Wie sehr an den Finanzmärkten auf eine einvernehmliche Einigung zwischen den USA und China im Handelskrieg und eine baldige Beilegung dieses Konflikts gehofft worden ist, zeigt allein die Tatsache, dass die Prognosen unter den meisten Analysten seit Jahresbeginn mit einem Wiederanziehen der globalen Wirtschaft ab dem zweiten Halbjahr rechneten.

Daten globaler Handelsströme wurden von Hoffnung verblendet ignoriert

Es stellt sich die Frage, wie die beispielsweise seitens des World Trade Monitors Monat um Monat eingehenden Daten zum globalen Handel auf derart sträfliche Weise ignoriert werden konnten. Denn diese Daten zeugten davon, wie ich Ihnen zuletzt wiederholt berichtete, von einer bereits aktivierten Rezession im Sektor der globalen Handelsströme.

Dass der Handelskrieg zwischen Washington und China seit Ende letzter Woche eskaliert, macht die Dinge gewiss nicht einfacher. Ganz im Gegenteil scheinen viele Investoren erst jetzt ein aufmerksames Auge auf den massiven Einbruch der globalen Handelsvolumina zu werfen. Immerhin, besser spät als nie.

    

    

Bei Bloomberg hieß es gestern, dass es in der globalen Wirtschaft im zweiten Halbjahr auf Basis der aktuell eingehenden Daten nicht zu der erhofften Trendwende kommen wird. Sollte der Handelskrieg sich zusätzlich verschärfen, müsse gar das Anhalten der Expansion einer seit rund einer Dekade wachsenden Weltwirtschaft in Frage gestellt werden.

Die Realität bricht sich langsam Bahn – Trendwende in 2. Halbjahr abgeblasen

Dabei wurde das R-Wort, das so ungern unter Notenbankern, Analysten und Ökonomen in den Mund genommen wird, noch nicht explizit genannt. Bei der amerikanischen Großbank Morgan Stanley wurde in dasselbe Horn geblasen. Allenthalben erwiesen sich die Hoffnungen auf eine Trendwende im 2. Halbjahr unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen im globalen Handel als nichts anderes als eine Schimäre.

Der zwischen den Vereinigten Staaten und China eskalierende Zollstreit werde sich, so die Ansicht bei Morgan Stanley, insbesondere auf das Vertrauen und die Stimmung im Firmen- und Unternehmenssektor in beiden Nationen negativ auswirken. Schließlich trägt der sich verschärfende Handelskonflikt dazu bei, die Unsicherheit in den Wirtschaften beiderseits des Pazifiks nochmals enorm anwachsen zu lassen.

Globaler Handelseinbruch schlägt sich nicht nur in China, sondern auch in Dubai, Singapur und Südkorea nieder

Und nicht nur dort. Wichtige Schlüsselgeschäftszentren wie die Vereinigten Arabischen Emirate, und hier allen voran Dubai, Singapur oder Südkorea haben den Einbruch im globalen Handel inzwischen bereits auf die verschiedensten Art und Weisen schmerzhaft zu spüren bekommen.

Auch die aus China eingehenden Konjunkturdaten weisen inzwischen wieder darauf hin, dass sich die heimische Wirtschaft dort nach wie vor in einem Abkühlungsprozess befindet. Noch vor Kurzem hatten Analysten zuvor eingehende Wirtschaftsdaten aus dem Reich der Mitte als „Blockbuster“ betitelt, in der Hoffnung, dass Chinas Wirtschaft langsam aber sicher Boden unter den Füßen finden würde, um zu einem baldigen Turnaround anzusetzen.

Hoffnungen dieser Art haben in den vergangenen zwei bis drei Tagen jedoch einen massiven Dämpfer erhalten, nachdem die Einzelhandelsabsätze, die Industrieproduktion und die Investitionen im Reich der Mitte im Monat April allesamt die Konsensschätzungen unter Analysten und Ökonomen verfehlten und unterboten. Die Fahrzeugabsätze brachen in China im April um 16,6% ein – und nun bereits den elften Monat in Folge.

GDPNow: US-Wachstum in Q2 bleibt auch hinter den Erwartungen zurück

Ähnliche Beobachtungen ließen sich in den Vereinigten Staaten machen, wo die Verkäufe im Einzelhandel im Monat April „überraschenderweise“ sanken, während der Industrieausstoß in drei der letzten vier Monate gesunken ist. Heute gab die Fed of Atlanta auf Basis ihres BIP-Berechnungsmodells GDPNow bekannt, dass die US-Wirtschaft im 2. Quartal wohl nicht wie zuvor erwartet um 1,6%, sondern nur um 1,1% gewachsen sein wird. 

