Zu Wochenbeginn wurde die aktuelle Lage in den beiden BRICS-Nationen Brasilien und Südafrika nebst Mexiko thematisiert. Im heutigen Bericht soll an die aktuell beobachtbaren Entwicklungen in den BRICS-Nationen angeschlossen werden, den Fokus auf die Russische Föderation legend.

Die ökonomische Entwicklung wusste im Verlauf des vergangenen Jahres trotz signifikanter Zinsanhebungen durch die russische Zentralbank zu überraschen. In Relation zu jener im Jahr 2020 primär durch die Corona-Krise schwer belasteten Wirtschaft des Landes, wusste sich Russland im Jahr 2021 ökonomisch zu erholen. Es empfiehlt sich ein Blick auf die nachfolgende Grafik von tradingeconomics.com.

 

 

Es lässt sich gar konstatieren, dass die russische Wirtschaft im Jahr 2021 mit dem höchsten Tempo seit dem Jahr 2010 gewachsen ist. In diesem Zuge legte das Bruttoinlandsprodukt in 2021 auf Jahresbasis um etwas mehr als 4,2 Prozent zu.

Robustes Exportwachstum kurbelt Wirtschaft an

Angekurbelt wurde diese Entwicklung insbesondere durch ein sehr robustes Exportwachstum, das in den ersten zehn Monaten des Jahres 2021 bei knapp 43 Prozent gelegen hatte. Es verwundert in diesem Zusammenhang keineswegs, dass der russische Handelsüberschuss im selben Zeitraum auf rund 150 Milliarden US-Dollar zulegen konnte.

Eine nachhaltige Erholung an den globalen Rohölmärkten dürfte hierfür hauptsächlich mit verantwortlich gewesen sein. Die Moskauer Kreml-Regierung durfte sich parallel über ein auf Jahresbasis um mehr als dreißig Prozent zulegendes Rekordsteueraufkommen gefreut und zufrieden gezeigt haben. Es ist allerdings nicht alles Gold, was mit Blick auf die russische Wirtschaft glänzt.

Viel zu hohe Inflation gibt den Spielverderber

Bereits zum Ende des ersten Quartals des Jahres 2021 begann sich nämlich abzuzeichnen, dass die Inflationsentwicklung im Land außer Kontrolle zu geraten drohte. Schätzungen in Bezug auf das Gesamtjahr 2021 sehen einen Inflationsanstieg auf bis zu 8,6 Prozent versus des Vorjahrs vor, was dem höchsten Zuwachs innerhalb der letzten sechs Jahre entspräche.

 

 

Auf eine ganz besondere Weise legte die Lebensmittelpreisinflation zu, die sich im Jahr 2021 auf stattliche 10,8 Prozent belief, während die gefühlte Inflation unter weiten Teilen der russischen Bevölkerung gar oberhalb von siebzehn Prozent lag. Der Bank of Russia blieb im Angesicht dieser Situation nichts anderes übrig, als den eigenen Leitzins auf eine aggressive Weise anzuheben.

In diesem Zuge kletterte der Schlüsselzinssatz der russischen Notenbank in sieben Schritten in Folge – und zwar von ehedem 4,25 auf nunmehr 8,5 Prozent. Nichtsdestotrotz gehen aktuelle Prognosen davon aus, dass sich der inflationäre Trend auch im neuen Jahr fortsetzen und als hartnäckig erweisen wird.

Produzentenpreise heben ab!

Dies verheißt allein ein Blick auf die russischen Produzentenpreise, die über den Verlauf der letzten zwölf Monate einen Satz um fast dreißig Prozent (!) gemacht haben. Angemerkt sei an dieser Stelle, dass der eigens anvisierte Inflationszielsatz der russischen Notenbank bei gerade einmal vier Prozent pro Jahr liegt.

Lasten hohe Rohstoffpreise und eine zu stark überschießende Inflation auf der allgemeinen Kaufbereitschaft unter der russischen Bevölkerung, so sehen die Dinge aus Perspektive der Moskauer Regierung ganz anders aus.

