Zu Wochenbeginn wird an den Bericht vom Freitag letzter Woche angeschlossen. So kommt der Internationale Währungsfonds zu dem Befund, dass von den aktuellen Niveaus aus weiter steigende Zinsen in den Vereinigten Staaten noch bei Weitem größere Bilanzprobleme unter kommerziellen Geschäftsbanken, im Nicht-Bankensektor und im Unternehmenssektor zutage fördern könnten.

Der betreffende Absatz hört sich fast schon wie eine Drohung an, da es den Eindruck erweckt, als ob bis dato nur an der Oberfläche dieser Probleme gekratzt worden sei. Weiter steigende Zinsen würden sowohl im Banken- wie auch im Nicht-Bankensektor des Landes zu einem zusätzlichen Volumen an unrealisierten Verlusten unter langlaufenden Schuldpapieren und Sicherheiten führen.

Zombies rücken in den Blickpunkt

Parallel hierzu drohten die (Re-)Finanzierungskosten sowohl im Unternehmenssektor als auch unter privaten Haushalten in einem solchen Fall nicht mehr kontrollierbar zu bleiben. Bereits zum aktuellen Zeitpunkt hat sich die Anzahl der eingereichten Insolvenzen unter heimischen Unternehmen (im Jahresvergleich) signifikant erhöht.

Eine sich fortsetzende Verschärfung der amerikanischen Geldpolitik würde die allgemeinen Finanzbedingungen voraussichtlich auf eine höchst negative Weise beeinflussen. Denn in diesem Fall müsste mit einer bedeutsamen Zunahme der Insolvenzen, einer Verschlechterung der Kreditqualitäten einschließlich eines wachsenden Finanzstresses unter stark verschuldeten Unternehmen gerechnet werden.

Dies gelte insbesondere aus Sicht von Unternehmen, deren ausstehende Schulden alsbald zu einer Rückzahlung oder Refinanzierung anstehen, wie sich der Internationale Währungsfonds überzeugt zeigt.

Die in diesen Bereichen entstehenden Probleme könnten sich noch verschärfen, falls es zu Dysfunktionalitäten an den amerikanischen Staatsanleihemärkten kommen würde. Auf März 2020 – und somit den Covid- und Lockdown-Crash – zurückblickend, ließ sich beobachten, dass es an Amerikas Staatsanleihemärkten zum damaligen Zeitpunkt über mehrere Tage zu kaum irgendwelchen oder überhaupt keinen Trades mehr gekommen war.

Die Folgen sind absehbar…

Wenn der amerikanische Staatsanleihemarkt bis dahin als der sicherste und liquideste Markt der Welt bezeichnet wurde, so leisteten die damaligen Ereignisse einen Beitrag dazu, diese Sichtweise in Frage zu stellen. Womöglich könnte sich eine solche Situation aufgrund der Gefahr eines Austrocknens der Liquidität an den Finanzmärkten wiederholen.

Der Internationale Währungsfonds gelangt aus diesem Grund zu dem nachvollziehbaren Fazit, dass die Wahrscheinlichkeit von einsetzenden Dysfunktionalitäten in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten umso größer zu werden droht, je länger die Zinsen in den USA auf ihren aktuell hohen Niveaus verharren.

Erwähnt sei an dieser Stelle, dass die jüngsten Zinsanhebungen der Federal Reserve Bank überhaupt erst einmal in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten werden ankommen müssen. Erfahrungsgemäß kann dies zwischen sechs und achtzehn Monaten dauern.

Und so warnt der Internationale Währungsfonds davor, dass sich die jüngst zu beobachtenden Insolvenzen unter kommerziellen Geschäftsbanken in den USA, die über kein internationales Geschäft verfügten, lediglich als Auftakt für weitaus ernsthaftere Systemstabilitätsprobleme erweisen könnten.

Allgemeine Systemstabilität in Gefahr?

Bislang seien die sich aus den jüngsten Bankpleiten ableitenden Effekte auf die Kredit- und Darlehensbedingungen noch einigermaßen überschaubar. Nichtsdestotrotz hätten die jüngsten Pleiten in Amerikas Bankensektor ein Schlaglicht auf potenzielle Systemrisiken geworfen, die selbst mit dem Untergang von international nicht so stark vernetzten Instituten einhergingen.

Zudem haben die Ereignisse in den vergangenen Monaten ein Scheinwerferlicht auf das teils schlechte und stark vernachlässigte Risikomanagement im amerikanischen Bankenbereich geworfen. Auch die Finanzaufsicht habe sich unter Bezugnahme auf den Internationalen Währungsfonds nicht mit Ruhm bekleckert und habe sich als unzureichend erwiesen.

