Druck erhöht sich: Banken könnte ihre Modellrechnung um die Ohren fliegen

Europas Bankenaufsichtsbehörden erhöhen schlussendlich den Druck auf marode Banken, die dazu aufgefordert werden, ihre Bilanzbücher zu bereinigen. Warum das erst jetzt geschieht, ist mehr als rätselhaft. Unter Umständen mag die jahrelange Verzögerung mit der europäischen Bankenregulierung in Zusammenhang stehen, aus der sich eine Reihe von unbeabsichtigten Konsequenzen ergeben könnte.

Wenn eine Bank, die einen hohen Anteil an faulen Krediten in ihren Büchern hält, plötzlich dazu gezwungen wird offenzulegen, wie hoch dieser Anteil an faulen Darlehen in den eigenen Büchern tatsächlich ist, könnte sich nur kurze Zeit später herausstellen, dass sich das Kapital dieser Bank in Luft aufgelöst hat.

Dies gilt insbesondere im Hinblick auf gezahlte und marktübliche Preise, die den realen Wert der in den Büchern der jeweiligen Bank gehaltenen „Vermögenswerte“ reflektiert. Bislang war es den Instituten gestattet, diese Preise oftmals auf Basis von eigenen Modellrechnungen auszuweisen.

Banco Popular griff nach jedem Strohhalm - um am Ende doch unterzugehen

Ein gutes Beispiel hierfür ist die spanische Banco Popular. Das mit Ansage im Juni letzten Jahres untergangene Institut versuchte sich noch so fadenscheiniger Argumente zu bedienen, um die eigene (In)solvenzlage zu verschleiern – genutzt hatte es am Ende nichts.

Egal, wie kreativ die Rettungspläne des Managements auch waren, so fand die Banco Popular einfach keinen gangbaren Weg, um sich der erdrückenden Anzahl von faulen Krediten in den eigenen Büchern zu entledigen, ohne den Fortbestand der Bank zu gefährden. Dazu gehörte auch der Versuch, eine hauseigene Bad Bank namens „Sunrise“ ins Leben zu rufen.

Auch Spaniens fünftgrößtes Institut Banco Sabadell nach Übernahmespektakel in Nöten

Ähnliche Beobachtungen lassen sich zurzeit bei Spaniens fünftgrößtem Institut Banco Sabadell machen. Seit der globalen Finanzkrise handelt es sich um jene Bank Spaniens, die in den letzten Jahren mit am stärksten gewachsen ist.

So kletterten die durch Sabadell gehaltenen Vermögenswerte von knapp 79 Milliarden Euro im Jahr 2008 auf 173 Milliarden Euro im Jahr 2017. Aus diesen Zahlen resultiert mehr als eine Verdopplung des Bilanzbuchs. Wie zu vermuten, handelt es sich weit weniger um ein organisches Wachstum, als vielmehr eine Reihe von Übernahmen, die zu diesem Ergebnis beitrugen.

Auch Sabadell blickt nun ähnlichen Problemen wie Banco Popular entgegen, da es dem Institut immer schwerer fällt, sich von der massiv hohen Anzahl an toxischen Krediten und anderen nicht performenden Vermögenswerten zu trennen. Den größten Beitrag dürfte hierzu die Übernahme der ehedem bankrotten Sparkasse CAM  im Jahr 2012 geliefert haben.

Ein Fass ohne Boden: Einlagensicherungsfonds muss Verluste in Höhe von 80% aus der Übernahme der Sparkasse CAM stemmen

Wie im aktuellen Polit- und Wirtschaftsumfeld kaum anders zu erwarten, greift die spanische Regierung Sabadell – ungleich Banco Popular – allerdings finanziell massiv unter die Arme. Teil der Vereinbarung zur Übernahme CAMs war, dass Spaniens Einlagensicherungsfonds für 80 Prozent aller Verluste aufkommen würde, die sich aus CAMs 25-Milliarden-Euro-Portfolio aus faulen Immobilienkrediten ableiteten.

