Ende letzten Jahres erweckte es noch den Eindruck, als würden sich die Mitglieder des OPEC+-Kartells über eine Anpassung ihrer internen Förderquoten einig werden. Innerhalb der Organisation scheint es jedoch weiter zu rumoren.

Hierin mag sich einer der Gründe finden, warum die internationalen Erdölpreise bislang nicht auf eine deutliche Verschlechterung der geopolitischen Lage reagiert haben. Es sind vor allem die afrikanischen Mitglieder des Kartells, die mit den aktuell bestehenden Förderquoten nicht mehr einverstanden zu sein scheinen.

Rufe nach Flexibilisierung werden lauter

Beispielsweise sprachen sich Nigeria und Angola nun schon seit einiger Zeit dafür aus, die jedem Mitgliedsland individuell zugewiesenen Förderquoten flexibler zu gestalten, um zu jedem erdenklichen Zeitpunkt auf bestimmte Geschehnisse reagieren zu können.

Ferner fällt es kleineren Kartellmitgliedern augenscheinlich zusehends schwerer, sich gegen die Interessen von tonangebenden OPEC+-Ländern wie Saudi-Arabien oder der Russischen Föderation durchzusetzen.

Von Interesse ist, dass sowohl Nigeria als auch Angola Mitte letzten Jahres noch dazu bereit waren, einer Kürzung ihrer individuellen Förderquoten zuzustimmen, nachdem jene beiden Nationen zugewiesenen Förderquoten zuvor nicht erreicht beziehungsweise erfüllt wurden.

Neben Nigeria und Angola hatte daraufhin auch die Demokratische Republik Kongo einer nochmaligen Kürzung ihrer jeweils zugeteilten Förderquoten für das Jahr 2024 zugestimmt. Als Hauptgrund für die mangelhafte Performance und die Nichterfüllung von Förderquoten unter afrikanischen OPEC+-Mitgliedern werden in die Jahre gekommene Ölfelder wie auch ein drastischer Investitionsmangel genannt.

Es war allen voran Saudi-Arabien, dessen politische Führung den Mangel an Disziplin unter den erwähnten afrikanischen Kartellmitgliedern mit recht deutlichen Worten kritisierte. Grund hierfür war, dass Saudi-Arabien diesen Mangel an Disziplin mittels seiner eigenen Förderung ausgleichen musste, um die übergeordnete Ziele der Organisation zu erreichen.

Vielerorts wurde damit gerechnet, dass Saudi-Arabien seine freiwillig verkündete Kürzung der eigenen Erdölförderung um eine Million Fass pro Tag bis ins laufende Jahr hinein trotz allem aufrechterhalten wird, um sich einem möglicherweise länger anhaltenden Rückgang der Erdölpreise unter die Marke von achtzig US-Dollar entgegen zu stemmen.

Hinzu gesellt sich die Tatsache, dass sich das erste Quartal aus historischer Perspektive als nachfrageärmstes des gesamten Jahres erweist. Aus diesem Grund wollten Rohstoffanalysten vor dem Jahreswechsel nicht einmal ausschließen, dass es demnächst unter Umständen zur Verkündung einer noch größeren Förderkürzung durch die Organisation OPEC+ kommen könnte.

Angola gibt Austritt aus Organisation OPEC+ bekannt

Wie dem auch sei, so hatte der südwestafrikanische Staat Angola kurz vor Weihnachten den eigenen Austritt aus der Organisation OPEC+ angekündigt. An den Finanzmärkten rief diese Entscheidung keine große Überraschung hervor, weil sich die Zwistigkeiten und Dispute innerhalb der Organisation OPEC+ zuletzt spürbar verschärft haben.

In der Erdölbranche wird Angola nicht selten als „Tankstelle der Volksrepublik China“ bezeichnet. Auf den verkündeten Austritt Angolas aus der Organisation OPEC+ zurück kommend, war es die angolanische Nachrichtenagentur ANGOP, die in ihrer eigenen Berichterstattung Bezug auf getätigte Aussagen von Erdölminister de Azevedo genommen hatte.

Hieran zeigt sich, dass die bestehenden Dispute innerhalb des OPEC+-Kartells nicht gelöst werden konnten. Auch Nigeria befindet sich mit tonangebenden Mitgliedern der Organisation unter Bezugnahme auf manche Medienberichte nach wie vor in einem sich verschärfenden Interessenkonflikt.