Staatliche Steuereinnahmen sprudeln!

Denn ein extrem starker Anstieg der Rohstoffpreise im Jahr 2021, insbesondere an den Rohöl- und Gasmärkten, hat der russischen Regierung zusätzliche Steuereinnahmen in Höhe von bis zu fünfundachtzig Milliarden US-Dollar im Vergleich mit dem Vorjahr aus Verkäufen von Öl und Gas beschert.

Der Anteil der staatlichen Einnahmen aus Rohöl- und Erdgasverkäufen ist in den ersten drei Quartalen des letzten Jahres von zuvor knapp dreißig Prozent auf 34,5 Prozent geklettert. Im Gesamtjahr 2021 sollen sich diese Einnahmen laut Schätzungen auf rund 130 Milliarden US-Dollar belaufen haben.

Ausländische Währungsreserven klettern weiter

Entsprechend erfreulich haben sich auch die durch die Bank of Russia gehaltenen Positionen in ausländischen Währungsreserven entwickelt, welche von umgerechnet 588 auf knapp 623 Milliarden US-Dollar (mit Stichtag des 21. Dezember 2021) geklettert sind.

Auch die durch Russlands Staatsfonds gehaltenen Währungsreserven sind bis zum erwähnten Stichtag von ehedem umgerechnet rund 177 auf 185 Milliarden US-Dollar gestiegen. Parallel vermeldete die Moskauer Regierung in den ersten drei Quartalen des Jahres 2021 einen Budgetüberschuss von 1,62 Billionen Rubel.

Die Freude über diesen erzielten Erfolg dürfte groß gewesen sein, da noch zu Beginn des vergangenen Jahres mit einem Haushaltsdefizit in Höhe von 2,7 Billionen Rubel gerechnet wurde.

Putin kann sich Seitenhieb auf westliche Industrieländer nicht verkneifen

Sich in diesem Erfolg sonnend, dürfte westlichen Regierungen die Aussage von Präsident Wladimir Putin, laut der die westlichen Nationen ebenfalls zu Fiskaldisziplin zurückkehren sollten, aufgestoßen sein.

Es empfiehlt sich allerdings ein wenig genauer hinzusehen, wie dieser Haushaltsüberschuss zustande gekommen ist. Erstmals seit vielen Jahren hat die russische Regierung kein Geld in die Hand genommen, um einzelne Bereiche der heimischen Wirtschaft – mit Ausnahme des Bausektors – fiskalpolitisch zu unterstützen.

Ein signifikantes Wachstum im russischen Bausektor basierte im letzten Jahr insbesondere auf der Entscheidung der Moskauer Regierung, die Hypothekenzinsen an den Immobilienmärkten des Landes zu subventionieren. Hypothekendarlehensnehmer durften sich in diesem Kontext über das Einziehen einer Hypothekenzinsobergrenze von maximal 6,5 Prozent freuen.

Diese Entscheidung hat die Verkäufe an den russischen Immobilienmärkten – und allen voran in den urbanen Zentren wie Moskau oder St. Petersburg – im letzten Jahr auf eine bedeutsame Weise angefacht.

Kreditgebende Banken berichteten wiederum im nun zweiten Jahr in Folge über rekordhohe Gewinne und überstrahlten damit die Performance im Gesamtbankensektor, der unter einer wachsenden Zurückhaltung unter den russischen Verbrauchern litt. Gleichzeitig ließ die Kreml-Regierung davon ab, angesichts der hohen Inflation Renten und Pensionen anzuheben. Auch die Löhne und Gehälter unter Beschäftigten im öffentlichen Dienst wurden nicht erhöht.

Moskauer Regierung bedient sich dieses Mal keiner Gießkannenstrategie

Anstelle dessen hat die russische Regierung speziellen Teilen der Bevölkerung finanziell unter die Arme gegriffen, um beispielsweise Familien mit Kindern und Rentnern einmalig Finanzunterstützungsschecks zukommen zu lassen. Nichtsdestotrotz beliefen sich diese gewährten Subventionen auf 1,1 Billionen Rubel – und somit rund ein Prozent am BIP.

