Aus Sicht der Hotelindustrie sind das keine guten Neuigkeiten, weil viele Hotelbetreiber ihre lukrativsten und margenträchtigsten Einnahmen in eben jenem Bereich generieren. Es lässt sich leichterdings nachvollziehen, dass Gruppenreisen, Unternehmensveranstaltungen und eine Bewirtung von Regierungs- und Behördenmitarbeitern vor dem Ausbruch der Covid-Krise zu den Cash Cows im amerikanischen Hotelbereich zählten.

Was den Individualtourismus anbetrifft, so hatte der europäische Kontinent seine Grenzen für amerikanische Reisende und Besucher über die Sommermonate zwar wieder geöffnet, was jedoch nicht andersherum galt. Seitens der Infektions- und Seuchenschutzbehörde CDC hieß es hierzu, dass die in den Vereinigten Staaten umgehende Delta-Variante abermals einen signifikanten Anstieg der positiv getesteten Personen verursacht habe, weshalb keine weiteren Risiken in Bezug auf eine mögliche Einschleppung von noch anderen Varianten eingegangen werden sollten.

Im Hinterkopf dürfte die CDC-Führung vor dieser Entscheidung die Erwartung gehegt haben, dass die Impfquote in den USA über das Frühjahr und den Sommer stark zulegen würde, was unter Berücksichtigung der aktuellen Zahlen allerdings nicht in dem erhofften Maße passiert ist.

Die Prognosen der American Hotel and Lodging Association (AHLA) und Kalibri Labs sind düster

Wolf Richter berichtet zur Entwicklung im amerikanischen Geschäftsreisesektor, dass die generierten Einnahmen im Hotelgewerbe im laufenden Jahr um knapp sechzig Milliarden US-Dollar unterhalb der im Jahr 2019 erwirtschafteten Erträge liegen werden. Wolf Richter nimmt Bezug auf neueste Daten der American Hotel and Lodging Association (AHLA) und Kalibri Labs.

Danach sieht es für die Industrie auch im laufenden Jahr alles andere als gut aus. Mit Blick auf die zwanzig attraktivsten Reisedestinationen in den Vereinigten Staaten geht der Verband für das Jahr 2021 von einem Einnahmekollaps in Höhe von achtzig Prozent (!) im Vergleich mit dem Jahr 2019 aus – und zwar von ehedem 38 Milliarden auf nur noch 7,6 Milliarden US-Dollar.

Aus Perspektive der die heimische Rangliste anführenden Ostküsten-Metropole New York City sieht es gar noch düsterer aus. Hier wird im laufenden Jahr mit Einnahmerückgang in Höhe von 88 Prozent im Geschäftsreisegewerbe im Vergleich mit dem Jahr 2019 gerechnet – und zwar von ehedem 4,6 Milliarden auf nur noch 531 Millionen US-Dollar.

Die landesweit zweitwichtigste Destination Orlando im Bundesstaat Florida wird unter Berücksichtigung der aktuellen Prognosen im laufenden Jahr unter Einnahmeausfällen in Höhe von 81 Prozent zu leiden haben – und zwar von 2,8 Milliarden US-Dollar im Jahr 2019 auf nur noch 518 Millionen US-Dollar in 2021.

Auch die Hauptstadt Washington, D.C. steht dieser Entwicklung in nichts nach. Hier wird mit einem Einbruch in Höhe von 86 Prozent von ehedem 2,7 Milliarden US-Dollar im Jahr 2019 auf nur noch 371 Millionen US-Dollar im laufenden Jahr gerechnet.

Die nachfolgende Tabelle gewährt einen guten Überblick über die Entwicklung der Geschäftsreisen bezüglich der landesweit 20 größten und attraktivsten Reisedestinationen im ganzen Land.

Quelle: AHLA

Geschäftsreisen werden deutlich reduziert – San Francisco am stärksten betroffen

Bereits vor rund zwei Wochen hatte AHLA die Ergebnisse einer eingehenden Analyse zur Entwicklung des amerikanischen Geschäftsreiseverkehrs veröffentlicht. In dem verlinkten Bericht hieß es, dass ein Anteil von 67 Prozent unter amerikanischen Geschäftsreisenden aufgrund der erneut steigenden Covid-Fälle eine Reduzierung der Geschäftsreisen einplane.

Ein Anteil von 52 Prozent wird die für den Rest des laufenden Jahres geplanten Geschäftsreisen wahrscheinlich komplett absagen, während ein Anteil von sechzig Prozent eine Verschiebung der eigenen Geschäftsreisepläne (wahrscheinlich bis hinein ins nächste Jahr) vorsieht.