Ende November letzten Jahres hatte die angolanische Regierung noch verlautbart, keinen Austritt der Organisation OPEC+ in Erwägung zu ziehen. Wie schnell sich die Dinge ändern können, zeigt die aktuelle Entwicklung.

Nachdem der zweitgrößte Erdölproduzent auf dem afrikanischen Kontinent der Organisation OPEC+ jetzt von der Stange geht, ist vielerorts automatisch die Frage aufgekommen, ob und wann es zur Verkündung einer ähnlichen Entscheidung in Nigeria kommen könnte.

Angola trat dem OPEC-Kartell im Jahr 2007 bei. Laut aktuellen Schätzungen verfügt das Land über Erdölressourcen in Höhe von neun Milliarden Fass sowie bestätigte Gasressourcen in einem Äquivalent von mehr als elf Billionen Kubikmetern.

Nichts deutet auf eine Entspannung der Situation rund um das Bab el Mandeb hin

Die Erdölpreise hatten trotz der sich aufgrund der anhaltenden Drohnen- und Raketenangriffe aus dem Jemen verschlechternden Lage im Nordwesten des Indischen Ozeans und des Roten Meeres auf den Rückzug Angolas aus der Organisation OPEC+ zuletzt mittels Preisabgaben reagiert.

Nichtsdestotrotz bleibt die rund die Straße des Bab el Mandeb vorherrschende Situation aufmerksam zu beobachten. Denn inzwischen sind es nicht mehr nur die Betreiber von Frachttransport- und Containerschiffen, die das Risiko einer Passage durch das Rote Meer nicht mehr auf sich nehmen wollen.

Auch der Erdölriese British Petroleum (BP) hatte vor Silvester angekündigt, bis auf Weiteres keine eigenen Schiffe mehr durch das Rote Meer zu schicken. Dass nun auch Erdölkonzerne die wachsenden Risiken und Gefahren einer Passage durch die Region nicht mehr eingehen möchten, könnte den internationalen Erdölpreisen demnächst wieder Auftrieb verleihen.

Seitens BP hieß es zu den derzeitigen Entwicklungen, dass die Sicherheit der in Diensten des Konzerns stehenden Mitarbeiter Vorrang vor anderen Überlegungen habe. Unter Analysten wird damit gerechnet, dass Erdöl in Regionen rund um das Mittelmeer und in Europa teurer werden wird.

Die Straße des Bab el Mandeb ist eine der Hauptverbindungen zwischen Europa / dem Nahen Osten und Asien. Ein Anteil von gut zwölf Prozent des globalen Handels geht durch dieses Nadelöhr, während etwa dreißig Prozent aller im Einsatz befindlichen Containerschiffe diesen Verbindungsweg nutzen.

Nach BP hatte auch der Konzern Evergreen Line mitgeteilt, auf Schiffspassagen durch das Rote Meer vorerst verzichten zu wollen. Auch das Unternehmen Mediterranean Shipping Company, der weltgrößte Schiffsfrachttransporteur, wartete jüngst mit der gleichen Meldung auf.

Russische Schiffe bislang kaum betroffen

Mittlerweile beginnt sich abzuzeichnen, dass es fast ausschließlich Israel und dem Westen zuzuordnende Schiffe sind, die aus dem Jemen heraus mit Drohnen und Raketen beschossen werden. Dem entgegen scheinen beispielsweise russische Erdöltanker immun gegen einen solchen Beschuss zu sein.

So wird darüber berichtet, dass hauptsächlich mit Erdöl beladene Tanker der Russischen Föderation keine Scheu hätten, aus dem Schwarzen Meer über das Mittelmeer kommend den Suez-Kanal in Richtung des Bab el Mandeb mit den Zielen Indien und China zu durchfahren.

Bis zu diesem Zeitpunkt ist es wohl auch noch nicht zum Beschuss eines russischen Schiffes gekommen. Grund hierfür dürfte die strategische Partnerschaft zwischen dem Iran und der Russischen Föderation sein.

Die aus dem Jemen heraus operierenden Huthis werden als Verbündete und Stellvertreter der Teheraner Regierung betrachtet. Der nach Verhängung der westlichen Sanktionen verkündete Betrieb einer eigenen Tankerflotte hat ferner zum Ergebnis, dass die Schiffe der Russischen Föderation über keine Verbindungen zu Israel verfügen.

