N26 ist eine sehr schnell wachsende auf Smartphone-Banking spezialisierte Bank. Wegen ihres starken Wachstums und vielleicht einer bei sogenannten Tech-Startups üblichen Laxheit im Umgang mit Regulierungen, kam es zu Problemen, die die Regulierer veranlassten, genau hinzuschauen und die Schrauben gegenüber der Bank stark anzuziehen. Unter anderem hatten Kriminelle Schwächen in der Verifizierung der Identität von Neukunden genutzt, um unter falscher Identität Konten zu eröffnen und diese für Betrugsmaschen zu nutzen.

Der starke Druck der Regulierer in Verbindung mit den nicht eingespielten Strukturen in der Bank führten dazu, dass vor einem Jahr auf einen Schlag vielen Kunden die Konten fristlos gekündigt oder die Guthaben eingefroren wurden, oft zu unrecht. Gekündigte Konten konnte die Bank trotzdem nicht wieder aktivieren.

Kürzlich habe ich berichtet, dass die Bank seit neuestem ihre Kunden, auch Bestandskunden, nötigt, ihr Auskunft über das eigene Gesamtvermögen zu geben und andernfalls Kontenschließung androht. Dabei beruft sie sich auf regulatorische Vorschriften, die sie aber mutmaßlich allzu weit auslegt. Genau weiß man das nicht, weil die formellen und informellen Vorgaben der Regulierung in Sachen Geldwäschebekämpfung sehr intransparent sind.

Schuldig auch nach Beweis des Gegenteils

Die Kontenschließlungen und -sperrungen aus – oft wohl überschießendem – Respekt vor den Regulierern, scheinen bei N26 keine einmalige Sache des letzten Jahres gewesen zu sein. Der Rechtsanwalt Jens Kan schreibt mir, dass seinem Mandanten Seckin A. von der N26-Bank im November 2022 das Konto gesperrt und gekündigt wurde. Als Grund sei dem Kunden nur mitgeteilt worden, dass er in erheblicher Weise gegen die Geschäftsbedingungen der Bank verstoßen habe. Er sollte ein Konto benennen, auf das sein Guthaben ausgezahlt würde.

Doch habe N26 trotz mehrerer anwaltlicher Mahnungen erst nach über vier Monaten Anfang April 2023 das Guthaben ausgezahlt, und zwar erst nachdem der Anwalt die Aufsichtsbehörde BaFin angeschrieben und eine Zahlungsklage angekündigt hatte. Bis heute habe N26 trotz anwaltlicher Aufforderungen den Grund für die Kontokündigung nicht näher erklärt.

Anwalt Kan sieht eine Pflichtverletzung von N26 darin, dass das Konto fristlos gekündigt und gesperrt worden und das Guthaben von rund 6.000 Euro nur stark verspätet ausgezahlt worden sei. Aufgrund der Tatsache, dass das Geld letztlich doch ausgezahlt wurde, sei deutlich geworden, dass sich kein eventuell vorhandener Geldwäscheverdacht erhärtet habe. Deshalb verlangt Seckin A., dass N26 seine Anwaltskosten erstattet, was N26 aber ablehne. Der Anwalt will die Kostenerstattung einklagen.

Bank beruft sich auf Regulierung

Um Stellungnahme gebeten, teilt eine Sprecherin der Bank mit, dass diese sich aufgrund geltenden Bankenrechts und des Datenschutzes nicht gegenüber Dritten zu einzelnen Kunden äußern könnne, beschreibt aber die für den Fall relevanten „grundsätzlich geltende Anforderungen und Prozesse“.

N26 sei verpflichtet, Routineüberprüfungen von Kundenkonten durchzuführen, als „wichtigen Beitrag im weltweiten Kampf gegen Finanzkriminalität“. Und weiter:

„Als Bank mit Volllizenz bewegt sich N26 in einem streng regulierten Umfeld, was bedeutet, dass wir denselben Prozessen wie alle anderen europäischen Banken folgen. Es kommt gelegentlich vor, dass wir Konten sperren oder schließen müssen, wenn wir im Rahmen von Überprüfungen ungewöhnliche Aktivitäten beobachten, missbräuchliches Verhalten feststellen oder unsere Geschäftsbedingungen auf andere Art verletzt werden. Fälle, die dies rechtlich erforderlich machen, meldet N26 zudem unter Einhaltung strenger Richtlinien zur weiteren Bearbeitung an die Behörden.“

Man darf also wohl davon ausgehen, dass ein Verdacht gegen den Kunden an die zuständige(n) Behörde(n) gemeldet wurde.