Die Federal Reserve Bank und deren Chef Jerome Powell hatten zuletzt eigens begangene Fehler in diesem Bereich zugegeben. Wie dem auch sei, es stellt sich nach den jüngst zu beobachtenden Bankenzusammenbrüchen in den Vereinigten Staaten unter einer wachsenden Anzahl von Finanzmarktakteuren die Frage, was die durch die Fed in zeitlichen Intervallen durchgeführten Banken-Stresstests tatsächlich wert sind – und wie aussagekräftig diese Tests überhaupt sind.

In diese Kerbe schlägt auch der Internationale Währungsfonds. Um systemische Risiken im Bankensektor beherrschbar zu machen, benötige es neben einer lückenlosen Aufsicht zudem auch den Mut, nach den eigenen Vorgaben zu handeln und potenzielle Missetäter frühzeitig auch als solche auszumachen und zu benennen.

Deutlich sei anstelle dessen geworden, dass systemische Gefahren und Schwachstellen zwar auf eine korrekte Weise diagnostiziert wurden, die Aufsicht jedoch nur unzureichende Schritte und Maßnahmen unternommen habe, um die Dinge auf eine entsprechende Weise zu adressieren.

Kleine und mittelgroße Institute an die Kandare nehmen

Um systemische Risiken fortan auf eine bessere Weise zu adressieren, gibt der Internationale Währungsfonds die Empfehlung ab, dass die aufsichtsrechtlichen Anforderungen im Bereich von kleinen und mittelgroßen Banken in den Vereinigten Staaten an jene unter Großbanken herrschenden Bedingungen angepasst werden sollten.

Es darf hierbei keinesfalls außer Acht gelassen werden, dass es im März nicht nur zu einem Zusammenbruch von einigen wichtigen Regionalbanken in den USA gekommen war, sondern dass sich hieran mit einigen Wochen Verzögerung auch der Kollaps der First Republic Bank, bis dahin die Nummer 14 am amerikanischen Bankenmarkt, anschloss.

Überdies brach in der Schweiz die Credit Suisse Group, die sich bis dahin unter den dreißig Systembanken (TBTF) befand, zusammen. Wäre es nicht zu einer hastigen Änderung der Gesetze in der Eidgenossenschaft kommen, um dem Schweizerischen Rivalen UBS AG eine höchst fragwürdige Übernahme unter Beteiligung der SNB wie auch der Berner Regierung zu ermöglichen, so wäre der weitere Bestand des Weltfinanzsystems in Gefahr gewesen.

Hieran zeigt sich, dass es dieselben Probleme, welche auch schon zu Zeiten der Finanz- und Bankenkrise zwischen den Jahren 2007 und 2010 vorherrschten, sind, die nunmehr erneut zum Vorschein kommen.

Unterschied ist, dass die Verschuldung im System heute noch bei Weitem höher ist als zum damaligen Zeitpunkt, und dass der durch Zentralbanken mit verursachte Moral Hazard an den Finanzmärkten aus heutiger Sicht keinerlei Grenzen mehr zu kennen scheint.

Auch kleine und mittelgroße Banken (der Kategorien III und IV) sollten in den Vereinigten Staaten deshalb zukünftig dem Stresstest-Regime der Federal Reserve Bank unterzogen werden. Darüber hinaus sollten deren Kapital- und Liquiditätsanforderungen mit den Baseler Bestimmungen in Einklang gebracht werden, wie der Internationale Währungsfonds fordert.

Zinsrisiken unter US-Banken müssen auf bessere Weise einschätzbar sein

Darüber hinaus sollte es zur Initiierung eines Prozesses zur Einschätzung der Zinsrisiken unter kommerziellen Geschäftsbanken in den USA kommen. Dies gilt insbesondere für die Bondportfolios der Institute, egal ob es sich hierbei um unmittelbar veräußerbare oder um langfristig gehaltene Anleihen handelt.

Finanzaufsichtsbehörden könnten auf diese Weise frühzeitiger eingreifen, falls sich in diesen Bereichen Klumpenrisiken bildeten. Die mit dem im März durch die Federal Reserve Bank initiierten Bank Term Funding Program (BTFP) in Verbindung stehende Aussetzung von mark-to-market im Hinblick auf die durch Banken gehaltenen Sicherheiten sollte zudem als außergewöhnliche Maßnahme – und somit als eine Ausnahme – betrachtet werden.

Der Internationale Währungsfonds bezieht sich hierbei sowohl auf eine Versorgung mit Liquidität am Discount Window der Fed wie auch auf das für ein Jahr vorgesehene BTFP. Wenn BTFP seinem Ende entgegenblickt, sollte es nicht zu einer Erneuerung oder einer zeitlichen Verlängerung dieser Maßnahmen kommen.

