Sie haben mit dem Erlös Ihrer Engagements bei Nvidia, Super Micro Computer und Bitcoin ein kleines Vermögen verdient und gedenken nun, sich als Unternehmer zu versuchen. Ihr Blick fällt dabei auf zwei zum Verkauf stehende Eisdielen im Stadtzentrum, was naheliegend ist, da Sie ganz tierisch auf Eiscreme stehen.

Nachdem Sie sich die Zahlen beider Eisdielen angesehen haben, stellen Sie fest, dass beide pro Jahr rund 100.000 Euro an Nettogewinn erzielen. Während Rene’s Eismanufaktur für einen Kaufpreis von 1,5 Millionen Euro zu haben wäre, würde Sie Elsa’s Eiscreme-Eldorado 1,6 Millionen Euro kosten. Der Fall scheint klar, Rene macht das Rennen!

Moment! Nicht so schnell. Haben Sie auch einmal einen Blick in die Bilanz geworfen? Nein? Gut, dann schauen wir uns die Bilanzen der beiden Eisdielen kurz gemeinsam an.

Interessant…Während Rene’s Eismanufaktur eine Million Euro benötigt, um den Betrieb am Laufen zu halten, kommt Elsa’s Eiscreme-Eldorado mit lediglich der Hälfte der Summe aus. Elsa hat erkannt, dass sich ein Bananensplit auch ohne Designermöbelstücke und Silberbesteck ganz vortrefflich genießen lässt. Weniger Umsatz und Gewinn als Rene machte Elsa bisher noch nie.

Falls wir nach unserer Übernahme also gedenken, das Eisdielen-Geschäftsmodell auf dem gesamten deutschen Markt auszurollen, wäre es also vielleicht doch schlauer, in Elsa’s Eiscreme-Eldorado zu investieren. Angenommen, wir verdienen auch mit der zweiten, dritten und vierten Elsa-Eisdiele jeweils 100.000 Euro pro Jahr, könnten wir im Fall der Elsa-Eisdielen bei einem Einsatz von 500.000 Euro also mit 100.000 Euro jährlichem Gewinn rechnen. Das ergäbe eine Verzinsung unseres Kapitals von 20 Prozent (100.000/500.000 = 0,20 = 20 %).

Wenn wir das Geschäftsmodell von Rene’s Eismanufaktur auf ganz Deutschland erweitern würden, müssten wir pro Eisdiele bereits eine Million Euro aufwenden, um ebenfalls die 100.000 Euro an Jahresgewinn einstreichen zu können. Das ergäbe eine Rendite auf unser eingesetztes Kapital von zehn Prozent (100.000/1.000.000 = 0,10 = 10 %). Nicht schlecht, aber mit Elsa fahren wir eindeutig besser. Die Rendite, worüber wir hier übrigens gerade gesprochen haben, nennt sich Eigenkapitalrendite, also die Rendite auf unser eingesetztes Kapital.

Zufälle gibt’s!

Nachdem Sie sich bereits dazu entschieden haben, in Elsa’s Eiscreme-Eldorado zu investieren, ploppt schon die nächste verfügbare Geschäftsidee auf. Es stellt sich heraus, dass in derselben Straße, in der sich die Eisdielen befinden, auch zwei Cafés zum Verkauf stehen. Wie es der Teufel will, stehen wir hier wieder vor demselben Problem. Beide Cafés verdienen dies gleiche Summe, genauer gesagt 20.000 Euro und stehen für dieselbe Kaufsumme von 400.000 Euro zur Verfügung. Vielleicht hilft uns ja auch hier ein Blick in die Bilanz? Schauen wir mal rein.

Klarer Fall für Britta! Diese erzielt auf ihr eingesetztes Kapital (= Eigenkapital) eine phänomenale Rendite von 66 Prozent (20.000/30.000 = 0,66 = 66 %). Bei deren Konkurrent DGBKADU Inc. sind es „nur“ 13,3 Prozent an Eigenkapitalrendite (20.000/150.000 = 0,133 = 13,3 %).

Irgendetwas stimmt da nicht

Während Sie in den Unterlagen weiterstöbern, stoßen Sie bei Britta immer wieder auf Schreiben von Britta’s Bank. Erhöhungen des Kreditzinssatzes, erste Mahnung, zweite Mahnung, Zwangsvollstreckung. Vielleicht sollten Sie doch einmal nachschauen, was sich auf der Passiva-Seite der Bilanz (Psst…das ist die rechte Seite der Tabelle) alles finden lässt.

Und hoppla, was haben wir denn hier. Britta hat zwar 30.000 Euro und damit ihre ganzen Ersparnisse in ihr geliebtes Café gesteckt, musste jedoch bei ihrer Hausbank einen Kredit in Höhe von 270.000 Euro aufnehmen, um das Café eröffnen zu können.

Wenn Sie also Britta’s Café-Konzept auf ganz Deutschland ausrollen möchten, reichen Ihnen dafür keine 30.000 Euro. Sie müssen schon 300.000 Euro auf den Tisch legen. Umgemünzt auf einen Jahresgewinn von 20.000 Euro ergäbe dies eine Rendite auf das gesamte eingesetzte Kapital von 6,6 Prozent (20.000/300.000 = 0,066 = 6,6 %). So wirklich prickelnd ist das nicht. Da können wir unser Geld gleich in eine zehnjährige deutsche Staatsanleihe packen. Hier verdienen wir zwar nur 2,3 Prozent, müssen dafür aber kein unternehmerisches Risiko eingehen.

