Geschäftsmodell und Absatzmärkte

Aktien-Screener sind schon eine feine Sache. Setzt man bei der Suche die richtigen Stellschrauben an, bekommt man immer wieder spannende Werte präsentiert. Der deutsche Smallcap GFT Technologies, welchen ich bisher noch gar nicht auf dem Schirm hatte, wurde mir heute ausgespuckt. Und auf den ersten Blick sieht es nach einer Perle aus, die von der Börse derzeit jedoch verschmäht wird. Genau, wonach antizyklisch agierende Investoren suchen.

GFT ist ein IT-Unternehmen, welches Kunden bei ihrer digitalen Transformation hilft. Beispielsweise bei der Modernisierung und dem Betrieb von IT-Systemen, der Schaffung moderner Kundenplattformen, der Einhaltung von Compliance-Vorschriften oder beim Umzug von IT-Systemen in Cloudumgebungen.

GFT hat sich hierbei auf Kunden aus der Finanz- und Versicherungsindustrie spezialisiert. Auch Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe gehören inzwischen vermehrt zur Kundschaft.

Das Unternehmen implementiert auch erfolgreich KI-Modelle. Damit konnte man beispielsweise einem italienischen Versicherungskonzern dabei helfen, Versicherungsbetrügereien automatisiert zu erkennen. Ein deutsches Industrieunternehmen nutzt derweil die KI-gestützte IoT-Plattform SPHINX OPEN von GFT, um kostspielige Lastspitzen beim Stromverbrauch zu vermeiden.

Der mit Abstand größte Kunde mit einem Umsatzanteil von 16 Prozent ist die Deutsche Bank, welche GFT bei der Modernisierung der eigenen Infrastruktur und bei der Postbank engagiert hat. Hier erwartet GFT auch bis auf Weiteres gute Geschäfte.

Quelle: Investorenpräsentation März 2024

Das Unternehmen erzielt 58 Prozent seines Umsatzes in der „Region Americas“ sowie in Großbritannien. Der Rest entfällt auf Kontinentaleuropa. Mit der Banken- und Versicherungsbranche wird der Großteil der Umsätze generiert.

Hier besteht nach wie vor ein hoher Modernisierungsbedarf, wovon GFT profitiert. Der KI-Bereich avanciert derweil zu einem Wachstumsbringer.

Das im SDAX gelistete Unternehmen wird seit 2017 von Marika Lulay geleitet, welche den Chefposten allerdings aus persönlichen Gründen ab 01. Juli räumt. Ihren Platz nimmt Marco Santos ein, der seit 2011 für GFT tätig ist. Jochen Ruetz , CFO und inzwischen auch Vize-CEO, überblickt die Finanzen des Unternehmens seit dem Jahr 2015.

Firmengründer Ulrich Dietz und Maria Dietz besitzen 26,3 bzw. 9,5 Prozent der ausstehenden Anteile. Damit haben wir es aller Voraussicht nach mit langfristig denkenden Ankeraktionären zu tun, was auch allen Investoren zugute kommen sollte.

 

 

Quelle: stock3.com

Die Aktie hat eine Kurshalbierung hinter sich. Ausgehend von 23,50 Euro kam es zu einer schönen Aufwärtsbewegung. Die Korrektur selbiger fiel allerdings heftig aus, weshalb ein Bruch der 23,50er Marke nicht ausgeschlossen werden kann. Darunter gäbe es noch eine Unterstützung bei 20 bis 22 Euro. Reißt auch diese, gibt es erst bei 15 Euro eine nächste markante Unterstützung.

Um dieses Szenario aus der Welt zu schaffen, müsste die Aktie über die 34-Euro-Marke steigen. In diesem Fall hätten wir es mit einer gelungenen Bodenbildung zu tun mit Kurszielen zwischen 46 und 49 Euro.

Quelle: stock3.com

Die Aktie von GFT entwickelt sich wesentlich dynamischer als der SDAX oder der DAX. Das liegt auch an der soliden langfristigen fundamentalen Entwicklung.

