Ein beliebtes Argument für eine ewig niedrig bleibende Inflation ist der allgegenwärtige Fortschritt. Wo sich dieser genau findet, darf man sich vor allem in Deutschland fragen. Angesichts löchriger Funknetze, einer Digitalisierung der Verwaltung die irgendwo zwischen Konrad Zuse und dem C64 stecken geblieben ist, und einer Bundesbahn, die bald sicher auch die noch verbliebenen funktionierenden Türen auf dem Wagenstandplan vermerkt, drängt sich kein brennender Fortschrittsglaube auf.

Andernorts sieht das glücklicherweise anders aus. Auf globaler Ebene ist der technische Fortschritt in der Tat unverkennbar. Die gesellschaftliche Entwicklung hält dem offenkundig nicht überall stand, wie die Ausbreitung manch dumpfen Steinzeitverhaltens ahnen lässt.

Unabhängig von den lokalen Fort- und Rückschritten ist die Inflation global und fast überall auch lokal eine dauerhafte Erscheinung. Von einigen scheel angeschaute Menschen schieben das auf das Geldsystem. Ein Punkt, der sich freilich nicht von der Hand weisen lässt, wie nicht nur manches finanziell tödlich endende Geldexperiment der letzten Jahrhunderte zeigt. Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung des globalen Verbraucherpreisindex in den letzten mehr oder weniger normalen Jahrzehnten.

Diese Grafik dürfte, wie dies bei den Inflationsdaten in der Regel der Fall ist, die Lage eher beschönigen. Unter den bekannten Einflussfaktoren finden sich etwa der Substitutionseffekt (wenn Steak zu teuer wird, gibt es Frikadellen, also wird das Leben nicht teurer!) als auch das Ausblenden der Assetpreis-Inflation.

Die offizielle Preisentwicklung wird so auf ein niedrigeres und nicht immer dem realen Leben entsprechendes Niveau gedrückt. Wie jeder weiß, ist Inflation immer auch ein lokales Phänomen. Dazu muss man nicht erst die Mieten in München und Herne vergleichen (die übrigens nicht vollständig über die Gehälter ausgeglichen werden, wie öffentliche Quellen dies gerne suggerieren).

Wichtiger als das exakte Niveau der Inflation ist die Dauerhaftigkeit der schwindenden Kaufkraft. Wirft man einen Blick auf die langfristige Entwicklung der Kaufkraft des US-Dollars, für den eine sehr lange Datenreihe vorliegt, so zeigt sich eine doch recht fortschritts-insensitive Hartnäckigkeit.

An einem Mangel an technischem Fortschritt kann es wohl kaum liegen, dass die Inflation in den letzten Jahrzehnten nicht vollends verschwunden ist. Veränderungen in der Landwirtschaft, Digitalisierung, 3D-Druck, Kommunikation, Software, Mobilfunk, Verkehr, Einsatz von Robotern, Biotechnologie, Werkstofftechnologie und viele andere Zweige haben für den Laien geradezu unfassbare Fortschritte erlebt.

Auf die Lebenshaltungskosten mag dies in einigen Fällen einen senkenden Effekt gehabt haben, am generellen Verlust der Kaufkraft hat dies jedoch nichts geändert.

Der Sektor mit dem größten Fortschritt an Disziplinlosigkeit war leider der Zentralbanksektor. Innerhalb einer Dekade schaffte man es, jegliche Disziplin abzuschaffen. Der Glaube an das free lunch, den sonst bestenfalls unerfahrene Privatanleger hegen, hat die Elfenbeintürme der Finanzakademiker fest im Griff.

Wie man es schafft, gleichzeitig daran zu glauben, eine wundersame Geldvermehrung könnte langfristig echten Wohlstand schaffen, die Alchimisten aber für Narren zu halten, bleibt ein Geheimnis der monetären Tempelwächter.

Festhalten lässt sich, dass der Fortschritt Einfluss auf die Entwicklung mancher Preise haben kann. Der monokausale Schluss, auf Grund des Fortschritts sei die Inflation nicht mehr vorhanden und werde auch nie wieder nennenswert steigen, ist jedoch falsch.

Das gilt auch für den Umkehrschluss, in einer Phase ohne nennenswerte Inflation gebe es keinen Fortschritt. Fortschritt und Inflation beeinflussen sich, sind jedoch verschiedene Dinge und beileibe kein untrennbares Paar.

Man darf gespannt sein, wie die Theoretiker auf steigende Preise reagieren werden, wenn man gleichzeitig nicht nur mit ungelösten -weil in die Zukunft verschobenen- und sogar eigenständig vergrößerten Problemen der Banken- und Staatsfinanzierung beschäftigt ist.

Aber irgendwie kriegen die Zauberer ja auch stagnierende Löhne, steigende Preise und wachsende Konsumnachfrage innerhalb eines geradezu magischen Wirtschaftsmodells zusammen. Sieht gut aus, funktioniert nur leider nicht. Man kann eben nicht alles haben.

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