Angesichts der aktuellen Ereignisse im Nahen und Mittleren Osten werden Erinnerungen an die letzte große Ölkrise vor fünfzig Jahren wach. Damals hatte der sogenannte Yom Kippur Krieg zur Verhängung eines Ölembargos durch einzelne arabische Nationen gegen die USA geführt.

Um auf die potenzielle Wiederholung einer solchen Entwicklung besser vorbereitet zu sein, hatten die Vereinigten Staaten seit dem damaligen Zeitpunkt mittels eines Aufbaus von staatlichen Rohölreserven reagiert.

Um die heimische Inflation mittels einer Senkung der Energie- und Tankstellenpreise wieder in den Griff zu bekommen, bediente sich die Biden-Administration seit dem vergangenen Jahr einer Freigabe von Teilen der Strategischen Rohölreserven (SPR) des Landes.

Die Kritik wächst

Wie in vorherigen Berichten zu diesem Thema ausgeführt, wird die Kritik unter Experten, Leitartiklern und Kommentatoren in den USA an diesem Vorgehen inzwischen immer lauter. Mancherorts wird dem Weißen Haus gar eine Bedrohung der nationalen Sicherheitslage zum Vorwurf gemacht.

Denn seit der Bekanntgabe einer Freigabe von strategischen Petroleumreserven durch die Biden-Administration sind die staatlichen Rohölreserven um gut 45 Prozent gesunken. Und damit haben diese Reserven mittlerweile das niedrigste Niveau seit Beginn der 1980er Jahre erreicht.

Es fällt nicht schwer sich vorzustellen, dass die globale Versorgung mit Erdöl und damit die Preise – zusätzlich zu einer ohnehin schon angespannten Angebotslage – im Fall eines sich ausweitenden Krieges in der Nah- und Mittelostregion erneut Bocksprünge machen würden.

Auch die globalen Rohstoff- und Transportlieferketten dürften einmal mehr in den Fokus der Betrachtungen rücken, falls der Iran in die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der Hamas und Israel mit hineingezogen würde.

Keine Aussicht auf Entspannung der Lage

Die aktuell in der Region zu vernehmende Rhetorik, egal ob von Seiten der israelischen Regierung, der Teheraner Staatsführung, der libanesischen Hisbollah oder einer Reihe von muslimischen Splitterorganisationen wie der palästinensischen Hamas, ist alles andere als dazu angetan, um zurzeit von einer baldigen Entspannung der Situation vor Ort auszugehen.

Selbstverständlich nutzen allen voran die Republikaner im Washingtoner Kongress die weiter sinkenden Rohölreserven der USA, um Joe Biden und das Weiße Haus gut ein Jahr vor den nächsten Präsidentschaftswahlen frontal zu attackieren.

Selbst Kevin McCarthy, der dem gemäßigten Lager der Republikaner zuzuordnende Ex-Sprecher des Repräsentantenhauses, hatte gegenüber Journalisten kürzlich offen kritisiert, dass die Strategische Petroleumreserve der Amerikaner auf höchst bedenklichen Niveaus angekommen sei.

Wie dem auch sei, noch befinden sich in den in der Region des Golfs von Texas ehedem eingerichteten Öllagern gut 351 Millionen Reservefässer Rohöl. Diese Reserven entsprechen einem Anteil von gut 55 Tagen des über das letzte Jahr durch die USA importierten Erdöls. Es folgt ein Blick auf die Strategischen Petroleumreserven zum Stichtag des 13. Oktober.

Wer in der Zeithistorie ein wenig längerfristig zurückblickt, nimmt wahr, dass die SPR in der Regierungszeit von Präsident Barack Obama ihr einstiges Hoch bei knapp 730 Millionen Fass Rohöl ausbildete.

Biden-Administration weist Kritik von sich

Die enorme SPR-Reduktion scheint innerhalb der Biden-Administration indes niemanden so richtig zu stören. Im Gegenteil wies Energieministerin Jennifer Granholm im September darauf hin, dass die verbleibenden Rohölreserven des Landes ausreichten, um nach wie vor gegen externe Schocks gewappnet zu sein.

Erwähnt sei, dass die Vorzeichen im Vergleich mit der damaligen Zeit heute ein wenig anders sind. Damals befanden sich die Vereinigten Staaten unter den weltweit größten Importeuren von Erdöl bei einer tendenziell stark wachsenden Nachfrage in der Heimat.