Bewertung

Quelle: sentieo.com (interaktiver Chart)

 

Die Aktie ist gerade so bewertet, als würde GFT künftig nur noch kaum wachsen können. Dem ist aber beileibe nicht so. Der Umsatz soll 2024 um 15 Prozent wachsen, ohne die Sophos-Übernahme (dazu später mehr) würden immer noch sieben Prozent an organischem Wachstum herausspringen.

Darüber hinaus sollten die Ergebnisse auch in den kommenden Jahren zulegen können. Der Digitalisierungstrend ist ungebrochen und es ist ein offenes Geheimnis, dass die Finanz- und Versicherungsindustrie hier besonders viel Nachholbedarf hat.

So deutlich die Aktie 2021 und 2022 überbewertet war, so deutlich zeigt sich auch die aktuelle Unterbewertung. Für das laufende Jahr soll das KGV anhand der Gewinnschätzungen der Analysten sogar nur mehr bei 12 liegen.

Ein gewisser Abschlag aufgrund der Abhängigkeit des Großkunden Deutsche Bank ist zwar diskutabel. Hier ein KGV zwischen 15 und 18 zu veranschlagen, wäre jedoch alles andere als ambitioniert.

Das Unternehmen möchte bis zur Hälfte des jährlichen Gewinns an die Aktionäre ausschütten. Fortlaufende Dividendenerhöhungen sollten hier also drin sein, was die Aktie beim Kauf zum aktuellen Kurs zu einem künftigen Dividendenbringer machen könnte

Bilanz und Verschuldung

Trotz Übernahmen sehen wir keine bilanziellen Probleme. Das Unternehmen ist kaum verschuldet, gleichzeitig baut man langfristig schön zusätzliches Eigenkapital auf.

Profitabilität

Die Nettomarge beläuft sich im 5-Jahres-Schnitt auf 4,6 Prozent. Viel ist das nicht. Bis ins Jahr 2005 – so weit reichen meine Daten zurück – wirtschaftete das Unternehmen aber stets profitabel.

Die recht niedrigen Margen erklären sich aufgrund der Lösungen, die man auf jeden Kunden individuell abstimmen muss. Die Skalierungsmöglichkeiten, welche Margenanstiege ermöglichen würden, sind dementsprechend begrenzt. Da man bei seiner Belegschaft vielfach auf Entwickler aus Ländern mit günstigen Lohnkosten setzt (Polen, Spanien, Brasilien), kann man diesem Faktor gut entgegenwirken.

Die neue KI-Plattform AI.DA, auf der das Know-how und GFT’s Datengrundlage für KI gebündelt wird, könnte hier Abhilfe schaffen. Über diese können u.a. Blaupausen abgerufen werden, um Lösungen zeitnah zu entwickeln und zu implementieren, beispielsweise zur Entwicklung eines Sprachassistenten im Onlinebanking oder bei der Vernetzung von IoT-Geräten in Fabriken. Diese Plattform verspricht Skalierungsmöglichkeiten.

Trotz alledem verdient das Unternehmen gutes Geld und erzielt auf das verfügbare Kapital eine ansehnliche Rendite

Wachstum

Das Management hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2026 doppelt so schnell zu wachsen wie die Branche. Gleichzeitig möchte man den Anteil von industriellen bzw. Versicherungskunden von elf Prozent bzw. 16 Prozent per 2023 auf 15 Prozent bzw. 20 Prozent steigern. Dadurch würde man auch die Abhängigkeit von der Finanzbranche verringern.

Dass das Unternehmen weiterhin robust wachsen kann, scheint realistisch. Die angebotenen Lösungen verkaufen sich gut, der Digitalisierungsbedarf ist noch lange nicht gedeckt.

