Rückblickend auf die vergangene Woche erfolgte ein Blick auf die Verschuldungssituation unter Lokalregierungen, Unternehmen und privaten Verbrauchern in der Volksrepublik China. Einerseits sind es die Häusermärkte, welche die Finanzsituation unter staatlichen Institutionen angesichts des sich in diesem Segment fortsetzenden Abschwungs unter Druck setzen.

Andererseits sind es teils akrobatische Finanzierungsmaßnahmen, die Chinas Anleihemärkte aufgrund einer hohen Systemintransparenz (Stichwort: Schattenbankensektor) in den letzten Monaten vermehrt unter Druck gesetzt haben.

Dass in den in der Volksrepublik China existierenden Notfallmaßnahmenplänen ein Bailout-Verbot zugunsten von Lokalregierungen existierte, scheint aus momentaner Sicht niemanden mehr zu stören. Zu groß scheint die finanzielle Not inzwischen zu sein.

Neues Umschuldungsprogramm steckt noch in seinen Kinderschuhen

Mitte letzter Woche wurde verkündet, dass die Pekinger Regierung einem neuen Programm den eigenen Segen erteilt habe, um hoch überschuldeten Lokalregierungen einen Schulden-Swap zu ermöglichen.

Hierbei handelt es sich insbesondere um bislang nicht offiziell ausgewiesene oder versteckte Schulden, die jetzt plötzlich gegen Anleihen eingetauscht werden sollen, welche mit einem niedrigeren Zinssatz versehen sein werden.

Der Betrag, um den es sich handelt, beläuft sich auf umgerechnet rund zehn Milliarden US-Dollar, was sich unter Bezugnahme auf die letztwöchige Berichterstattung – und zumindest für den Moment – noch recht bescheiden ausnimmt.

Wenn bestehende und intransparente Finanzrisiken auf diese Weise adressiert werden sollen, wird es sich mit Blick auf das neu aufgelegte Programm erst um den Anfang handeln.

So hieß es in der letzten Woche, dass die Provinz Innere Mongolei insgesamt drei sogenannte „Refinanzierungsbonds“ in einem Gesamtvolumen von umgerechnet 12,5 Milliarden US-Dollar emittieren wird, um sich (-zins)finanzielle Erleichterung zu verschaffen.

Die Laufzeiten der jeweiligen Bondtranchen werden sich auf einen Zeitraum von zwischen drei und sieben Jahren belaufen. Das staatliche Medium Shanghai Security News bezog sich in diesem Kontext auf eingesehene Regierungsdokumente.

Provinzregierungen wird grünes Licht zur Neuverschuldung erteilt

Zuvor wurde bereits berichtet, dass die Pekinger Zentralregierung es Provinzregierungen gestatten wird, sich bis zu einer Billion Yuan (Renminbi) an frischen Geldern durch neue Anleiheverkäufe zu beschaffen.

Diese potenziellen Erträge sollen dann wiederum verwendet werden, um ausstehende Schulden unter Finanzierungsvehikeln von Lokalregierungen wie auch andere – und bislang bilanziell nicht offiziell ausgewiesene – Staatsschulden zurück zu bezahlen.

Wenn sich womöglich auch nicht offiziell von einem Bailout sprechen lässt, so wird doch deutlich, dass die Pekinger Zentralregierung diesem neuen Programm ihren Segen erteilt hat.

Ergo lässt sich davon ausgehen, dass Peking die hiermit verbundenen Schulden im Ernstfall wohl auch garantieren würde. An den globalen Finanzmärkten wird die aktuelle Situation in der Volksrepublik China vielerorts auf die simpelste aller Weisen betrachtet.

Danach ließe sich damit rechnen, dass diesjährige Bondrefinanzierungsemissionen erst an ihrem Anfang stünden. Heißt also, dass im Verlauf der nächsten Monate erwartungsgemäß mit einer beständig höheren Anzahl an neuen Bondemissionen unter Provinzregierungen zu rechnen sein wird.

Zwar wird das neue Programm dabei helfen, die Zinslasten und Finanzrisiken unter manchen hoch überschuldeten Lokalregierungen zu verringern. Es dreht sich jedoch bei Licht besehen wieder einmal nur alles darum, das enorme Verschuldungs- und Ponzisystem an Chinas Finanzmärkten aufrecht zu erhalten.

Chinas Wirtschaft wird ausgebremst

Selbstverständlich stößt das neu angekündigte Programm an den internationalen Finanz- und Kapitalmärkten auf reges Interesse. Denn der beständig wachsende Zinsdienst unter Chinas Lokalregierungen wirkt sich neben deren rückläufigen Einnahmen aus Immobiliensteuern, staatlichen Landverkäufen und Gebühren mittlerweile bremsend auf die ökonomische Entwicklung des Landes aus.

Denn viele Lokalregierungen können sich angesichts der aktuellen Situation keine stimulierenden Fiskalmaßnahmen mehr erlauben. Dies hat wiederum zu einer beständigen Abschwächung des chinesischen Wirtschaftswachstums beigetragen.