Russland scheint die Durchquerung des Roten Meeres mit eigenen Tankern auf dem Weg nach Indien und China zurzeit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten, die nun teils deutlich längere Fahrt- und Transportzeiten in Kauf nehmen müssen, zu verschaffen.

Wahrscheinlich „aus Versehen“ fiel kürzlich mit der MV Sai Baba auch erstmals ein der Russischen Föderation zuzurechnender Tanker einem Angriff aus dem Jemen zum Opfer. Falls sich die Herkunft eines Schiffes nicht feststellen lässt, drohen also auch russische Transportschiffe den willkürlichen Angriffen aus dem Jemen ausgesetzt zu sein.

Nichtsdestotrotz könnte ein kalkuliertes Eingehen dieses Risikos russischen Ölexporteuren auch weiterhin große Vorteile gegenüber westlichen Konkurrenten verschaffen. Ende letzten Jahres waren die russischen Erdölexporte in Richtung Indiens und Chinas auf ein 11-Monats-Tief gesunken.

Blick nach China

In Moskau geht die Befürchtung um, dass Saudi-Arabien die entstandene Lücke ausfüllen könnte. Seit November letzten Jahres hat die Volksrepublik China wieder damit begonnen, die eigenen Rohölreserven aufzustocken.

Laut Kalkulationen von Reuters soll es sich um mehr als eine halbe Millionen Fass Rohöl pro Tag handeln. Chinesische Raffinerien erhöhen ihre Rohölnachfrage vor allem immer dann, wenn die Preise an den internationalen Erdölmärkten sinken.

Wer einen Blick auf die Entwicklung der Strategischen Petroleumreserven in den Vereinigten Staaten wirft, wird sich unter Umständen die Frage stellen, ob die Washingtoner Regierung diese einfache Arithmetik ebenfalls verstanden und verinnerlicht zu haben scheint.

Wie dem auch sei, so lasse sich unter Bezugnahme auf Analysten beobachten, dass Chinas Erdölnachfrage rückläufig ist. Hierzu soll neben sinkenden Raffineriemargen eine Reihe von weiteren Faktoren beitragen.

Hierzu gehören unter anderem steigende Rohöl- und Benzinbestände wie auch eine nach den Covid-Lockdowns langsamer als erwartet verlaufende Erholung der Flugreisenachfrage.

Die weitere Situation an den Erdölmärkten wird keineswegs nur von der Nachfrage in der Volksrepublik China abhängen. Die geopolitischen Ereignisse bleiben zu beobachten. So haben beispielsweise wieder aufflammende Großproteste in Libyen unter Analysten einmal mehr zu der Sorge vor potenziellen Lieferunterbrechungen geführt.

Allein gestern machten die Erdölpreise einen Sprung um gut drei Prozent nach oben, nachdem Libyen einen Stopp der Förderung in den beiden wichtigsten Erdölfeldern des Landes verkündete. Summa summarum fällt hierdurch zurzeit eine Produktion von 365.000 Fass Rohöl pro Tag aus.

Ferner könnten die gestrigen Explosionen im Iran, in deren Zuge mehr als einhundert Personen zu Tode kamen, zu einer Intensivierung der geopolitischen Spannungen führen. Kurz vor diesen Explosionen rund um die Feierlichkeiten der iranischen Revolutionsgarden hatte die Teheraner Regierung ein eigenes Kriegsschiff in Richtung Jemen entsandt.

Unter Analysten an den Rohstoffmärkten kamen daraufhin Spekulationen auf, ob es sich hierbei um einen Auftakt zu einer potenziellen Sperrung der Straße von Hormus handeln könnte. Sollte es tatsächlich irgendwann zu einer solchen Entscheidung kommen, müsste mit einer Explosion der Erdölpreise gerechnet werden.

Diese Zusammenfassung von Roman Baudzus für CK*Wirtschaftsfacts nimmt unter anderem Bezug auf einen Bericht auf der Seite firstpost.com.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Die Geopolitik nimmt inzwischen entscheidenden Einfluss auf die Versorgungslage an einigen der weltweit wichtigsten Märkte. Nach wie vor erweckt es den Anschein, als ob Investoren an den Kapitalmärkten von diesen unschönen Entwicklungen keine Notiz nehmen oder diese weitestgehend ausblenden und ignorieren möchten. Wie lange dies noch wird gut gehen können, falls es nicht bald zu einer Entspannung der allgemeinen Lage kommen sollte?

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