Zusätzliches Potenzial schafft auch UDPN, eine Entwicklungsplattform zur Abwicklung von digitalen Zahlungsströmen in digitalen Währungssystemen (Kryptowährungen, digitales Zentralbankgeld). Sobald Zentralbanken ihre Versionen von digitalem Zentralbankgeld lancieren, locken hier für GFT attraktive Wachstumschancen.

Mittels Übernahmen erweitert man sein Produktportfolio und generiert Wachstum. Mit der kürzlichen Übernahme von Sophos Solutions hat man den Sprung in die Top 3 der Anbieter für Banken-IT in Lateinamerika geschafft. Seine Position im wichtigen Wachstumsmarkt hat man dadurch gestärkt.

Konkurrenz

Capgemini und Cognizant gehören unter anderem zur Konkurrenz. Diese verfügen über wesentlich größere Budgets als GFT. Was die Stuttgarter jedoch ausmacht, ist die enge Partnerschaft mit ihren Kunden in der Finanzindustrie. Zudem ist man groß genug, um auch große Projekte abwickeln zu können, jedoch klein genug, um auch auf individuelle Bedürfnisse der Kunden eingehen zu können.

Risiken

Die Deutsche Bank allein bringt 16 Prozent des Gesamtumsatzes von GFT. Das ist extrem viel und sorgt für ein Klumpenrisiko. Wenn Nachfolgeaufträge der DB ausbleiben, würde GFT davon schwer getroffen werden.

Man kommt aber gut dabei voran, dieses Problem zu verringern. Inzwischen werden 80 Prozent des Umsatzes mit Kunden mit Tickets unter einer Million Euro generiert. Bis auf Weiteres besteht hier aber ein Manko bei GFT.

Aufgrund der hohen Abhängigkeit von der zyklisch abhängigen Finanzbranche überträgt sich diese Zyklik auch auf die Geschäfte von GFT. Nach wie vor haben die Kunden einen enormen Bedarf, sich zu digitalisieren und in die Jahre gekommene Infrastrukturen zu modernisieren. Bei einer wirtschaftlichen Schwäche könnten Aufträge jedoch auf der Zeitschiene nach hinten verschoben werden, was GFT zwischenzeitlich treffen würde.

Porter’s Five Forces

Die Faktoren ‚Neue Konkurrenz‘ sowie ‚Branche‘ werden mit zwei Punkten versehen. GFT ist ein kleiner Player und deshalb angreifbar durch finanzstarke Großkonzerne aus der Branche und branchennahe Unternehmen. Im Bankgeschäft hat GFT allerdings einen stabilen Stand und verfügt über enge Partnerschaften. Deshalb gibt es hier jeweils nur zwei Punkte.

Das Substitutionsrisiko wird mit null Punkten versehen. GFT investiert fortlaufend in die Weiter- und Neuentwicklung seines Lösungsspektrums und ist als kleiner Player flexibel genug, um auf sich anbahnende Technologietrends schnell zu reagieren.

Die Kunden von GFT sind auf die Digitalisierungsexpertise angewiesen, können aber zwischenzeitlich Investitionen aufschieben. Deshalb gibt es beim Faktor ‚Abnehmer‘ drei Punkte.

Der Erfolg von GFT fußt auf dem Personal. Dadurch ist das Unternehmen Kostensteigerungen durch Lohninflation ausgesetzt, welche nicht unmittelbar an den Endkunden weitergereicht werden können. Dieses Thema wird im Faktor ‚Lieferanten‘ abgebildet.

Die hohe Kundenkonzentration stört etwas, ansonsten handelt es sich bei GFT um einen spannenden Wert aus der zweiten Reihe, der Wachstumspotenzial und eine sehr günstige Bewertung mitbringt.
 

Herzlichst

Ihr

Christof von Wenzl

 

Quellen: sentieo.com, morningstar.com, www.gft.com, stock3.com

Alle Kennzahlen wurden – sofern nicht anders erwähnt - auf Sicht der letzten vier verfügbaren Quartale berechnet.

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