„Einzelhandelsapokalypse“ setzt sich fort - weitere Dominoeffekte absehbar

Waren Analysten in den Vereinigten Staaten über die letzten Jahre davon ausgegangen, dass sich die rekordhohen Insolvenzen im amerikanischen stationären Einzelhandel auf Sicht endlich ein wenig abschwächen würden, so wird diese Zunft gerade eines Anderen und Besseren belehrt.

Die durch Covid-19 bedingten Lockdowns haben allen Prognosen einen dicken Strich durch die (Analysten-)Rechnungen gemacht, denn Amerikas „Einzelhandelsapokalypse“ setzt sich in unverminderter Geschwindigkeit fort.

Inzwischen beginnt sich abzuzeichnen, welch massiven – und wahrscheinlich permanenten – Schäden das Herunterfahren der wirtschaftlichen Aktivitäten in den Vereinigten Staaten verursacht hat und zu welchen Rückkopplungseffekten es noch kommen könnte.

Steht das Aus von weiteren 25.000 Einzelhandelsgeschäften ins Haus?

Aus einem neuen Bericht der in der Vergangenheit recht treffsicheren Analysefirma Coresight Research geht hervor, dass weitere Zehntausende Geschäfte und Filialen unter Amerikas stationären Einzelhändlern ihre Pforten im laufenden Jahr für immer schließen werden.

Im Bericht wird auch eine Zahl genannt. Bis Jahresende könnten es nach den bereits eingereichten Insolvenzen durch Neiman Marcus, J.C. Penney und J. Crew weitere 25.000 (!) stationäre Einzelhandelsgeschäfte sein, die von einem solchen Schicksal ereilt werden.

Durch Gewerbeimmobilien gedeckte Wertpapiere mit nie gesehenem Anstieg der Verzugsquote!

Hiervon betroffen sind insbesondere Betreiber von Geschäften in Einkaufszentren und großen Shopping Malls, deren Laufkundschaft angesichts der anhaltenden Coronavirus-Pandemie auf einen verschwindend geringen Anteil in Relation zu jener Zeit vor den Lockdowns zusteuert.

Die sich hieraus ableitenden Folgen kulminieren in teils massiv einbrechenden Verkäufen und einer wachsenden Säumnisquote im Bereich der monatlich fällig werdenden Mietzahlungen. Über die sich akut verschärfende Lage an den Märkten für Commercial Mortgage-backed Securities (CMBS) hatten wir Sie über die letzten Wochen auf dem Laufenden gehalten.  

Aus neu veröffentlichten Daten der Analysefirma Trepp geht hervor, dass die Säumnisquote (Verzug von 30 Tagen und mehr) im CMBS-Sektor von 2,29 % im April auf 7,15 % im Mai in die Höhe geschossen ist. Es handelt sich hierbei um den stärksten Anstieg der Säumnisquote auf monatlicher Basis in der Geschichte der Datenaufzeichnungen!

Lockdowns haben Bereinigungstrend im Einzelhandel beschleunigt

Bereits vor Ausbruch der globalen Pandemie hangelte sich die „Einzelhandelsapokalypse“ von einem Jahresrekordhoch zum nächsten. Allein im Verlauf des letzten Jahres schlossen über 10.000 Einzelhändler in den Vereinigten Staaten ihre Pforten.

Ließ sich bislang noch davon ausgehen, dass lediglich alte (Bau- und Investitions-)Sünden bereinigt würden, die auf Kapitalfehlallokationen, einst ausgelöst durch die zuvor beobachtbare Fed´sche „Greenspan-Blase“, zurückgingen, so lässt sich aus aktueller Sicht davon sprechen, dass der stationäre Einzelhandelssektor in den USA inzwischen vielerorts um sein nacktes Überleben kämpft.

Schon über den Verlauf der letzten Jahre sahen sich insbesondere Geschäfte und Filialen in Einkaufszentren und Shopping Malls durch eine anhaltende Krise betroffen, da sich ein immer größerer Anteil der Verbrauchereinkäufe ins Internet verlagerte. Die durch Covid-19 bedingten Lockdowns haben diesen Trend über die vergangenen Monate beschleunigt.

Angesichts der nach wie vor herrschenden Abstandsregeln sehen sich viele Betreiber von Geschäften mit dieser Situation überfordert, da hierdurch vor allem auch die Ladenfrequenz durch Laufkundschaft deutlich sinkt.