Zum aktuellen Zeitpunkt erweisen sich die USA trotz der deutlich rückläufigen Investitionen als größter Erdölproduzent der Welt. Momentan übersteigen die jährlichen Rohölexporte die Rohöleinfuhren des Landes.

Analysten an den Rohstoff- und Erdölmärkten gehen indes nicht davon aus, dass selbst randvolle Ölreservetanks die USA vor externen Schocks und weitläufigen Preisfluktuationen an den internationalen Rohölmärkten schützen würden.

Allerdings würde eine höhere Strategische Petroleumreserve der Washingtoner Regierung einen bei Weitem größeren Spielraum hinsichtlich einer potenziellen Ausweitung der Finanz- und Wirtschaftssanktionen gegenüber dem Iran ermöglichen.

Abhängigkeit der USA von den Golfmonarchien wird offensichtlich

Es würde sich wahrscheinlich schon als ausreichend erweisen, falls die schiitische Achse im Nahen und Mittleren Osten sich zu einem erneuten Embargo gegen die USA und den Westen entschließen sollte.

Hinzu gesellt sich der Ausblick auf eine mögliche Sperrung der Straße von Hormus durch den Iran. Eine eklatante Abhängigkeit der USA von erdölfördernden Nationen wie Saudi-Arabien würde unter einem solchen Extremszenario offen zutage treten.

Es ist angesichts der zwischen Washington und Riad vorherrschenden Spannungen noch nicht einmal eine ausgemachte Sache, ob die saudische Führung mittels Produktionserhöhungen zur Hilfe eilen würde.

Die letzten beiden Jahre, samt des inzwischen offiziell verkündeten BRICS-Beitrittes, haben gezeigt, dass sich Saudi-Arabien in seiner Außenpolitik in dieser Zeit immer ein Stück mehr den Interessen von Russland und China geöffnet hat.

Hieran scheint selbst die traditionelle Rivalität sowie politische und religiöse Feindschaft der wahhabitischen Saudis gegenüber dem schiitischen Iran nichts zu ändern. Im Gegenteil hat wohl allen voran die Volksrepublik China ein großes Interesse daran, die beiden Kontrahenten im Mittleren Osten angesichts eines verhandlungspolitischen Drahtseilaktes wieder näher zusammen zu bringen.

Die jüngst erfolgte Wiederaufnahme Syriens in den Kreis der Arabischen Liga lässt darauf schließen, dass diese Annäherungsversuche zumindest für den Moment von Erfolg gekrönt zu sein scheinen.

Organisation OPEC+ lässt das Weiße Haus nun schon seit geraumer Zeit auflaufen

Wenn die Biden-Administration die Mitglieder der Organisation OPEC+ nun schon seit dem vergangenen Jahr öffentlich darum ersucht, die eigene Erdölförderung deutlich auszuweiten, so sind all diese Bitten bis zum heutigen Tag abschlägig beschieden worden.

Im Gegenteil hat die saudische Führung nach jeweils zuvor erfolgter Absprache mit der Moskauer Kreml-Regierung die Förderquoten weiter gesenkt, was unter Teilen der amerikanischen Öffentlichkeit mittlerweile als offener Affront gegen das eigene Land betrachtet wird.

Fairerweise bleibt zu erwähnen, dass die Freigabe von Strategischen Petroleumreserven unter einer Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung gegen Ende letzten Jahres auf fruchtbaren Boden fiel.

Aus einer am 26. Oktober 2022 damals veröffentlichten Umfrage von Morning Consult ging hervor, dass fast drei von fünf amerikanischen Wählern die SPR-Freigaben für ein adäquates Mittel hielten, um die Tankstellenpreise in der Heimat zu senken.

Einmal mehr zeigte sich anhand der Umfrageergebnisse, dass den Leuten das Hemd näher als deren Hose zu sein scheint. Nichtsdestotrotz verspüren die Kritiker dieser Maßnahme einen zunehmenden Rückenwind im Land.

Angedachte Wiederauffüllung der Strategischen Petroleumreserven läuft ins Leere

Denn die Biden-Administration und das Weiße Haus hatten Ende vergangenen Jahres darauf hingewiesen, die SPR wieder auffüllen zu wollen. Ob es dabei eine gute Idee gewesen sein mag, eine Preisspanne von 67 bis 72 US-Dollar bekannt zu geben, innerhalb welcher die SPR durch Käufe der Regierung wieder aufgefüllt werden sollte, steht auf einem anderen Blatt.