Schon kurz bevor CAM unter dem Dach von Sabadell Schutz fand, injizierte der spanische Einlagensicherungsfonds einen Betrag von 5,2 Milliarden Euro in CAM. Selbstverständlich handelte es sich hierbei vollumfänglich um öffentliche Gelder. Gleichzeitig bestand zu diesem Zeitpunkt die Hoffnung, dass die gebildeten Kreditausfallrückstellungen CAMs in Höhe von knapp 4 Milliarden Euro die restlich entstandenen Verluste abdecken würden.

Doch dazu kam es nicht einmal ansatzweise. Leider haben wir uns an derartige Meldungen schon seit langer Zeit gewöhnt. Dass die hierfür in Verantwortung stehenden Personen in Regierung und Banken zur Rechenschaft für ihr Handeln gezogen werden, gehört auch zehn Jahre nach Ausbruch der globalen Finanzkrise lediglich dem Reich der Wünsche an.

Nur ein Jahr später ersuchte Banco Sabadell den spanischen Einlagensicherungsfonds um eine Injektion von weiteren 825 Millionen Euro, um 80 Prozent der sich aus CAMs Portfolio ableitenden Verluste für dieses Jahr abzudecken. In 2016 kletterte der Gesamtjahresverlust CAMs dann weiter auf knapp 1 Milliarde Euro.

Anfang 2018 präsentierte Sabadell die nächste Rechnung für entstandene Verluste, die sich im Gesamtjahr 2017 auf 1,3 Milliarden Euro belief. Es fällt nicht schwer, sich auszumalen, wie der Trend in den kommenden Jahren verlaufen wird.

Was vielleicht wie eine Überraschung anmuten mag, ist die Tatsache, dass all diese Dinge just zu einem Zeitpunkt geschehen, zu dem sich die spanischen Immobilienmärkte in einer Erholungsphase befinden. Immerhin steigen die Immobilienpreise seit einiger Zeit wieder, was sich jedoch auch gleichzeitig für die sich aus dem CAM-Portfolio ableitenden Jahresverluste beobachten lässt.

Laut im Jahr 2017 publizierten Schätzungen des spanischen Einlagensicherungsfonds werden sich die prognostizierten Gesamtverluste auf bis zu 7,5 Milliarden Euro belaufen. Auf den spanischen Einlagensicherungsfonds würde die Übernahme von rund 6 Milliarden Euro dieser Verluste entfallen. Nicht zu vergessen: In den vergangenen fünf Jahren fielen bereits Verluste in Höhe von 8 Milliarden Euro an. Weitere 7,5 Milliarden Euro kämen also noch oben drauf!

Allein knapp eine halbe Milliarde Verlust aufgrund von höchst suspekten Projekten

Skandalös ist, dass ein Teil der abgesicherten „Vermögenswerte“ und faulen Kredite CAMs aus Immobilienentwicklungsprojekten resultieren, die sich in ihrer Natur als höchst suspekt, wenn nicht gar als betrügerisch bezeichnen lassen. Für all das hat der Steuerzahler in Spanien nun auch noch Jahre nach der Krise aufzukommen.

Unter Bezugnahme auf einen Prüfbericht der spanischen Zentralbank wurden große Flächen an Land in Katalonien, Valencia, Murcia and Andalusien zu extrem inflationierten Preisen verkauft.

So zeigen publizierte Daten CAMs, dass sich aus ursprünglichen Investitionen in Höhe von 595 Millionen Euro im Fall von mehr als zehn durch CAM finanzierten Immobilienprojekten Verluste in Höhe von 470 Millionen Euro ableiteten. Daraus resultiert ein Minus von 78%, das sich größtenteils nicht mehr ausgleichen oder minimieren lässt.

Gerichte zu langsam – Ergebnis: der Steuerzahler zahlt

Als es zum Gerichtsprozess kam, urteilte die Vorsitzende Richterin Carmen Lamela, dass die Strafverfolgungsfrist für derartige Delikte unglücklicherweise zeitlich bereits überschritten worden und somit verjährt sei. So ist es in vielen Fällen in Spanien geschehen, wenn sich die Dinge um ausufernde Wirtschaftskriminalität drehten. In viel zu vielen Fällen.

Also geschah, was geschehen musste. Die Angeklagten wurden frei gesprochen. Nicht aus dem Grund, weil das Gericht sie für unschuldig befunden hätte, sondern einzig und allein aufgrund der Tatsache, da die spanische Justiz wieder einmal zu langsam gewesen ist, um diesen kriminellen Aktivitäten frühzeitig auf den Grund zu gehen.

