Spaniens Wirtschaftserholung basierte in den vergangenen Jahren insbesondere auf einem rasant wachsenden Tourismussektor. Spaniens Tourismusindustrie erwies sich als einer der Hauptgewinner in Europa, die vom Einbruch der Buchungszahlen in anderen Ländern rund ums Mittelmeer – darunter Tunesien, Ägypten und die Türkei – hochgradig profitierten.

Nach Jahren eines jeweils doppelprozentigen Besucherwachstums auf annualisierter Basis, kehrt sich dieser Trend nun jedoch anscheinend wieder um. Neue Zahlen zeigen, dass die Anzahl der Spanienbesucher in den ersten fünf Monaten dieses Jahres gerade noch um 2% auf 28,61 Millionen Auslandstouristen angewachsen ist.

Im Vergleich hierzu: In der Vorjahresperiode belief sich der Touristenzuwachs aus dem Ausland auf annualisierter Basis noch auf 12,1%. Als alarmierend erweist sich für Spaniens Tourismusbehörden die Tatsache, dass ausgerechnet die beiden größten Tourismusmagneten Spaniens, nämlich Katalonien und die Kanaren, in den ersten fünf Monaten dieses Jahres über einen Rückgang ihrer Besucherzahlen berichteten.

Abhängig vom heimischen Tourismussektor

Experten warnen davor, dass mit dieser Entwicklung Probleme für Spaniens breite Wirtschaft einhergehen könnten. Denn der Anteil der spanischen Tourismusindustrie am erwirtschafteten Jahres-BIP beläuft sich auf satte 13,5%. An dieser Stelle sei daran erinnert, wie abhängig sich die spanische Wirtschaft in den letzten Jahren vom heimischen Tourismussektor gemacht hat.

Hierzu ein Vergleich: Auf dem Höhepunkt der exzessiven Häuserblase im Jahr 2007 belief sich der Anteil des spanischen Bau- und Immobiliensektors am jährlich erwirtschafteten BIP auf gerade einmal rund 10,5%. Die meisten von uns werden noch gut in Erinnerung haben was damals in Spanien geschah, als diese Blase im Angesicht der Finanzkrise platzte.

Und so verwundert es auch kaum, dass der spanische Tourismussektor seit 2012 für rund ein Viertel aller neu geschaffenen Arbeitsplätze im Land verantwortlich zeichnete. Hochburgen des Tourismus wie die Balearen, die Kanaren oder Katalonien steuerten in dieser Periode gar mehr als ein Drittel aller neu geschaffenen Jobs bei.

Nordafrikanische Länder wieder attraktiver für Touristen

Als entsprechend groß erweist sich die heutige Abhängigkeit dieser Regionen von einem einzigen Wirtschaftssektor, namentlich dem Tourismus. Vorsicht ist geboten, denn unter Bezugnahme auf eine neue Studie der Schweizerischen Großbank UBS habe mehr als die Hälfte des spanischen Tourismuswachstums auf den zu beobachtenden Einbrüchen in der Türkei, in Tunesien und in Ägypten resultiert.

Und nun scheint sich dieser Trend sukzessive umzukehren. Mehr und mehr Touristen kehren in diesen Tagen in die Länder Nordafrikas und des Mittleren Ostens zurück, die über den Vorteil verfügen, im Vergleich mit Spanien weitaus günstiger zu sein. So zeigt sich unter anderem, dass Tunesiens Tourismusindustrie in 2017 auf ihr bestes Jahr seit 2014 blickte. 

Dort kletterten die Besucherzahlen in den ersten fünf Monaten dieses Jahres auf rund 7,1 Millionen Gäste, während die Türkei im selben Zeitraum 11,9 Millionen ausländische Besucher willkommen hieß. Aus Sicht der Türkei entspricht dies einem neuen Allzeithoch, wie Kultur- und Tourismusminister Kurtulmuş erklärte.

"Comeback" für Ägypten und die Türkei

Zwischen den Jahren 2014 und 2016 sah die Situation noch ganz anders aus. Damals brachen die ausländischen Besucherzahlen in der Türkei nämlich um mehr als 25% ein. Begründet wurde diese Entwicklung stets auf Basis einer wachsenden Instabilität in der Region sowie einem durch die Moskauer Regierung ausgesprochenen Verbot für Türkei-Reisen.

Dieser Bann wurde im Angesicht einer Verbesserung der politischen Beziehungen zwischen Ankara und Moskau im Juni 2016 wieder aufgehoben. Nicht nur aus Russland, sondern auch aus Großbritannien strömen nun abermals Touristenmassen in Richtung der Türkei. So gab beispielsweise der britische Reiseveranstalter Thomas Cook erst jüngst bekannt, dass dessen Türkei-Buchungszahlen auf annualisierter Basis um 84% geklettert sind.

