Haben Sie schon gehört, vor Kurzem soll der regenreichste 20. Mai in Straubing-West seit elf Jahren gewesen sein. Gleichzeitig war es in einer Nebenstraße von Nottuln so windig, wie es in den letzten beiden Jahren in den vier Wochen nach Ostern nicht gewesen ist. Abgesehen davon ist der Pegel des Wolpertinger Badesees auf nur noch 79 % des Mittelwertes zwischen 1980 und 1987 gefallen.

Mit derlei Skurrilitäten wird der Eindruck vermittelt, die Menschheit werde derzeit heimgesucht von Plagen und Problemen, denen selbst die fidelen Römer unter Augustus nicht hätten trotzen können. Die Frequenz der Berichterstattung und die Niedrigschwelligkeit der Nutzung der Begriffe „extrem“ und „stark“ bei jeder lokalen Windbö und jedem Landregen nimmt unterdessen dermaßen krankhafte Züge an, dass es schon wieder unterhaltsam ist.

Mittlerweile soll es sogar in Ostasien manchmal heiß sein. Für die dortigen Durchschnittstemperaturen allerdings hätten die Wettertafeln der öffentlichen Sendeanstalten gar keine passenden Farben mehr. Bekanntermaßen färbt sich bereits bei frischen 14 Grad im Mai die Wetterkarte des faktentreuesten Rundfunks der Galaxis rötlich ein. Begleitet wird die medial befeuerte Hysterie von sich laufend anpassenden Untergangsberechnungen, von denen zahlreiche ihre Fälligkeit bereits weit überschritten haben.

 

Schon das Ausmaß der üblichen saisonalen Schwankungen des Wetters oder anderer natürlicher Phänomene lassen alle im Untergang mündenden Prophezeiungen in einem albernen Licht erscheinen. Manche Hauptdarsteller des Theaters „Endzeit“ wirken so, als würden sie bei Ebbe im Watt stehen und rufen „Seht, was Ihr angerichtet habt. Das Wasser ist schon weg!“. So kommt man offenbar mit Leichtigkeit bei konstant 100 % Selbstsicherheit mit den Jahren schmerzfrei von der Eiszeitprognose zum Gegenteil, der „Erwärmung“, um dann etwas später der Einfachheit halber beim „Wandel“ zu landen.

Da die schwankungsfreudige Normalität nicht zum aktuellen Narrativ passt, greift man bei der Suche nach Extremen in die Trickkiste. Zum einen erklärt man jede Abweichung von einem langjährigen Mittelwert zur Katastrophe. Man tut dabei gerade so, als wäre der Mittelwert nicht ein statistisches Konstrukt, sondern ein exakter Wert, der sich jedes Jahr zu einem bestimmten Zeitpunkt einstellen muss. Ist das nicht der Fall, ist die Erde wohl kaputt.

Jeder, der eine Münze, einen Zettel und einen Stift besitzt, kann binnen fünf Minuten herausfinden, wie irrsinnig diese Annahme ist. Für den öffentlichen Rundfunk und seine in der Akademia unbekannten „Top-Wissenschaftler“, die sich interessanterweise statt für die Forschung für einen bezahlten Job beim Fernsehen entschieden haben, sowie bei der Besetzung wichtiger Ämter und Professorenstellen ist dieses Wissen jedoch offenbar entbehrlich.

Durch eine immer kleinteiliger werdende Beobachtung von Entwicklungen auf lokaler Ebene und einen recht lässigen Umgang mit der Wahl der Vergleichszeiträume lassen sich immer irgendwo vermeintlich extreme Werte konstruieren. Irgendein Ort, in dem es stärker regnet als in den letzten fünf Jahren findet sich immer. Auch findet sich stets ein Landkreis, in dem es im Vergleich zu einem passend gewählten Zeitraum besonders trocken oder besonders windig war.

Selbst in einem steigenden Aktienmarkt finden sich stets auch solche Aktien, deren Kurse einbrechen. Je größer die Menge der beobachteten Aktien, desto mehr Ausreißer finden sich. Das bedeutet nicht, dass es keine Extremwerte gibt. Es heißt lediglich, dass die vermeintliche Häufung eher der oben geschilderten Vorgehensweise geschuldet ist.  

Wir wollen das vereinfacht anhand zweier Grafiken darstellen. Nehmen wir an, jeden Tag wird eine bestimmte Anzahl normalverteilter Messwerte festgehalten. Betrachtet wird dann die Abweichung dieser Werte von ihrem Erwartungswert. Die folgende Grafik zeigt die Verteilung dieser Abweichungen über 365 Tage.

Eine Abweichung von zwei oder drei Standardabweichungen ist nicht extrem. Da aber in den Medien oft über deutlich weniger starke Abweichungen mit lauter Stimme berichtet wird, haben wir die Werte für drei Standardabweichungen rot markiert.

Bei einer Beobachtung pro Tag sieht das Bild doch sehr trostlos aus. Nur ein einziger Wert, der mehr als drei Standardabweichungen von seinem Erwartungswert abweicht. So wird das nichts mit der Panik.

Eine einfache Lösung bietet die Vervielfachung der Messungen, egal wie sinnlos sie sein mögen. Die folgende Grafik zeigt, wie viele schöne „Extremwerte“ sich finden, wenn man beispielsweise nicht nur über Temperaturschwankungen in Düsseldorf berichtet, sondern sich die einzelnen Stadtteile anschaut. Man kann sich die Nachrichten dazu schnell selbst basteln: „Bilker Hitzebombe -  So heiß war es seit sieben Jahren nicht!“, „Die Sintflut von Ratingen. Tief Noah bringt extremen Starkregen.“ oder auch „Dürrehorror: Kleingarten verbrennt in der Klimahölle!“

Die Vermehrung der gemessenen Werte führt verlässlich zu einer Zunahme der Extremwerte. Die Darstellungen sind vereinfacht, was jedoch am Kern der Problematik nichts ändert.

Ohne den Hinweis darauf, wie viele Werte auf welche Art und Weise gemessen wurden und wie hoch der Anteil der extremen Werte bezogen auf die Grundgesamtheit ist, stellt jegliches Geschrei eher den Ruf nach Aufmerksamkeit als nach Aufklärung dar.

Schlussendlich bliebe noch die Frage zu klären, warum besonders prominente Kassandrarufer immer noch an ihren vermeintlich dem Untergang geweihten Immobilien auf Sylt oder auf mancher Südseeinsel festhalten. Wer sein Haus noch rechtzeitig verschenken möchte, kann sich diesbezüglich gerne an die Cashkurs-Redaktion wenden. Viel zahlen können wir natürlich nicht, denn das Ende ist bekanntlich nahe und die Villen stehen sozusagen bereits mit einem Ziegelstein im Meer. Also geben Sie sich einen Ruck und verschenken Sie den Klotz am Bein. Gerne auch ohne Wärmepumpe.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Das Geschrei um immer mehr Werte mit immer weniger Aussagekraft hat einen Geräuschpegel erreicht, der etwaigen Problemen in keiner Weise angemessen ist. Den damit propagierten Szenarien sollte man mit Nüchternheit begegnen. Selbst der irrste Veitstanz findet irgendwann sein Ende.

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