Da die Erdölpreise sich während des größten Teils ihrer Korrekturphase oberhalb dieser genannten Preisspanne bewegten, kam es seit dieser Bekanntgabe folgerichtig auch nicht zu einer Wiederauffüllung von der SPR.

Vor Kurzem hatte die Biden-Administration die zuvor genannte Preisspanne an die aktuellen Gegebenheiten an den Erdölmärkten angepasst. So hieß es, dass strategische Käufe durch die Washingtoner Regierung bei einem Erreichen von 79 US-Dollar pro Fass erfolgen sollen.

Erneut befindet sich dieser Richtwert jedoch ziemlich weit entfernt von dem aktuell für ein Fass WTI bezahlten Preis in Höhe von 87,50 US-Dollar. Eine potenzielle Ausweitung des Krieges im Nahen und Mittleren Osten birgt die Gefahr in sich, dass die Erdölpreise weiter klettern werden.

Technisch betrachtet ist das Erreichen der Marke von 100 US-Dollar schon seit einiger Zeit wieder in den Fokus der Händler an den Erdölmärkten gerückt. Eine sich verkomplizierende Lage im Nahen und Mittleren Osten könnte dazu beitragen, die Erdölpreise vielleicht schon bald wieder über diese Marke zu befördern.

Bislang haben die Erdölpreise auf die wachsenden Risiken und Gefahren in der Region noch recht gemäßigt reagiert. Diese Situation droht sich jedoch spätestens im Fall einer israelischen Bodenoffensive im Gaza-Streifen auf den Kopf zu stellen.

Israelischer Politiker droht / warnt Russland

Nicht nur einzelne islamistische Splittergruppen und Milizen, sondern auch die libanesische Hisbollah samt der iranischen Führung hatten in einem solchen Fall mit der Eröffnung einer zweiten Front an der israelischen Nordgrenze zum Libanon gewarnt.

Seitens der israelischen Regierung hieß es darauf, dass die Teheraner Führung mit einer direkten Verwicklung in diesen Konflikt zu rechnen habe, heißt also, dass israelische Luftschläge gegen den Iran in den Bereich des Möglichen rücken würden.

Indes beginnen sich der Ton und der Umgang seitens offiziellen israelischen Vertretern gegenüber der Russischen Föderation – erwartungsgemäß (HIER) und (HIER) – auf deutliche Weise zu verschlechtern.

Einmal ganz abgesehen davon, dass der sich zwischen Israel und der Hamas entwickelnde Krieg auch einen Öl- und Erdgashintergrund haben könnte (mehr hierzu in einem meiner nächsten Berichte).

Wie dem auch sei, so geschah kürzlich etwas, was man nicht alle Tage auf einem Staatssender zu sehen bekommt. In einem Interview gegenüber dem russischen Staatssender RT warnte der israelische Politiker Amir Weitmann seinen gesprächsführenden Interviewpartner samt der Moskauer Kreml-Regierung in einem höchst aggressiven Ton wie folgt:

Wir werden diesen Krieg beenden, und wir werden diesen Krieg gewinnen, weil wir stärker sind. Und danach wird Russland den Preis bezahlen. Glauben Sie mir, Russland wird den Preis bezahlen. Russland unterstützt die Feinde Israels. Russland unterstützt Nazis, die an unserem Volk einen Genozid verüben wollen. Wir werden diesen Krieg gewinnen. Unddanach werden wir nicht vergessen, was Ihr (Anm.: Russland) getan habt. Wir werden zurück kommen, um sicher zu stellen, dass die Ukraine den Krieg gewinnt. Wir werden sicherstellen, dass Russland den Preis dafür bezahlt, was es getan hat.“

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt unter anderem Bezug auf einen Bericht auf der Seite Independent Journal Review.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Dass die Emotionen inzwischen mit den in den Nahost-Konflikt beteiligten Akteuren durch zu gehen scheinen, erweckt wenig Hoffnung auf eine Beruhigung, geschweige denn Besserung der Lage in der Region.

Nicht zu vergessen bleibt: Kriege werden gemacht. Sie fallen nicht zufällig vom Himmel. Einmal mehr steht die Frage im Raum, wer davon – und warum – am meisten profitiert. Es sieht zudem nicht danach aus, als ob die Menschen in ihrer Gesamtheit viel aus ihrer jüngeren Geschichte – und dem damit verbundenen Leid – gelernt haben würden.

Diese Beobachtung ist mit Blick auf alle aktuellen Ereignisse die wahrscheinlich traurigste.

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