Der Konkurrent macht’s besser

Besser sieht es da schon bei der DGBKADU Inc. aus. Wofür steht die Buchstabenkombination nochmal? Egal. Jedenfalls beträgt die Rendite auf das Gesamtkapital, also unser eingesetztes Kapital (= Eigenkapital) inklusive der Bankkredite (=Fremdkapital) 11,4 Prozent (20.000/175.000 = 0,114 = 11,4 %). Zwar erwirtschaftet dieses Unternehmen keinen Cent mehr an Gewinnen, dafür setzt man hier auf günstigere Räumlichkeiten, nicht ganz so schicke Möbel und eine billigere Kaffeemaschine. Dadurch müssen wir also lediglich 175.000 Euro einsetzen, um 20.000 Euro an Gewinn zu erwirtschaften.

Aus eigener Tasche wurde das Café mit 150.000 Euro Eigenkapital finanziert. Daraus ergibt sich zwar eine niedrigere Eigenkapitalrendite von 20 Prozent (20.000/150.000 = 0,13 = 13 %), jedoch müssen wir uns im Gegensatz zu Britta mit keinen Zwangsvollstreckern abschlagen.

Die Bewertung – Schulden berücksichtigen!

Ganz zu schweigen davon, dass wir beim Kauf von Britta’s Kaffeekränzchen mit den 400.000 Euro, die wir auf den Tisch legen, auch noch einen Kredit in Höhe von 270.000 Euro dazukaufen. Während wir beim Kauf des DGBKADU-Cafés also inklusive Schulden das 21-fache des jährlichen Gewinns auf den Tisch legen müssen, ist es bei Britta in Wahrheit das 33,5-fache!

Hey, jetzt konnte ich sogar noch den Unterschied zwischen Börsenwert und dem Enterprise Value eines Unternehmens aufzeigen. Sachen gibt’s!

Die verschiedenen Arten von Kapitalrenditen

Mir ist klar, dass es sich hierbei um stark vereinfachte Beispiele handelt. Trotzdem, im Kern bilden diese die essenziellen Themen ab, wenn es um das Thema der Kapitalrenditen geht. Im Wesentlichen haben wir uns gerade mit den zwei bekanntesten Kapitalrenditekennzahlen beschäftigt, der Eigen- sowie der Gesamtkapitalrendite.

Anhand der Eigenkapitalrendite lässt sich ablesen, wie effektiv ein Unternehmen mit dem eingesetzten Kapital umgeht bzw. wie viel Rendite sich mit dem jeweiligen Geschäftsmodell erzielen lässt.

Im Beispiel von Britta haben wir auch gesehen, dass die Eigenkapitalrendite künstlich nach oben gepusht werden kann, wenn mit einem hohen Fremdkapitalhebel gearbeitet wird. Aus diesem Grund gibt es die Gesamtkapitalrendite.

Denn bei dieser Renditekennzahl werden die Schulden in der Rechnung mitberücksichtigt. Beim Blick auf die Eigenkapitalrendite lohnt es deshalb stets, auch kurz einen Blick auf die Gesamtkapitalrendite zu werfen. Unternehmen mit hohen Eigenkapitalrenditen, jedoch nur mauen Gesamtkapitalrenditen hübschen ihre Eigenkapitalrendite meist lediglich mittels eines hohen Fremdkapitalhebels auf.

Korrekterweise müsste man bei der Berechnung zum Gewinn auch die bezahlten Zinsen auf das Fremdkapital hinzuaddieren. In der hier ersichtlichen Formel wurde dies berücksichtigt. In den oben aufgezeigten Beispielen habe ich darauf verzichtet, um die Sache nicht unnötig zu verkomplizieren.

Kapitalrenditen – Ein wahrer Kennzahlendschungel

Neben diesen beiden Kennzahlen gibt es auch diverse Abwandlungen. Zu den bekanntesten gehören der ROIC (Return on Invested Capital) sowie der ROCE (Return on Capital Employed), die in ihrer Berechnung etwas komplexer sind. Im Kern geht es jedoch stets um die gleiche Frage: Welche Rendite erwirtschaftet ein Unternehmen auf das eingesetzte Kapital. Und dafür sind in meinen Augen die beiden Kennzahlen Eigenkapitalrendite sowie Gesamtkapitalrenditen völlig ausreichend.

Quelle: terminal.stock3.com

Am Beispiel der beiden Fluggesellschaften Ryanair und EasyJet lässt sich erkennen, dass Ryanair wesentlich effektiver mit dem eingesetzten Kapital umgeht

„Was heißt das konkret für mich!?“

Zwei Dinge werden mit diesem Beitrag klar: Erstens, dass das Thema der Kapitalrenditen kein Hexenwerk darstellt. Und zweitens, dass man bei der Analyse von Aktien mit dem Blick auf die Kapitalrenditen bereits sehr viel über ein Unternehmen herausfinden kann, lange bevor man sich ins Zahlenwerk vertieft.

Falls Sie noch weitere Fragen haben, dann stellen Sie diese gerne im Kommentarbereich!

 

Herzlichst

Ihr Christof von Wenzl

 

Quellen: terminal.stock3.com

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