Bitterer Nebeneffekt an der ganzen Sache ist, dass der Großteil der faulen Kredite CAMs nun durch den spanischen Einlagensicherungsfonds aufgefangen werden müssen. Wie weiter oben ausgeführt, werden sich diese Verluste insgesamt auf bis zu 15,5 Milliarden Euro belaufen.

Verluste von insgesamt bis zu 15,5 Milliarden Euro – Einlagensicherungsfonds verfügt angeblich nur über ein Zehntel der Summe – doch schlimmer geht immer

Dabei ist nicht einmal klar und ausgemacht, über welche finanziellen Mittel der spanische Einlagensicherungsfonds überhaupt noch verfügt. Unter Bezugnahme auf die Tageszeitung El Mundo verfügte der Fonds Ende 2016 über flüssige Mittel von gerade einmal 1,6 Milliarden Euro.

Dabei sahen Prognosen vor, dass der spanische Einlagensicherungsfonds im Jahr 2024 über Rücklagen von rund 6,5 Milliarden Euro verfügen sollte. Sollte, wohlgemerkt. Es könnte aber auch noch schlimmer kommen. Denn der Einlagensicherungsfonds sah sich im Jahr 2016 dazu gezwungen, ebenfalls Garantien in Höhe von 2,25 Milliarden Euro für Banco Sabadells toxische Immobilienkredite zu übernehmen.

Spaniens zweitgrößtes Institut BBVA könnte der nächste Kandidat werden – doch wie tief sind die Taschen des Sicherungsfonds?

In der Zwischenzeit unternimmt Spaniens zweitgrößtes Institut BBVA den Versuch, seine eigenen durch den spanischen Einlagensicherungsfonds garantierten faulen Darlehen zu verkaufen, die aus der einstigen Übernahme der bankrotten katalanischen Sparkasse Unnim im Jahr 2012 herrühren.

Im schlimmsten Fall wird der spanische Einlagensicherungsfonds also noch weitaus stärker zur Kasse gebeten. Der Begriff einer „Ausschlachtung“ würde die Entwicklungen wohl den Nagel auf den Kopf treffen.  Was wird geschehen, wenn dem Einlagensicherungsfonds, der spanische Bankkonteneinlagen gegen Bankenzusammenbrüche absichern soll, selbst die finanziellen Mittel ausgehen sollten?

Spaniens Banken noch immer vollauf mit sich selbst beschäftigt – was schließt sich daraus für Italien?

Die Antwort auf diese berechtigte Frage liegt klar und deutlich auf der Hand. Gewiss würde die Madrider Zentralregierung intervenieren, indem weitere Steuermittel in den spanischen Einlagensicherungsfonds injiziert würden. Eine solche Maßnahme dürfte durch kreative Buchhaltungstricks begleitet werden, um den Versuch zu unternehmen, diese Entwicklungen so weit wie möglich zu verschleiern.

Gleichzeitig üben die Institutionen der EU mittlerweile gehörig Druck aus, damit die Banken der Eurozone eine diametral entgegengesetzte Gangart einschlagen. Möglich wird all dies überhaupt erst, weil die Europäische Zentralbank Zombiebanken in der Eurozone die Option einräumt, toxische Kredite an die EZB abzuladen.

Dass diese Maßnahmen mit enorm hohen Risiken verbunden sind, liegt auf der Hand. Die entstehenden Verluste könnten sich als immens erweisen, was die betreffenden Banken zur Aufnahme von neuem Kapital – bei gleichzeitig stark gesunkenen Marktbewertungen – zwingen würde.

Und nun stellt sich die Kardinalfrage: Wie vielen Banken in Spanien geht es ähnlich schlecht wie Banco Popular und Banco Sabadell?!

Wenn Spaniens Banken selbst zehn Jahre nach Ausbruch der Finanz-, Immobilien- und Bankenkrise noch immer komplett mit sich selbst und denselben Problemen wie damals beschäftigt sind, dann stellen Sie sich nur einmal vor, was erst in Italien los sein muss, auf dessen Banken rund ein Drittel aller faulen Kredite in der Eurozone entfällt?!

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