Auf der anderen Seite fiel die Inflationsanpassung unter den Empfängern eines Mindestlohns geringer aus als gesetzlich vorgesehen. Parallel wurde die Berechnung der Armutsquote im Land statistisch geändert. Diese Änderung der Berechnungsweise hatte zur Folge, dass rund 2,78 Millionen Bürger im Vergleich mit dem Jahr 2020 aus der Armutsstatistik herausfielen.

Ähnlich der Entwicklung in den westlichen Industrieländern hat sich die Schere zwischen Arm und Reich in der Russischen Föderation im vergangenen Jahr noch deutlich weiter geöffnet als dies zuvor bereits der Fall gewesen ist, was bedeutet, dass die Wohlhabenden noch bedeutend reicher geworden sind.

Schere zwischen Arm und Reich ist weltweit mit am größten

Hierzu beigetragen hat vor allem ein starker Anstieg der Rohstoffpreise. Von dieser Situation hat neben einzelnen Oligarchen auch die Moskauer Regierung in hohem Maße profitiert, weil die Unternehmensgewinne sprudelten und die Steuereinnahmen der Regierung – vornehmlich aus Zöllen – abhoben.

Im Gegensatz hierzu bekamen die Ottonormalbürger des Landes die in fast allen Bereichen der heimischen Wirtschaft anziehenden Preise schmerzhaft zu spüren. Allen voran Russlands Lebensmittelpreise verteuerten sich im Jahresvergleich um prozentual zweistellige Zuwachsraten.

Entgegen ähnlichen Entwicklungen in der Vergangenheit haben sich sowohl die Moskauer Staatsführung als auch die einzelnen Regionalregierungen dieses Mal gegen eine Erhöhung der staatlichen Wohlfahrtsausgaben entschieden. Die Resultate sind unübersehbar.

Sechzig Prozent des Vermögens in Händen von nur einem Prozent an der Gesellschaftsspitze

Russland blickt im Weltmaßstab auf eine der geringsten Verteilungsgerechtigkeit der finanziellen Vermögen. Jüngste Statistiken zeigen, dass rund sechzig Prozent des nationalen Vermögens durch das oberste ein Prozent an der Gesellschaftsspitze kontrolliert werden. In den USA liegt dieser Wert trotz exponentieller Zuwächse in den vergangenen beiden Jahren bei etwa dreißig Prozent.

Einen großen Anteil hieran dürfte auch die zuletzt gute Entwicklung der russischen Aktien- und Vermögensmärkte gehabt haben, während die frei verfügbaren Realeinkommen unter den Ottonormalverbrauchern aufgrund der hohen Inflation stagnierten.

Russlands Finanzmärkte blickten zuletzt auf eine gute Performance

Russlands Aktienmarkt-Leitbarometer MOEX konnte im vergangenen Jahr um 11,4 Prozent zulegen. Bis zum Erreichen der Höchststände im Oktober vergangenen Jahres beliefen sich die Zugewinne gar auf bis zu dreißig Prozent.

Gleichzeitig legten die durchschnittlichen Immobilienpreise in der Hauptstadt Moskau um mehr als 25 Prozent im Wert zu. Unter den reichsten Bürgern des Landes hatte die erfreuliche Entwicklung an den Vermögensmärkten einen Wohlstandszuwachs von rund 65 Milliarden US-Dollar zur Folge. Aktuell befinden sich im Bloomberg Billionaires Index insgesamt 27 russische Staatsbürger.

Gazprom füllt die staatlichen Steuerkassen

Dass die Moskauer Regierung sich ihrerseits über einen stattlichen Haushaltsüberschuss freuen durfte, lag vornehmlich an der führenden Marktstellung des Gasriesen Gazprom, der im letzten Jahr mehr als zwei Billionen Rubel in Form von Steuern an den Staat abführte.