Keine andere Metropole in den Vereinigten Staaten hat es über den Verlauf der vergangenen achtzehn Monate aus Sicht der Tourismusentwicklung härter getroffen als die Westküsten-Metropole San Francisco.

San Francisco belegt in der heimischen Rangliste der Geschäftsreisedestinationen den fünften Platz. Das dortige Hotelgewerbe sieht sich mit einem Einnahmeeinbruch in diesem Bereich in Höhe von 93 Prozent konfrontiert – und zwar von 2,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2019 auf nur noch prognostizierte 178 Millionen US-Dollar im laufenden Jahr.

Aus dem Bericht von AHLA geht unter anderem auch hervor, dass das Convention Center Moscone bis zum Rest des Jahres kaum mehr irgendwelche Veranstaltungen terminiert habe. Gerade einmal vier Events befinden sich bis zum Jahresende noch in der Planung.

Doch eines davon, die Ausrichtung der im Monat November geplanten 64. Internationalen Automobilausstellung, ist kürzlich abgesagt worden. Vielleicht wird es den drei restlichen Veranstaltungen ebenso ergehen.

Physische Konferenzen weichen zunehmend dem digitalen Austausch

Noch wird in San Francisco auf die physische Abhaltung einer Reihe von Konferenzen gehofft, doch potenzielle Besucher hätten bereits in einer größeren Anzahl mitgeteilt, eher keine physische Präsenz zeigen zu wollen, um sich anstelle dessen womöglich online zuschalten zu lassen.

Es lässt sich leichterdings vorstellen, auf welche Weise eine solche Grundhaltung auf die Organisatoren wirken muss. Diese Situation ist kein spezifisches Problem, auf das nur die Metropole San Francisco blicken würde. Ganz im Gegenteil sähe es laut AHLA zurzeit im ganzen Land so aus.

Konferenzorganisatoren zeigen sich darum bemüht den Versuch zu unternehmen, einige Seelen in riesigen und verwaisten Convention Centers zusammenzubringen, um auf diesem Wege die Erfahrung zu machen, wie zäh und langsam diese Prozesse vonstattengehen.

Nicht nur unter den Geschäftsreisenden selbst, sondern auch unter deren Arbeitgebern bestünde laut AHLA eine weitläufig festzustellende Ablehnung hinsichtlich einer Abhaltung von physischen Konferenzen. Ähnliches ließe sich mit Blick auf die aktuelle Präsenz von Unternehmensmitarbeitern in den Büroräumlichkeiten feststellen.

Dass diese Entwicklung und die Nicht-Rückkehr zur alten Normalität insbesondere die Akteure an den gewerblichen Immobilienmärkten in den Vereinigten Staaten unter Druck setzt, wurde in vorherigen Berichten zu diesem Thema bereits hinlänglich angesprochen.

Was die Metropole San Francisco anbetrifft, so gesellt sich erschwerend die Tatsache hinzu, dass die dortige Obdachlosigkeit förmlich explodiert und die Kriminalitätsraten durch die Decke gehen. Diese Entwicklung, welche schon seit geraumer Zeit für Schlagzeilen im ganzen Land sorgt, scheint ebenfalls einen Beitrag zur Verringerung der geplanten Geschäftsreisen nach San Francisco zu leisten.

Auch Präsenzquote in Büroräumen bleibt niedrig

Was die physische Präsenzquote unter amerikanischen Büromitarbeitern anbetrifft, so lässt sich sagen, dass viele Unternehmen und Konzerne zuletzt angekündigt hatten, eine Normalisierung – und somit die Rückkehr der Mitarbeiter in die eigenen Büroräumlichkeiten – noch ein Stück weiter in die Zukunft zu verlagern.

War es mit Beginn des Frühjahrs zu einer sich verstärkenden Rückkehr unter Unternehmens- und Büromitarbeitern an ihre physischen Arbeitsplätze gekommen, so befindet sich die Präsenzquote unter Büromitarbeitern mittlerweile schon im Rückgang, wie neu erhobene Daten der Firma Kastle Systems zeigen.

Danach ist der Durchschnittswert unter den zehn größten Metropolen des Landes zuletzt auf 31 Prozent in Relation zur Büropräsenzlage vor dem Ausbruch der Covid-Krise gesunken, was im Umkehrschluss so viel bedeutet, dass 69 Prozent der Büromitarbeiter ihren physischen Arbeitsplätzen in den Unternehmen nach wie vor fernbleiben.

