Die Gesichtszüge vieler der angereisten Journalisten wirken erstarrt, als Wagenknecht mit scharfen Attacken gegen die Ampel-Regierung ausholt.

Verbitterte Journalisten

Verbittert hauen die Vertreter der schreibenden Zunft in die Tasten, während die TV-Journalisten sich für die regelmäßigen Live-Schaltungen aus dem Saal in die Studios möglichst kritische Töne ausdenken. Beim ersten Parteitag des „Bündnis Sahra Wagenknecht“ nannte die Gründerin die Ampel erneut "die dümmste Regierung Europas" und warf ihr vor, das Land in die Krise und schlimmstenfalls in einen Krieg zu führen. "Unser Land, es braucht unbedingt einen politischen Neubeginn", sagte die 54-jährige frühere Linken-Politikerin in Berlin.

Quelle: Privat

 

Wagenknecht hat neben ihrem Ehemann Oskar Lafontaine Platz genommen.

Ende letzten Jahres hat die mit der Linken gebrochen und Anfang Januar die neue Partei mit ihrem Namen gegründet. Sie selbst ist Vorsitzende, gemeinsam mit der früheren Linksfraktionschefin Amira Mohamed Ali. Rund 380 Mitglieder sind aus dem gesamten Bundesgebiet im Berliner Kino Kosmos eingetroffen, gelegen auf dem Vorzeige-Boulevard der ehemaligen Hauptstadt der DDR, der Karl-Marx-Allee.

Nein, kritische Töne, gar eine Fraktionsbildung, waren nicht zu vernehmen. Mehrmals wurde die Rede Wagenknechts vom Beifall unterbrochen. "Wir haben Großes vor für unser Land und für die Menschen, die große Erwartungen in uns setzen. Wir sind es ihnen schuldig, unsere Sache gut zu machen."

Sozialdemokratische Ideale im BSW?

"Eines können Sie mir glauben, sozialdemokratische Ideale finden Sie in der Scholz-SPD nicht mehr, aber hier", betont ein Mitglied aus NRW, ein 45-jähriger Gewerkschaftler aus dem Ruhrgebiet. Der Typus dieses Mannes ist ebenso anzutreffen, wie die Politikwissenschaftlerin aus Hamburg, die mehr Geopolitik lehren möchte, als ständig Gender-Themen zu behandeln, sowie der rüstige Rentner aus Sachsen, dessen politische Sozialisation in der PDS begann, als auch die westdeutsche, aufstiegsorientierte Kleinunternehmerin mit türkischen Wurzeln.

Viele der Damen, nicht nur Sahra Wagenknecht und Zaklin Nastic bewegen sich in demonstrativ enganliegenden Kleidern durch den Saal, als Ausdruck modischer Weiblichkeit, die kein Zweifel daran aufkommen lassen soll, zu welchem Geschlecht die Damen sich bekennen würden.

Quelle: BSW

 

Ebenso die jungen Herren in gutgeschnittenen Anzügen, die sich um Lukas Schön scharren, dem Geschäftsführer des BSW, der streng darauf achtet, dass alle Journalisten eine Akkreditierung besitzen.

Keine Angriffsfläche bieten

Nein, man möchte keine Angriffsfläche bieten, weshalb das Prozedere und der Ablauf auch reibungslos funktionieren.

Das Presseecho ist dennoch durchwachsen, was auch nicht anders zu erwarten war. Aber immerhin wird die Partei nicht mehr als "rechts" gelabelt, auch nicht als Bande von "verkappten Kommunisten", dafür als angebliche Sammeltruppe alter weißer Männer und Frauen.

Die schlechte Laune der Medien gegenüber dieser neuen, rasch in der Wählergunst steigenden Partei, war auch noch am Sonntag zu vernehmen, in der Sendung "Hart aber fair".

"Von einem „Talk auf Augenhöhe“, ja von einem „hartnäckigen Nachfragen“ – so wird Louis Klamroths Moderationsstil auf seiner Homepage beschrieben – war nicht einmal als Anspruch etwas zu verspüren. Sicherlich, ein Hauch von Authentizität war zu bemerken, als gleich zu Beginn der 75-minütigen Live-Sendung eine Person an den Tisch gebeten wurde, „die im Alltag von den Entscheidungen der Politik direkt betroffen ist“. In diesem Fall handelte es sich um eine sympathisch wirkende Betreiberin eines Frisör-Salons aus Remscheid. Bei diesem Hauch blieb es dann aber auch."

schrieb ich in einem Beitrag für die Berliner Zeitung: „Hart aber fair“: Wie Wagenknecht immer wieder als große Gefahr dargestellt wird

Aber noch einmal zurück zum Parteitag.

Egon Bahr und Willy Brandt

Michael Lüders, der bekannte Nahost-Experte, der als BSW-Kandidat für das EU-Parlament kandidiert, benennt Egon Bahr und Willy Brandt als Vorbilder, besonders deren außenpolitische Zielsetzungen.

Linkssozialdemokratisch in der Außen- und Verteidigungspolitik, eher Rechtssozialdemokratisch in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, vor allem auch im kulturellen Bereich, also eine Art Linkskonservatismus, zumindest vorläufig, denn noch glüht es rot in vielen entstehenden Ortsverbänden, besonders im Osten der Republik, die teilweise geschlossen aus der Linken ins BSW übergewechselt sind.

"Ja, es gibt sie, die Sehnsucht nach einer echten Sozialdemokratie", berichtet eine enge Wagenknecht-Vertraute am Ende des Parteitages. Draußen vor dem Kino hat sich eine Handvoll Gegendemonstranten versammelt, noch mehr Schaulustige allerdings, die darauf hoffen einen Blick auf Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine werfen zu können, vielleicht aber auch auf eine bessere politische Perspektive.

„Was heißt das konkret für mich?!“

Das BSW ist dabei, die politische Landschaft der Republik neu zu zeichnen. Der Aufstieg dieser Partei in der Wählergunst ist einmalig, in so kurzer Zeit.

Politisches Erdbeben in Sachsen-Anhalt: Gemäß dieser Umfrage sind die Ampelparteien SPD, FDP und Grüne nicht mehr im Parlament vertreten, ebenso wenig wie die Linke, während das BSW 23 % erreicht...

Es bleibt spannend und festzuhalten: Es bewegt sich etwas in diesem Land.

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