Die seit Herbst vergangenen Jahres anhaltende Gaskrise auf dem europäischen Kontinent hat Gazprom im Gesamtjahr 2021 Rekordprofite beschert. Ins Auge fällt, dass die Moskauer Regierung angesichts der hohen Inflation im Land partiell auf einen Pfad der Austerität eingeschwenkt zu sein scheint.

Einerseits zeigt sich dies anhand der Tatsache, dass die Wohlfahrtsausgaben trotz wachsender finanzieller und wirtschaftlicher Not unter weiten Teilen der Bevölkerung dieses Mal nicht ausgeweitet wurden. Andererseits bekämpft die Bank of Russia die hartnäckig hohe Inflation mittels anhaltender Zinsanhebungen, die sich dämpfend auf die Wirtschaft und den Konsum auswirken.

Rubel gegenüber US-Dollar unter Abgabedruck

Abschließend soll noch ein Blick an die internationalen Währungsmärkte geworfen werden. Die sich zwischen der Russischen Föderation und den Vereinigten Staaten stark ausweitende Zinsschere sollte unter normalen Umständen davon ausgehen lassen, dass der Rubel gegenüber dem US-Dollar im Außenwert zulegen würde.

Doch unter Berücksichtigung der geopolitischen Entwicklung und dem sich intensivierenden Konflikt zwischen der NATO und Russland auf der einen sowie Russland und der Ukraine auf der anderen Seite ist der Rubel gegenüber dem US-Dollar zuletzt unter Abgabedruck geraten.

Trotz der im Vergleich mit den USA besseren Fundamentaldatenlage meiden viele Händler den Rubel zurzeit, woran sich ein merklich nachlassender Risikoappetit ablesen lässt. So ist der Rubel gegenüber dem US-Dollar im gestrigen Handel auf ein 14-Monats-Tief gesunken. Dem nachfolgenden Chart ist der jüngste Verlauf des Währungspaares USD/RUB(EL) zu entnehmen.

 

 

Es stellt sich die Frage, ob es dem USD nach der jüngst zu beobachtenden Rally gelingen wird, im ersten Anlauf nach oben auszubrechen oder ob es erst einmal zu einem Rücklauf bis auf die Unterstützung im Bereich von siebzig Rubel pro US-Dollar kommen mag.

Wie dem auch sei, momentan spricht einiges für den Slogan The Trend Is Your Friend, was im Fall eines Ausbruchs mit neuen Rekordhochs des US-Dollars gegenüber dem russischen Rubel einhergehen könnte.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Die erfreuliche Budget- und Haushaltslage des Staates leitet sich zumindest partiell anhand von ausbleibenden Subventionen zugunsten von Verbrauchern und Pensionären ab.

Angesichts dieser Tatsache muss die Moskauer Regierung darauf achtgeben, dass sich die Unzufriedenheit mit der Situation an der Inflationsfront nicht unter zunehmenden Teilen der Bevölkerung wie ein Lauffeuer ausbreitet.

Denn eine wachsende Unzufriedenheit könnte durchaus durch ausländische Interventionisten in dem Versuch ausgeschlachtet werden, die innenpolitische Stabilität in der Russischen Föderation ins Wanken zu bringen.

Gewiss benötigt die Moskauer Regierung Geld, da die Weichen außenpolitisch und mit Blick auf die Ukraine und die NATO momentan auf Konfrontation stehen. Sollte die Inflation nicht möglichst bald unter Kontrolle gebracht werden, dürfte es aus Sicht der Moskauer Regierung ein zunehmender Drahtseilakt werden, die Wirtschaftsnöte (unter der Bevölkerung) mit den außenpolitischen Erforderlichkeiten zu versöhnen.

Die Kremlführung dürfte mittlerweile über einen ausreichenden Erfahrungsschatz verfügen, um diese Herausforderung zu meistern, da es innenpolitisch in der Vergangenheit schon bei Weitem schlechter aussah, und sich der außenpolitische Konflikt mit der Ukraine nun seit dem Jahr 2014 zuspitzt.

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"