Erwähnt sei hier noch einmal, dass die Ratingagentur S&P Global ihre eigene Prognose für das chinesische Wirtschaftswachstum für das laufende Jahr von ehedem 5,2 Prozent auf nur noch 4,8 Prozent reduziert hat.

Umso stärker sich das Wirtschaftswachstum in der Volksrepublik China abschwächt, desto mehr nehmen auch die Ausfallrisiken an den heimischen Anleihemärkten zu. Dies betrifft sowohl durch Lokalregierungen kontrollierte Finanzierungsvehikel wie auch einstmals durch Provinzregierungen aufgenommene Schulden.

Umschuldungen sollen in kürzester Zeit stattfinden

Dass die allgemeine Finanzstabilität in der Volksrepublik China auf diese Weise in Gefahr zu geraten droht, versteht sich von selbst. Die Pekinger Zentralregierung fordert stark unter Finanzdruck stehende Lokalregierungen und Regionen aus diesem Grund dazu auf, möglichst schnell aktiv zu werden, um von dem neuen Umschuldungsprogramm Gebrauch zu machen.

Allzu lange werden sich Lokalregierungen hierzu wohl nicht bitten lassen müssen. Letzten Endes handelt es sich nur um einen weiteren Strohhalm, an welchem sich hoch überschuldete Staatsemittenten hochrangeln sollen, um wieder Grund unter die eigenen Füße zu bekommen.

Inzwischen wird ersichtlich, dass sich nicht alle staatlich aufgelegten Infrastrukturprojekte und die hiermit in Verbindung stehenden Ertragshoffnungen erfüllt haben. Vielmehr wird ersichtlich, dass es in vielerlei Bereichen in den letzten Jahren zu einer enormen Anhäufung von Fehlinvestitionen gekommen ist.

Laut Schätzungen des Internationalen Währungsfonds haben die durch Lokalregierungen kontrollierten Finanzierungsvehikel Gesamtschulden in einer Höhe von umgerechnet 9,1 Billionen US-Dollar ausstehen.

Hieran zeigt sich, dass es sich in Bezug auf die jüngst verkündeten Umschuldungsmaßnahmen gerade mal um einen Tropfen auf den heißen Stein handelt. Das Pekinger Finanzministerium hat die betroffenen Regionen offiziell über die erteilte Erlaubnis zur „Refinanzierung“ von ausstehenden Anleihen informiert und ins Bild gesetzt.

Einzelnen Regionen sollen in Relation zu deren ausstehenden Schulden Quoten zuteil werden, um sich mittels einer Emission von neuen „Refinanzierungsanleihen“ finanziell mit dem Kopf über Wasser zu halten.

Sorgen vor einer Kettenreaktion an Chinas Kommunalbondmärkten machen sich breit

Dass inzwischen seitens der Pekinger Zentralregierung auf die zunehmenden Finanzprobleme unter Lokalregierungen reagiert worden ist, macht nicht alle Finanzmarktakteure glücklich. Mancherorts heißt es nämlich, dass sich diese offiziell ergriffenen Maßnahmen als Eingeständnis in Bezug auf eine sich verschlechternde Situation im Land interpretiert werden ließen.

Schon seit einiger Zeit gehen an den internationalen Bondmärkten Bedenken um, wonach eine möglicherweise einsetzende Kettenreaktion im Kommunalanleihebereich den chinesischen Finanzmarkt aus den Angeln heben könnte.

Käme es zum Ausbruch einer Finanzkrise im Reich der Mitte, würde das Wachstum der heimischen Wirtschaft noch stärker zurückgehen, womöglich sogar schrumpfen. Wie sich eine solche Situation auf den Rest der globalen Wirtschaft auswirken würde, werden sich die meisten wahrscheinlich selbst ausmalen können.

Wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Bezugnahme auf politische Berater der Pekinger Regierung und verschiedene Volkswirte berichtete, könnten die zurzeit ergriffenen Maßnahmen neben Schulden-Swaps unter Umständen auch eine potenzielle Emission von neuen Schuldenbonds durch die Pekinger Zentralregierung vorsehen, um hoch überschuldeten Lokalregierungen finanziell zur Hilfe zu eilen.

Sollte es tatsächlich zu einer solchen Entwicklung kommen, würde das bislang bestehende Bailout-Verbot somit auch offiziell und vollends aus dem Fenster fliegen. Wie könnte es auch anders sein, wenn bedacht wird, dass das nun verkündete Umschuldungsprogramm gerade mal einem prozentualen Anteil von 1,5 Prozent in Relation zu allen ausstehenden Schulden unter jenen durch Lokalregierungen kontrollierten Finanzierungsvehikeln entspricht?!

Einst wurden diese Instrumente ins Leben gerufen, um das Wirtschaftswachstum in Chinas Regionen anzukurbeln. Aus heutiger Sicht erweckt es den Eindruck, als ob diese Instrumente ausgereizt worden sind.

Welche anderen Bereiche, wenn nicht die Infrastruktur, könnten Chinas Wirtschaftswachstum wieder ankurbeln?

