalen Ertrag. Das hierzu notwendige Durchhaltevermögen wird jedoch an den Aktienmärkten mit häufigen Kursrückgängen von 30 % bis 50 % oder sogar darüber hinaus auf eine harte Probe gestellt.

Wer ein Jahr vor dem Renteneintritt einen 50 prozentigen Rückgang seines Portfoliowertes erlebt, der sieht dies selten so locker wie ein 20-jähriger, der über so einen Fall nur nachdenkt. Es gilt die alte Finanzmarktregel: Nur bei den zurückliegenden Einbrüchen kann man sicher sein, auch wieder nach oben zu kommen. Aus dem Krater heraus sieht die Situation anders aus, als wenn man nach der Erholung dorthin zurückblickt.

Aus der Perspektive der Verhaltensforschung – der kürzlich verstorbene Daniel Kahnemann sei Anlegern hier ans Herz gelegt, - bietet Diversifikation psychologische Vorteile. Investoren neigen dazu, Verluste stärker zu empfinden als Gewinne gleicher Größe, eine Tendenz, die als Verlustaversion bekannt ist.

Ein diversifiziertes Portfolio kann die Schwankungen der Portfoliowerte glätten, was dazu beiträgt, etwaige aus dieser Tendenz resultierende emotionale Reaktionen und Fehlentscheidungen auf kurzfristige Verluste zu dämpfen. Dies kann wiederum zu rationaleren, weniger von Emotionen getriebenen Entscheidungen führen.

Einer der teuersten Sätze vieler Anleger ist bekanntlich die hoffnungsfrohe Äußerung „ich gehe hier mal aus dem Markt und steige wieder ein, wenn die Lage sicherer ist“. In der Regel steigt der Anleger aus, schaut dann zu, wie die Kurse steigen, traut sich aber selbst nicht wieder in den Markt, weil die Preise über seinem Ausstiegsniveau liegen und redet dann die nächsten zehn Jahre davon, dass der Markt zu teuer ist. Wer allein diese Falle umgeht, der ist schon weiter als die meisten Anleger. Und genau dies gelingt mit einem Portfolio, das vergleichsweise geringe Einbrüche aufweist.

Manchmal hilft es, eine ganz andere Betrachtungsweise heranzuziehen. Wenn man Anlageklassen nicht einfach als Renditebringer, sondern auch als Versicherung betrachtet, zeigt sich der Nutzen der Diversifikation deutlich. Niemand würde die Versicherung seines Hauses oder die Haftpflichtversicherung für eine bestimmte Zeit aussetzen, nur, weil er denkt, in den kommenden Wochen würde schon kein Schadensfall eintreten.

Wer bei einer Anlagestrategie einzelne Bausteine herauslöst, etwa, weil diese eine gewisse Zeit nicht gut gelaufen sind, der setzt darauf, den richtigen Zeitpunkt seiner Anlagen gut selbst bestimmen zu können. Natürlich klappt das im Laufe eines Anlegerlebens das eine oder andere Mal – das sind die Geschichten, die immer erzählt werden. Oft klappt das aber nicht, und Anleger erleiden hohe Verluste oder – fast noch häufiger – verpassen Marktanstiege. Diese Geschichten werden eher selten erzählt. Professionelles Anlegen ist nicht einfacher als professioneller Sport. Es erfordert enorme Disziplin, mentale Stärke und ein möglichst kleines Ego. Zwischen Kegelabend und dem Bearbeiten von WhatsApp Nachrichten zur Organisation von Tante Klaras Pizzaabend ist das nicht zu bewerkstelligen. Da man am Kapitalmarkt jedoch auch durch Glück mal vorne liegen kann, merken viele Privatanleger dies erst, wenn es zu spät ist.

„Was heißt das konkret für mich!?“

In Summe bildet Diversifikation eine Brücke zwischen quantitativen Finanztheorien und qualitativen, verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnissen, was sie zu einem unverzichtbaren Element einer jeden Anlagestrategie macht. Wichtiger als die maximal mögliche Rendite einer Anlage ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Anleger der Strategie treu bleibt. Das Vertrauen der Anleger in ihre Strategien ermutigt sie dazu, langfristig am Markt engagiert zu bleiben, selbst in Zeiten hoher Unsicherheit und Volatilität. Und genau dies macht über sehr lange Zeiträume den Unterschied zwischen guter und (unnötigerweise) enttäuschender Entwicklung aus.

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