Die „neue Normalität“ formiert sich

Wolf Richter führt zu diesen Entwicklungen aus, dass es immer schwieriger werden dürfte, zur „alten Normalität“ zurückzukehren, je länger Geschäftsreisen und Büropräsenzquoten durch Videokonferenzen und Heimarbeit substituiert werden.

Denn im Zeitablauf dürfte eine wachsende Anzahl von Menschen den Dreh herausbekommen, wie sich auch aus dem Homeoffice langfristig produktiv arbeiten lässt, wodurch sich auch ganze Lebensgewohnheiten rund um die neuen Arbeitsabläufe und Prozesse ändern werden. Irgendwann werden sich die Geschäftsreiseaktivitäten wahrscheinlich auch wieder ein wenig erholen, während die Büropräsenzquote ebenfalls wieder steigen dürfte.

Dass zwischen den Mitarbeitern und Unternehmen jedoch bereits Gespräche über eine Gestaltung von sogenannten Hybridwochen (punktuelle Präsenz im Büro und die restliche Zeit in Heimarbeit) geführt werden, zeige, dass die Zustände in der „alten Normalität“ – und somit vor dem Ausbruch der Covid-Krise – vielleicht nicht die besten gewesen sein mögen.

Mehr und mehr beginnt sich herauszukristallisieren, wie die „neue Normalität“ aus Sicht von Unternehmen und ihren Mitarbeitern aussehen könnte. Dass damit ganze Geschäftsbereiche in der Zukunft obsolet werden könnten, steht indessen auf einem anderen Blatt.

Es muss sich zeigen, ob die in den hiervon am stärksten betroffenen Wirtschaftsbereichen langfristig wegfallenden Arbeitsplätze und Aktivitäten durch andere Sektoren substituiert oder in möglicherweise neu entstehenden Bereichen wieder aufgebaut werden können.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Wie sich zeigt, durchlebt unsere Gesellschaft eine große Zeit der Transformation, die unter weiten Teilen der Menschen einen Nachdenkprozess angestoßen zu haben scheint. Es steht die Frage im Raum, ob die „alte Normalität“ tatsächlich so erstrebenswert gewesen ist, um in diesen Zustand zurückzukehren oder es wert ist, den Versuch zu unternehmen, sich und die eigenen Lebensweisen neu zu erfinden.

Dies gilt für Unternehmen und Mitarbeiter gleichsam. Welcher Mitarbeiter wird nicht innerlich darüber jubeln, morgens und abends nicht mehr im Stau stehen zu müssen, um zum eigenen Arbeitsplatz und wieder nach Hause zu gelangen?

Welche Mitarbeiter werden sich nicht darüber freuen, eine eigenständigere Zeiteinteilung vornehmen zu können, die eine Arbeit aus dem Homeoffice – nicht nur von zu Hause, sondern von den verschiedensten Orten dieser Erde – ermöglicht?

Welche Mitarbeiter werden sich nicht darüber freuen, durch eine zeitlich sinkende Präsenz im Unternehmensbüro mehr Zeit für die eigenen Kinder und deren Betreuung aufbringen zu können?

Und welche Unternehmen werden sich nicht darüber freuen, Kosten durch einen Abbau von Büroarbeitsplätzen einsparen zu können?

Gewiss durchleben beispielsweise die gewerblichen Immobilienmärkte und deren Vermieter angesichts dieser Transformation extrem harte Zeiten. Doch auch ihnen wird langfristig nichts anderes übrigbleiben, als sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen, indem beispielsweise Büroraumkapazitäten in der Zukunft in Wohnraumangebote verwandelt werden.

Neuerungen sind anfangs nicht selten gewöhnungsbedürftig, doch im Zeitablauf könnte sich herausstellen, dass manche dieser Neuerungen einfach schon lange reif gewesen sein mögen, um in der Zukunft in eine solche Richtung zu steuern.

Dies betrifft auch die allgemeine Mobilität. Wer aus dem Homeoffice arbeitet, spart Wege zur Arbeit. Auf diese Weise lässt sich eine ganze Menge Benzin einsparen, das nicht mehr für ohnehin als lästig empfundene An- und Abfahrten zum Arbeitsplatz konsumiert werden muss. Aus Sicht von Millionen von Mitarbeitern, die sich zurzeit in diesem Transformationsprozess befinden, lassen sich auf diese Weise gewiss gewaltige Einsparungen realisieren.

Es wird spannend bleiben, die weiteren Schritte dieses Transformationsprozesses zu beobachten – und auf welche Weise sich die Gesellschaft als solche hierdurch verändern wird.

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