Es sind nicht nur die wachsenden Zinsobligationen, sondern auch die gleichzeitig sinkenden Erträge, die dafür sorgen, dass unter kommunalen und regionalen Finanzierungsvehikeln der Druck im Kessel ansteigt.

Mancherorts wird schon seit geraumer Zeit davor gewarnt, dass sich diese Instrumente in ein „schwarzes Loch“ an den chinesischen Finanzmärkten verwandeln könnten. Ob sich die allgemeine Finanzstabilität im Reich der Mitte wird aufrechterhalten lassen, falls es in diesem Sektor zum Ausbruch einer Krise kommen sollte, steht in den Sternen.

Zumal sich die Frage danach stellt, welcher wirtschaftliche Bereich das Wachstum in der Volksrepublik China auf eine ebensolche Weise ankurbeln könnte wie der Infrastruktursektor. Wie dem auch sei, so wird Lokalregierungen nun die Möglichkeit eingeräumt, neue Anleihen zu emittieren, die mit einem Zins von rund drei Prozent ausgestattet sein werden.

Die hiermit verbundenen Einnahmen werden wiederum in eine Begleichung von Anleihen fließen, die einst durch Lokalregierungen kontrollierte Finanzierungsvehikel an den Markt gebracht haben. Diese Bonds sahen sich in vielen Fällen mit Zinssätzen von zwischen sieben und 10 Prozent ausgestattet.

Schon zwischen den Jahren 2015 und 2018 war es zur Emission von rund 12 Billionen Yuan (Renminbi) seitens chinesischer Lokalregierungen gekommen, um diese generierten Erträge zu einer Begleichung von außerbilanziellen Verbindlichkeiten zu nutzen.

Seitdem ist geschehen, was zu erwarten stand. Die ausstehenden Schulden sind einfach weiter in die Höhe geschossen. Im vergangenen Jahr belief sich die (offizielle) Verschuldung unter Lokalregierungen auf 76 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt. Im Jahr 2019 hatte dieser Wert noch bei rund 62 Prozent gelegen.

An Chinas Börsenplätzen hat bislang kein lokalstaatliches Finanzierungsvehikel einen Schuldenausfall erklärt. Was Investoren und Analysten jedoch gleichermaßen Sorgen bereitet, ist die Tatsache, dass es im intransparenten Schattenbankensystem zu einem rapiden Anstieg dieser Zahlungsausfälle gekommen ist.

Insbesondere Staatsbanken sehen sich erhöhten Kreditrisiken ausgesetzt, weil diese Firmen die größten Darlehensgeber im Land sind. Aus diesem Grund wird bereits darüber spekuliert, ob es nicht staatliche und kommerzielle Geschäftsbanken sein werden, die den größten Teil einer möglicherweise bevorstehenden Schuldenrestrukturierung im Lokalregierungsbereich zu schultern haben werden.

Da sich auch immer mehr große Bauprojektentwicklungsfirmen im Reich der Mitte unter einem wachsenden Finanzdruck befinden, lässt sich eine solche Entwicklung keineswegs ausschließen.

Die Lage an den chinesischen Immobilienmärkten zwingt mittlerweile eine zunehmende Anzahl an Bauprojektentwicklungsfirmen in Zahlungsausfälle. Dass staatliche Landverkäufe zuletzt massiv in den Keller gerauscht sind, macht die Dinge nicht besser. Denn es mangelt unter Lokalregierungen schlichtweg an Geld, um den eigenen Betrieb aufrechtzuerhalten.

In einem Bericht der Financial Times hieß es zuletzt, dass chinesische Kreditinvestoren gerade Anleihen der am stärksten verschuldeten Provinzen des Landes ankauften. Denn die Hoffnung an den lokalen Finanzmärkten scheint nach den jüngsten Ankündigungen zu wachsen, wonach die Pekinger Zentralregierung sich einer Säuberung der Bilanzen unter Lokal- und Provinzregierungen annehmen wird.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus nimmt unter anderem Bezug auf einen Analysebericht der Rabobank.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Wie kaum anders zu erwarten, spitzen sich die Finanzprobleme in der Volksrepublik China zu. Ein Ponzi-System lässt sich nun einmal nicht bis in alle Ewigkeit aufrechterhalten. Selbiges lässt sich übrigens auch über die USA sagen, die finanziell auf ähnliche Weise – wenn nicht noch stärker – mit dem Rücken zur Wand stehen.

Alle Welt hat sich in enorme Schuldenberge gestürzt, um am Ende darauf zu hoffen, dass es nicht zur Erklärung von Zahlungsausfällen kommen wird. Doch eine solche Logik entspricht der Quadratur des Kreises.

Mittlerweile scheint diese einfache Erkenntnis unter wachsenden Bevölkerungsteilen erkannt zu werden. Ob und wie sich ein Sturz von der Finanzklippe verhindern lässt, steht dabei in den Sternen.

Doch wozu gibt es Staatsregierungen, die sich bestimmt etwas einfallen lassen werden, um uns und den Planeten zu retten? – Und zwar vor Problemen, die sie selbst mit initiiert haben.

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"