Ein Prozent der Weltwirtschaftsaktivitäten im Feuer; Schlüssellieferketten bedroht

Aus einer neuen Bloomberg-Studie geht hervor, dass rund ein Prozent der Weltwirtschaftsaktivitäten (sowohl Waren als auch Dienstleistungen) aufgrund des eskalierenden Handelskriegs zwischen den USA und China auf dem Spiel stehen. Danach werden aktuell rund vier Prozent des chinesischen Industrieausstoßes in die USA verschifft.

Da Chinas Industrieproduzenten deshalb mit auf die härteste Weise getroffen werden, lässt sich damit rechnen, dass Schlüssellieferketten, die zwischen China und Taiwan sowie China und Südkorea bestehen, hohen Risiken ausgesetzt sind. Und wie eingangs erwähnt, können wir diese Risiken und Gefahren schon jetzt anhand der unter anderem aus Südkorea eingehenden Wirtschaftsdaten ablesen.

Augen auf: Der Abschwung hat bereits begonnen!

Auf der anderen Seite gehen momentan 5,1% aller in den USA produzierten Agrargüter und 3,1% der in den USA hergestellten Industriegüter nach China. Noch. Wie in vorherigen Berichten zu diesem Thema ausgeführt, warnt das US-Landwirtschaftsministerium davor, dass weitere 7,5 Millionen metrische Tonnen an für dieses Jahr aus den USA vorgesehenen Sojaeinfuhren durch chinesische Importeure storniert werden könnten.

James Bevan, Chefinvestmentstratege bei CCLA Investment Management kommt denn auch zu dem Schluss, dass sich die Weltwirtschaft nun schon seit einiger Zeit in einem ernsthaften Abschwung befindet. Die Leute müssten endlich aufwachen und einen aufmerksamen Blick auf die Handelsdaten werfen, so sein Fazit. Doch was will man von liquiditätsbesoffenen Investoren und Spekulanten im aktuellen Umfeld schon großartig erwarten?!

Schließlich möchte niemand den party pooper geben. Bei BMO Nesbitt hat man sich den Spaß gemacht, einmal die aktuellen Handelsströme und die Veränderungen im globalen Handel auf Jahresbasis zu visualisieren. Die in den Chart inkludierten Daten basieren dabei allesamt auf Statistiken des Internationalen Währungsfonds zur Entwicklung des globalen Handels.

   

   

Auf Krisenniveau: Exporte schon vor Eskalation explodiert!

Das Ergebnis ist mehr als ernüchternd, da der Chart auf einen Kollaps der allgemeinen Exporte in der Welt (schwächster Wert seit dem Finanzkrisenjahr 2009), Exporte in die Industrieländer (schwächster Wert seit dem Finanzkrisenjahr 2009) und Exporte in die Europäische Union (aktueller Wert fast auf Niveau des Finanzkrisenjahrs 2009) hindeutet.

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass der globale Handel bereits vor der jüngsten Ankündigung zur Verschärfung des Handelskriegs zwischen den Vereinigten Staaten und China zusammengeklappt ist. Im Lauf der letzten Monate hatte ich Ihnen die Daten des World Trade Monitor aufbereitet, die auf dieselbe Entwicklung hindeuteten.

Und da wir bezüglich des globalen Handels schon zum jetzigen Zeitpunkt auf Niveaus angekommen sind, die sich letztmals während der globalen Finanzkrise beobachten ließen, stellt sich automatisch die Frage, wie es erst in den nächsten Monaten nach der jüngsten Eskalation im Handelskrieg zwischen den USA und China aussehen wird.

Wall Street blendet die Entwicklung noch aus…

Tja, „Handelskriege sind leicht zu gewinnen“. Ein Satz, der Donald Trump mit Blick auf die im kommenden Jahr abzuhaltenden Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten noch wie ein Kloß im Hals stecken bleiben könnte. Laut BMO Nesbitt mache sich die aktuelle Situation im Besonderen anhand des immensen Exportrückgangs in der Welt bemerkbar.

Noch scheint dies an den Wall Street kaum jemanden zu interessieren. Aber aus der Historie wissen wir nur zu gut, dass Zeichen und Wunder geschehen. Auch wenn sich darauf mitunter sehr lange warten lassen muss…

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