Es sollte ja alles nicht so schlimm kommen in Spanien, nicht wahr?! Fakt ist jedoch, dass das Land spätestens seit Freitag letzter Woche auf die Scherben seiner politischen Fliehkräfte blickt.

Dass die Zentralregierung in Madrid der katalanischen Führung schon zu Beginn dieses Jahres im schlimmsten Fall mit einem Einsatz des Militärs gedroht hatte, falls eine Sezession in die Realität umgesetzt werden sollte, hatte ich Ihnen bereits zum damaligen Zeitpunkt berichtet.

Es ist interessant, dass kaum ein Mainstream-Medium in Deutschland bis kurz vor Abhaltung des Referendums über die Vorgänge in Spanien und Katalonien berichtet hatte. Egal, wie die angespannte Situation nun auch ausgehen wird, eines ist klar.

Osteuropäische Staaten formieren sich gegen das Diktat aus Brüssel

Nach dem Brexit droht der EU ein weiterer Zacken aus der Krone zu fallen, der die Sezessionsbestrebungen anderer Regionen in Europa anfachen dürfte. Wer auf Osteuropa – und den sich dort gegen Brüssel formierenden Länderblock blickt – wird mir vielleicht gar beistimmen, wenn ich die Vermutung anstelle, dass es unter Umständen nicht mehr lange dauern wird, bis eines oder mehrere dieser Länder mit einem EU-Austritt drohen werden.

Unterdessen erzählt Herr Juncker seine Geschichten von einer Neuauferstehung „seines“ Europas, das immer mehr echte Europäer allerdings abzulehnen scheinen. Ob Juncker davon überhaupt noch etwas mitbekommt, steht indes auf einem anderen Blatt.

Die jüngste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, die Staaten in Osteuropa notfalls auch zu einer Aufnahme von Flüchtlingen zu zwingen, hat vielleicht gerade noch Eindruck in Bratislava gemacht, wo die slowakische Führung nach erfolgtem Euro-Beitritt eben nicht mehr so kann, wie sie vielleicht gerne möchte.

Doch Tschechien, Polen, Kroatien oder Ungarn lässt dieses jüngst ergangene Urteil völlig kalt. In all den aufgezählten Ländern habe ich mich dieses Jahr aufgehalten, um selbst zu sehen und aus vielerlei Gesprächen herauszuhören, dass man sich dort mittlerweile als eine Art Bollwerk gegen zu viele „Frechheiten“ und Forderungen – gleich welcher Art – aus Brüssel wahrnimmt.

Die Nationalwahlen in Österreich dürften diesen Trend ganz gewiss noch beflügeln, einmal ganz davon abgesehen, welcher politische Stress zwischen den beiden Nachbarn Deutschland und Polen bereits über eine absehbare Verabschiedung eines Reparationsgesetzes in Polen um die Ecke lugt.

Sicher ist sicher - Über 1.500 Unternehmen haben bereits ihren Sitz in Katalonien aufgegeben

Kommen wir zurück zu den aktuellen Geschehnissen in Spanien. Mittlerweile sind es mehr als 1.500 Unternehmen, die ihren Sitz aus der wohlhabenden Region Katalonien in den letzten Wochen heraus verlagert haben.

Hauptgrund für diese Entwicklung ist, dass die Furcht umgeht, laut der diese Firmen nicht mehr unter spanisches Recht, geschweige denn EU-Recht fallen würden, falls Katalonien es tatsächlich schaffen sollte, sich vom Rest Spaniens loszusagen. Bislang sind Arbeitnehmer und etwaiges Produktionsequipment von diesen Geschehnissen (noch) nicht betroffen.

Vielmehr geht es den meisten Unternehmen um eine justizrechtliche Absicherung, eine Art Hedge gegen unvorhersehbare Ereignisse. Im Angesicht dieser aktuellen Ereignisse eskalieren die Krise und der Showdown zwischen Madrid und Barcelona weiter, was Unternehmen in Katalonien davon abhält, Investitionen zu tätigen oder Mitarbeiter einzustellen.

Auch der Tourismussektor leidet

Und nicht nur das. Laut neuester Daten aus dem so wichtigen Tourismussektor scheinen auch die Buchungen zuletzt spürbar zurückgegangen zu sein. Kaum ein Wunder, wenn man die jüngsten Fernsehbilder von mit Schlagstöcken auf Alte und Kinder einprügelnden Polizisten in Barcelona berücksichtigt.

Touristen werden wahrscheinlich auch davor zurückscheuen, sich möglicherweise während ihres Sight-Seeing-Programms plötzlich in einer weitläufigen Straßendemonstration oder streikähnlichen Aufmärschen wiederzufinden, die in Spanien in den vergangenen Jahren nicht selten in offene Straßenschlachten und Krawalle mit der Polizei ausgeartet waren.