Angemerkt sei, dass die wöchentlichen Berichte der Federal Reserve Bank zu BTFP zeigen, dass kommerzielle Geschäftsbanken in den USA nach wie vor starken Gebrauch von BTFP zur Verbesserung ihrer Liquiditätslage machen.

Wenn der Fremdfinanzierungsgrad zwickt

Ein hoher Grad der Fremdfinanzierung, eine in Relation zu den gehaltenen Laufzeiten der Sicherheiten unzulängliche Liquiditätslage sowie eine starke Verzahnung zwischen Banken und Unternehmen im Nicht-Bankensektor riefen laut IWF zusätzliche Risiken hervor.

Parallel hierzu haben sich die Ströme unter Konteninhabern der Geschäftsbanken in Richtung von Geldmarktfonds über die vergangenen Wochen beschleunigt. Regionalbanken stehen in diesem Zusammenhang im Zentrum der aktuellen Beobachtungen.

Hieraus leite sich die Gefahr ab, dass Banken in den USA ihre untereinander betriebenen Geschäfte zurückfahren. Zusätzliche Probleme könnten sich hieraus nicht nur in Bezug auf die allgemeine Liquiditätslage, sondern auch die Funktionstüchtigkeit des Bankensystems per se ableiten.

Die hiermit verbundenen Konsequenzen seien unabsehbar, wie der IWF warnt. Bereits die zahlreichen Zusammenbrüche im Krypto-Sektor hätten auf die dringende Notwendigkeit einer verbesserten Aufsicht über diesen Bereich hingewiesen. In diesem Zusammenhang spiele ein zu verbessernder Verbraucherschutz eine tragende Rolle.

Abschließend ging der Internationale Währungsfonds in seinem Bericht dann auch noch auf die gewerblichen Immobilienmärkte in den USA ein. An diesem Markt seien es insbesondere Zwischenhändler im Nichtbanken-Sektor, denen, wie beispielsweise REITs oder Emittenten von mit gewerblichen Hypotheken besicherten Anleihen (CMBS-Papiere), eine sehr wichtige Rolle in diesem Marktsegment zukomme.

Der Grad der Fremdfinanzierung an den amerikanischen Gewerbeimmobilienmärkten sei extrem hoch. Die Refinanzierungen fallen in diesem Bereich zeitlich frühzeitiger an als an den privaten Wohnungs- und Häusermärkten.

Nicht nur der Ausblick auf eine unmittelbar bevorstehende Welle der Refinanzierungen, sondern auch eine sich zuletzt in hoher Geschwindigkeit verändernde Nachfrage in diesem Segment werden dazu beitragen, dass die gewerblichen Immobilienmärkte angesichts der bilanziellen Probleme unter vielen Regionalbanken unter Druck geraten werden.

Die sich hieraus ableitenden Probleme drohten wiederum auf Akteure im Nicht-Bankensektor überzuspringen. Aufsichtsbehörden fordert der Internationale Währungsfonds deshalb dazu auf, die aktuell vorherrschende Situation in diesem Bereich verstärkt zu analysieren und die weiteren Entwicklungen aufmerksam zu beobachten.

Ferner gelangt der Internationale Währungsfonds zu dem Fazit, dass die festverzinslichen Markt- und Anlagesegmente in den USA in den vergangenen Jahren über einen zu geringen Grad an Robustheit und Widerstandsfähigkeit verfügten, was insbesondere dann der Fall war, wenn diese Segmente unter Druck oder in einen Stresszustand geraten seien.

Um diese Probleme zu adressieren, habe die Federal Reserve Bank eine ständige Repo-Fazilität geschaffen, mittels welcher die allgemeine Liquiditätslage verbessert und plötzliche Anstiege im Bereich der kurzfristigen Zinsen verhindert werden soll(en).

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt Bezug auf einen Bericht des Internationalen Währungsfonds.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Die Situation an den Anleihe- und Schuldenmärkten bleibt aufmerksam zu beobachten. Einmal mehr sei erwähnt, dass es dieses Marktsegment – und nicht der Aktienmarkt – ist, das sich neben den Derivatemärkten als Elefant im Raum erweist.

Gelingt es Zentralbanken irgendwann nicht mehr, die Zinsen in diesem Segment so weit wie möglich unter Kontrolle zu halten, droht ein Einbruch an den Schuldenmärkten, der auch alles andere mit abräumen würde.

Interessant ist, dass der Internationale Währungsfonds um die mit hohen Zinsen verbundenen Gefahren und Risiken weiß und auf die Folgen aufmerksam macht, um der Federal Reserve Bank trotzdem anzuraten, den eigenen Leitzins womöglich noch stärker anzuheben.

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