Gegebenenfalls kontaktiere N26 die betreffenden Kunden, um zusätzliche Informationen und Belege für Transaktionen anzufordern, die für eine umfassendere Analyse notwendig sind. Das ist nach Angaben des Anwalts auch geschehen und der Kunde habe alle angeforderten Informationen umgehend beigebracht.

„Detaillierte Informationen zu Konten, die wir einfrieren oder schließen müssen, dürfen wir, wie jede andere Bank, nur an die relevanten Behörden übermitteln. Das hat zur Folge, dass wir leider auch den Kontoinhaber:innen während der Prüfungsprozesse keine Informationen über das betroffene Konto mitteilen können.“

Wenn das stimmt – und es scheint zu stimmen – dann liegt darin eine Aushebelung des Rechtsstaatsprinzips durch die Regulierung, die an Franz Kafkas Farce „Der Prozess“ erinnert. Der Verdächtige merkt nur, dass gegen ihn ermittelt wird, dass er angeklagt ist. Er weiß nicht von wem, er weiß nicht weswegen, und er kennt die Beweise oder Indizien nicht. In einem Rechtsstaat gilt dagegen, dass man bis zum Beweis des Gegenteils als unschuldig zu gelten hat, dass man eine faire Chance zur Verteidigung hat, was voraussetzt, dass man den Vorwurf und die belastenden Indizien kennt, und dass es keine Strafe ohne richterliches Urteil gibt.

„Wenn alle erforderlichen Überprüfungen und Untersuchungen abgeschlossen sind und eine Freigabe unter Einbeziehung potenziell behördlicher Ermittlungen möglich ist, überweisen wir die Einlagen der betreffenden Kund:innen auf eine alternative Kontoverbindung (des Kunden; N.H.).“

Der Kunde darf nichts erfahren

Auf die Nachfrage, warum nach Freigabe des Geldes nicht entweder eine Erläuterung des Vorgangs erfolgt oder wenigstens die Anwaltskosten erstattet werden, da sich ja der Verdacht offenbar nicht erhärtet hat, der zu der Kontenkündigung und Guthabensperrung geführt hat, antwortet die Bank:

„Zu den individuellen Hintergründen einer Kontenschließung oder -sperrung können wir uns unter anderem aus Sicherheitsgründen nicht äußern.“

Das heißt nicht etwa nur mir gegenüber kann man sich aus Sicherheitsgründen nicht äußern, sondern auch dem betroffenen Kunden und dem Anwalt gegenüber. Kafka in Neuauflage.

In meinem 2018 erschienen Buch „Schönes neues Geld“ beschreibe ich eine mir zugespielte interne Anti-Geldwäsche-Richtlinie eines großen deutschen Bankkonzerns. Darin heißt es:

„Keinesfalls darf ein Kunde, gegen den die Bank einen Verdacht (…) hat, informiert werden. Ein vorsätzlicher oder leichtfertiger Verstoß kann mit einem Bußgeld von bis zu 100.000 Euro geahndet werden.“

Die Bußgeldandrohung betrifft nicht etwa nur die Bank, sondern auch die Angestellten. Wenn ein Kunde gegenüber Bankangestellten mit Nachdruck auf seinem Recht besteht, zum Beispiel auf Bargeldauszahlung oder Kontenfreigabe, müssen Angestellte das Kundenbegehren trotz bankinternen Verdachtsfalles ausführen. Eine Ablehnung dem Kunden gegenüber mit dem Vorliegen eines Verdachtsfalles zu begründen, würde sie strafbar machen.

Das heißt dann aber keinesfalls, dass damit alles in Butter ist. Der Betroffene ist möglicherweise auf einer Geldwäsche-Verdachtsliste gelandet, ohne davon zu wissen, und hat praktisch keine Chance, davon wieder herunterzukommen. Er wird sich dann vielleicht wundern, warum manche Geschäftspartner auf seine Bestellungen oder Vertragsangebote nicht reagieren. Aber niemand wird ihm sagen, woran das liegt.

Wenn es sich um einen falschen Verdacht handelt, kennt der Betroffene weder den Vorwurf, auf den sich der Verdacht bezieht, noch die Indizien, die er entkräften müsste, noch hat er jemand, gegenüber dem er sich verteidigen könnte. Genau wie bei Kafka.