Selbstbestimmungsrecht? Messen mit zweierlei Maß

Am vergangenen Freitag erklärte Madrid, die Kontrolle über Katalonien zu übernehmen, wobei sich bislang noch nicht abzeichnet, wie groß der Widerstand unter der katalanischen Bevölkerung gegen diese Entscheidung ausfallen wird. Weder Kataloniens Behörden noch die lokalen Polizeibehörden erwecken zurzeit den Eindruck, von dieser Entscheidung sonderlich angetan zu sein. Für den 21. Dezember hat Madrid Neuwahlen in Katalonien angesetzt.

Einmal mehr zeigt sich auch, dass es mit dem Selbstbestimmungsrecht nicht weit her zu sein scheint. Dieses Selbstbestimmungsrecht scheint immer nur dann zu gelten, wenn es darum geht, einer bestimmten Weltregion die westliche Demokratie „zu bringen“. Meistens gehen solcherlei Ansinnen – wie in der Ukraine – blutige Revolutionen voraus. Mehr will ich hierzu jedoch nicht mehr ausführen.

Spanische Firmen könnten das Land ganz verlassen und in Osteuropa investieren

Woran es laut Ökonomen kaum einen Zweifel mehr gibt, ist, dass die politische Krise in Spanien sowohl hoch schädliche Auswirkungen auf die spanische Gesamtwirtschaft als auch die katalonische Regionalwirtschaft haben wird. Unter anderem dürften immer mehr lokale katalonische Firmen dem Schritt der beiden Großbanken Caixa und Sabadell folgen, um ihre Zentrale aus der nach Unabhängigkeit strebenden Nordostprovinz heraus zu verlagern.

Doch dabei dürfte es nicht bleiben. Vielmehr scheint es sich in Bezug auf diese Entwicklung nur um die Spitze des Eisbergs zu handeln. Denn die Pläne unter einer Reihe von katalonischen Unternehmen könnten sich als weitreichender erweisen als bislang gemeinhin angenommen.

Ökonomen warnen davor, dass Investitionen in der Zukunft ganz woanders hinfließen könnten. In diesem Zuge könnte es dazu kommen, dass spanische Firmen das Land komplett in Richtung Osteuropa zu verlassen. Wenn es erst einmal so weit sei, so Analysten, brauche niemand damit zu rechnen, dass diese Firmen irgendwann wieder zurückkehren würden.

Vorwürfe werden dabei viel weniger den Katalanen als vielmehr der Zentralregierung in Madrid gemacht. Diese Zentralregierung zeichne sich durch ein einziges Missmanagement aus, wie es vielerorts heißt, da Madrid sich augenscheinlich nicht dazu in der Lage sähe, das Land zusammenzuhalten und die Probleme mit den Regionen ein für allemal zu lösen.

Moody´s warnt bereits vor Beeinträchtigung der Kreditwürdigkeit

Die Ratingagentur Moody´s Investors Service hat Madrid vorauseilend schon einmal davor gewarnt, dass ein anhaltender politischer Tumult samt einer Unabhängigkeit Kataloniens die Kreditbonität Spaniens empfindlich beeinträchtigen werde. Bislang erweckt es den Eindruck, als ob der Tourismussektor des Landes mit am schwersten getroffen worden ist. Gegenüber dem Vorjahr sind die Tourismusausgaben in Katalonien im Oktober laut neuester Daten um mehr als 18% gesunken.

Doch gerade der Tourismussektor steuert knapp 12% zu Spaniens BIP bei. Katalonien und Barcelona steuern allein einen Beitrag von einem Fünftel zu diesem Anteil bei. In Barcelona sind die Hotelreservierungen im Vergleich mit der Vorjahresperiode seit dem Abhalten des Referendums um rund 20% gesunken.

Vielleicht geht es jetzt erst richtig los

Analysten halten es nicht für ausgeschlossen, dass die spanische Gesamtwirtschaft schweren Schaden nehmen wird, umso länger die politische Krise im Land andauern wird. Unterdessen beraten sich die Mitglieder der katalanischen Nationalversammlung über die nächsten Schritte, die nach der formalen Machtergreifung Madrids zu unternehmen sind.

Momentan steht das Ansinnen im Raum, Spaniens Top-Unternehmen zu boykottieren und massive Streiks auf Kataloniens Straßen anzufachen. Es hört sich beileibe nicht danach an, als ob sich die spanische Krise schon in Bälde in beiderseitiges Wohlgefallen auflösen würde. Ganz im Gegenteil, vielleicht geht der Tanz um die Unabhängigkeit Kataloniens jetzt auch erst richtig los.

In Brüssel darf Herr Juncker indes weiter über eine „Neuauferstehung und Renaissance Europas“ schwadronieren. Ob diese Phrasen im Angesicht der aktuellen Realentwicklungen noch jemand glaubt, steht auf einem anderen Blatt.

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