Auch die Buchungszahlen für Ägypten hätten im laufenden Jahr einen riesigen Sprung um 89% nach oben gemacht, während die Tunesien-Buchungen ebenfalls sukzessive zulegten. Noch vor drei Jahren wurde die Region durch eine Terrorattacke heimgesucht, in deren Zuge 38 Menschen – darunter 30 britische Staatsbürger – den Tod fanden.

Pfund, Politik & Proteste

Gerade britische Touristen erweisen sich für Spaniens Tourismusindustrie als enorm wichtig. Denn mehr als ein Fünftel der jährlichen Besucher stammt aus Großbritannien. Die Anzahl der britischen Spanien-Besucher beginnt allerdings zu fallen – und zwar um 2,31% gegenüber den ersten fünf Monaten des Vorjahres.

Zwei grundlegende Entwicklungen dürften an dieser Situation einen großen Anteil haben. Zum einen hat sich das britische Pfund Sterling gegenüber dem Euro mittlerweile deutlich im Außenwert reduziert.  Zum anderen bleibt nach wie vor unklar, zu welcher Art von Brexit es kommen wird (Soft oder Hard Brexit oder das Erzielen überhaupt keines Deals mit der EU).

Ein weiterer Faktor, auf Basis dessen sich Spanien seinen eigenen Tourimussektor anschießt, fußt auf dem kontinuierlichen Wachstum von koordinierten Attacken gegen einschlägige heimische Tourismusziele durch den Jugendflügel der radikalen Separatistenpartei CUP in Barcelona, Valencia oder auf den balearischen Inseln.

In diesem Zuge kam es zuletzt beispielsweise zur Zerstörung von acht Hotels in Barcelona durch gezielten Vandalismus. Eine Verschärfung der Regulierung bei zunehmenden Verboten trägt das Ihrige zur aktuellen Situation bei. Ganz zu schweigen von unzähligen Graffitis, die sich direkt an Touristen richten, um diese ganz offen zur Heimfahrt aufzufordern.

Es ist in diesen Tagen keine Seltenheit mehr, wenn spanische Protestler ausländische Beuscher nach dem Verlassen von Mallorcas Flughafen mit Plakaten empfangen, auf denen zu lesen steht, dass „Touristen Mallorca kaputt machen“ und der „Massentourismus mit der Schaffung von prekären Arbeitsplätzen“ einhergehe.

Viele Jobs in Gefahr

Im Rahmen einer im letzten Jahr durchgeführten Umfrage, identifizierten die Einwohner von Barcelona den heimischen Tourismus als größtes Problem, dem die Stadt ins Auge blicken würde. Dieses Problem übersteige laut mehrheitlicher Ansicht der Befragten gar die Themen Armut, Verbrechen und sogar Arbeitslosigkeit.

Kaum ein Wunder auch, dass die Preise in vielen Regionen des spanischen Festlands und auf den Balearen-Inseln im Verlauf der vergangenen Jahre teils massiv angezogen haben. Auch die Mietpreise, die – wie insbesondere Mallorciner behaupten – durch Internet-Apartment-Anbieter wie airbnb getrieben würden, kann sich eine steigende Anzahl von Einheimischen kaum mehr leisten.

Die Qualität der meisten in den letzten Jahren geschaffenen Arbeitsplätze lässt laut Umfragen ebenfalls zu wünschen übrig. Hierin liegt ein fader Beigeschmack der eindimensionalen Ausrichtung von Spaniens Wirtschaft. Die meisten dieser Jobs sind häufig nicht nur zeitlich befristet,  sondern werden oftmals auch unterirdisch bezahlt.

Trotz allem wären diese prekären Arbeitsverhältnisse ohne Spaniens Tourismus-Boom in den vergangenen Jahren erst gar nicht geschaffen worden. Ohne diese Jobs würde die Anzahl der Arbeitslosen wahrscheinlich ganz schnell wieder in Richtung der 20%-Marke zurückklettern.

Im Angesicht eines bereits auslaufenden Booms wird sich die Frage stellen, auf welche Weise ausländische Touristen in Spanien im laufenden Jahr empfangen werden. Sollten Anfeindung und Verhöhnung weiter zunehmen, lässt sich davon ausgehen, dass es viele der diesjährigen Besucher spätestens im nächsten Jahr in andere Touristenziele locken wird…

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