In der mir zugespielten Richtlinie sind Indizien aufgelistet, die dazu führen konnten, dass ein Kunde wegen statistisch erhöhter Geldwäschewahrscheinlichkeit auf eine Liste der „Warnkunden“ gesetzt wird; eine Liste, auf die mindestens alle Konzerntöchter zugreifen können und müssen. Ganz oben stehen Bargeldgeschäfte. Weitere oft auftretende Indizien waren fehlendes Interesse an „Anlagen mit hohen Zinsgewinnen“ und sehr seltene Filialbesuche. Es gab in der - inzwischen sicherlich nicht mehr aktuellen -  Richtlinie keinerlei Arbeitsanweisung dafür, wie die Korrektheit der Einstufung als Warnkunde zu überprüfen und wann jemand von der Liste zu nehmen ist.

Wie dieses rechtsstaatswidrige Regulierungssystem zustande gekommen ist und immer weiter ausgebaut wird, habe ich in „Schönes neues Geld“ ausführlich beschrieben. Hier kann ich es nur kurz andeuten. Die Regeln werden in einem globalistischen Schattenreich „informeller“ Gruppen mit Namen wie FATF, Baseler Ausschuss für Bankaufsicht und G20 von Vertretern der Aufsichts- und Polizeibehörden als internationale Standards der Regulierung verabredet und von den Parlamenten dann bestenfalls noch durchgewunken, wenn nicht an ihnen vorbei umgesetzt.

N26 und der geplagte Kunde

Kommen wir zurück zu N26 und fragen wir uns, was das alles für den beschriebenen Fall heißt. Die Antwort ist: Es gibt grob drei sehr unterschiedliche Möglichkeiten und weder wir, noch der Kunde kann wissen, welche zutrifft:

  1. N26 hat, ähnlich wie das letztes Jahr massenhaft passiert ist, einen Fehler gemacht, und versteckt sich hinter der Regulierung, um den Kunden darüber im Dunkeln zu lassen und keinen Schaden ersetzen zu müssen.
  2. Es gab einen legitimen Verdacht im Sinne der Regulierung, der ausgeräumt wurde, und die Bank will keinen Schaden ersetzen, weil sie keine Schuld bei sich sieht.
  3. Es gab einen Verdacht und er besteht immer noch, aber das Geld wurde freigegeben, um einen Prozess zu verhindern, bei dem die Natur des Verdachts und die gesammelten Indizien nicht mehr zu verheimlichen gewesen wären.

Im letzten Fall wäre der Schaden für den Betroffenen, der sehr wohl trotzdem unschuldig sein könnte, potentiell viel schwerwiegender als der Ärger über das lange eingefrorene Guthaben und die selbst zu tragenden Anwaltskosten. Denn auf einer Geldwäsche-Verdachtsliste der Behörden, von der man nichts weiß, von der man nicht mehr herunterkommt und die international ausgetauscht wird, will man nicht stehen.

Geldwäschebekämpfung versus Rechtsstaat

Schuld an dieser rechtsstaatswidrigen völligen Unsicherheit und Wehrlosigkeit der Betroffenen sind neben denen, die sich das ausgedacht haben, vor allem Parlamentarier, die jede übergriffige Regulierung aus dem Schattenreich der globalistischen Kontrollfreaks abnicken und ignorieren, wenn sie nur den Namen Internationaler Standard trägt und in einen hinreichend dicken und technisch formulierten Gesetzesvorschlag eingepackt ist. Und natürlich die Gerichte, die solche Missstände bestehen lassen.

Das Argument, das diejenigen vorbringen, die sich nur um die Verhinderung von Geldwäsche, aber nicht um die Belange der möglicherweise falsch Verdächtigten scheren, lautet: Der Kampf gegen Geldwäsche würde schwerer, wenn die bösen Jungs erführen, was als Indizien für Geldwäsche gilt, deretwegen man ins Schleppnetz der Fahnder geraten könnte.

Das ist etwa so, wie wenn man der Kinderpornographie Verdächtige heimlich auf eine Verdachtsliste setzen würde, sodass sie keine Tätigkeit mehr ausüben können, die sie in Kontakt mit Kindern bringt und keinen Internet-Bereitstellungsvertrag mehr schließen oder behalten können. Und bei Strafe niemand ihnen etwas davon verraten dürfte. Wirksam wäre das vielleicht im Sinne der Maximierung des Kampfes gegen Kinderpornographie, aber mit einem Rechtsstaat offenkundig nicht vereinbar.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog von Norbert Häring. Vielen Dank für die Erlaubnis ihn übernehmen zu dürfen!

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