Mietzahlungsstopp wegen Lockdown sorgt für Probleme

Laut Coresight-Chefin Deborah Weinswig werde eine Welle von Geschäftsaufgaben und Filialschließungen unter Schlüsselmietern in Einkaufszentren und Shopping Malls auch eine Schließungswelle unter Geschäften in deren unmittelbarer Umgebung zur Folge haben.

Aus eben jenem Grund rechnet Coresight Research bis Jahresende mit einer Verdopplung der Geschäfts- und Filialschließungen im Vergleich mit dem Jahr 2019 auf 20.000 bis 25.000 Einheiten. Die sich fortsetzende Schließungswelle unter Textileinzelhändlern bis hin zu ganzen Einkaufszentren werde sehr unangenehme Rückkopplungseffekte in Bezug auf andere Wirtschaftsbereiche zur Folge haben, so Weinswig. 

Anfang Juni verklagte die Simon Property Group, einer der größten Betreiber von Shopping Malls und Einkaufszentren in den USA, das Unternehmen GAP, den größten Kunden der Simon Property Group, sich darauf berufend, dass GAP im Zuge der Lockdowns mittlerweile fällige Mietzahlungen in Höhe von knapp 66 Millionen US-Dollar nicht geleistet habe.

Nicht nur GAP, sondern auch eine ganze Reihe von anderen großen Einzelhändlern hat die Mietzahlungen angesichts der staatlich erzwungenen Geschäfts- und Filialschließungen im Zuge der Lockdowns eingestellt. Das Resultat? Die Spannungen zwischen Vermietern an den gewerblichen Immobilienmärkten und deren Kunden nehmen deutlich zu.

20 Millionen Jobs könnten auf dem Spiel stehen

Bis dato ist laut Bekanntgaben unter stationären Einzelhändler eine permanente Schließung von weiteren 4.000 Geschäften und Filialen im ganzen Land vorgesehen, darunter Hunderte von Filialen der Firmen Neiman Marcus, Pier 1, Tuesday Morning, J.C. Penney, Stage Stores und L. Brands.

Bereits vor dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie sahen Schätzungen von Coresight Research eine Schließung von 15.000 Geschäften und Filialen im laufenden Jahr vor. Da die meisten Filialschließungen permanenten Charakter aufweisen, könnten allein im Bereich des stationären Einzelhandels bis zu 20 Millionen Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verlieren.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Konkret heißt das, dass sich im gewerblichen Immobiliensektor der Vereinigten Staaten nicht nur der größte Zusammenbruch in der Landeshistorie abzeichnet, sondern dass dieser Kollaps unter Bezugnahme auf die eingehenden Daten aus diesem Sektor längst im Gange ist. Viele der sogenannten Mc-, Mini- und Teilzeitjobs werden in diesem Bereich nicht ein weiteres Mal neu geschaffen werden, da Zehntausende von Geschäften und Filialen permanent geschlossen bleiben.

Bitte berücksichtigen in diesem Zuge auch den Hotel-, Restaurant- und Gastronomiebereich, der unter ähnlichen Schmerzen wie der Einzelhandel leidet. Es lässt sich aus diesem Blickwinkel also mit einer anhaltend hohen Arbeitslosigkeit über die nächsten Monate und Jahre rechnen.

Einerseits erschwert dieser Umstand jedoch in der Zukunft die Manipulation der Arbeitsmarktdaten durch das Bureau of Labor Service, andererseits wird sich dieser Kollaps im gewerblichen Immobiliensektor im Zeitablauf auch auf andere Wirtschaftsbereiche auswirken, um dort diverse Kettenreaktionen anzustoßen.

In einem solchen Umfeld auf eine V-förmige Erholung der Wirtschaft zu setzen lässt sich in meinen Augen fast schon als fährlässig bezeichnen. Aus dem Blickwinkel der Geschichte und ein Auge auf die aktuellen Entwicklungen an den durch Zentralbanken „quasi-nationalisierten“ Finanzmärkten werfend, lässt sich konstatieren, dass Systeme – und ich sage ganz bewusst nicht „die Welt“ – häufig mit wehenden Fahnen untergegangen sind, ohne davon Notiz zu nehmen.

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