Hier geht es zum ersten Teil dieses Berichtes

Um nahtlos an die gestrigen Ausführungen zur Situation um die China Evergrande Group anzuschließen, sei gesagt, dass eine (erzwungene) Drosselung der Kredit- und Darlehensvergabe im chinesischen Immobiliensektor notwendig geworden ist, um immense Strukturprobleme und Kapitalfehlallokationen in diesem Bereich endlich auf adäquate Weise zu adressieren.

Wer nun der Ansicht sein mag, dass diese Entwicklungen einer Art Spaziergang im Park gleichen werden, dem sei gesagt, dass es sich a) um einen langfristigen Prozess, b) um einen schmerzhaften Prozess und c) um einen Prozess handelt, von dem keineswegs feststeht, ob es tatsächlich eine adäquate Lösung für die sich über Jahre aufbauenden und politisch zu lange ignorierten Strukturschieflagen geben wird.

Allein ein Blick auf die aktuelle Situation um die China Evergrande Group zeigt, wie verschachtelt die Beziehungen zwischen Immobilienprojektentwicklern, Banken, Schattenbanken, Mitarbeitern, Lieferanten, anderen Kontraktnehmern und zig anderen Akteuren tatsächlich sind. Hierauf bin ich im gestrigen Bericht bereits ein wenig näher eingegangen.

Wie dem auch sei, in der Volksrepublik China scheint es inzwischen zu einem Paradigmenwechsel gekommen zu sein, der schlicht und einfach auf bestehenden Notwendigkeiten basiert, und dessen Grundlagen und Ursachen sich durch die Kommunistische Partei Chinas (CCP) nicht mehr länger ignorieren lassen.

Immer deutlicher zeichnet sich darüber hinaus ab, in was für einem Dilemma sich die staatliche Führung des Landes jetzt befindet. Um die aktuell auftretenden Probleme zu adressieren, lassen sich einige zuletzt angezogene Regeldaumenschrauben zwar auch wieder ein wenig lockern, wobei sich der eingeschlagene Gesamtkurs jedoch nicht mehr umkehren lässt.

Übersetzt bedeutet das, dass die politische Führung nicht einfach dabei zuschauen kann, wie heimische Investoren und Verbraucher einer nach dem anderen über die Klippe zu gehen drohen, während es einem bislang rücksichtslos agierenden, einem unter einer extremen Verschuldung leidenden und darüber hinaus unproduktiven Wirtschaftssektor allerdings auch nicht mehr erlaubt werden darf, noch größer zu werden als dies ohnehin bereits der Fall ist.

Das Resultat und die sich aus diesem Paradigmenwechsel ableitenden Konsequenzen werden an den chinesischen Finanz- und Kapitalmärkten nun eingepreist. Es sind, wie im gestrigen Bericht ausgeführt, nicht nur die in Sachen der China Evergrande Group tobenden Turbulenzen an den heimischen Kreditmärkten, die gerade für Schlagzeilen in aller Welt sorgen.

Vielmehr sieht sich der gesamte Junkbondkomplex in der Volksrepublik China einem solchen Szenario ausgesetzt. Im Umkehrschluss heißt das, dass es längst auch schon zu etwaigen Ansteckungseffekten in anderen Bereichen gekommen ist. Kollabierende Bond- und Aktienkurse unter einer Vielzahl an Sektorunternehmen tragen ihren Teil zu einer Verschärfung der allgemeinen Situation bei.

Inzwischen befinden sich die durchschnittlichen Zinsen an Chinas Junkbond- und Ramschanleihemärkten mehr als zehn Prozentpunkte über den im März dieses Jahres ausgebildeten Tiefs. Resultat ist, dass die Bondkurse unter vielen finanziell schwachen Projektentwicklern, Bauunternehmen und deren Zulieferern sprichwörtlich in den Keller gerauscht und kollabiert sind.

Wie gestern bereits ausgeführt, sehen sich neben HK Equity auch Unternehmen wie R&F Properties Group, Sinic, China Aoyuan, Suna, Fantasia und viele mehr von dieser Entwicklung betroffen. Doch das ist bei Weitem noch nicht alles. Mittlerweile greift der finanzielle Stress auch auf Banken und andere Finanzakteure über.

Wie anhand der Warnungen von Hedgefonds Manager Kyle Bass im gestrigen Bericht bereits ausgeführt, wäre es alles andere als verwunderlich, wenn unter kreditgebenden Banken in Hongkong nicht längst die Alarmglocken angegangen wären. Der Ausbruch einer Hongkonger Finanzkrise läge laut Bass mehr als nur im Bereich des Möglichen.

Sollte es hierzu kommen, wäre natürlich sofort für weitere Ansteckungseffekte gesorgt, die dann rund um den Globus gehen würden, da mit Banken wie Standard Chartered oder HSBC Akteure in diese Entwicklungen involviert zu werden drohen, die bereits im Jahr 2008 den Stempel von systemisch wichtigen Instituten aufgedrückt bekommen haben.

Einmal ganz abgesehen von der jüngst erteilten Bailout-Zusage zugunsten der chinesischen Bad Bank Huarong Group, welche für sich genommen schon darauf hindeutet, wie brenzlig die aktuelle Lage an den chinesischen Kreditmärkten zu sein scheint.

Doch es geht noch weiter. Zuletzt sind selbst Versicherer wie Minsheng und Ping An (steht übersetzt für „sicher und wohlauf“) in den Sog einer sich verschärfenden Lage an den heimischen Kreditmärkten mit hineingezogen worden.

Wer also der Ansicht sein mag, dass die sich um China Evergrande Group und den chinesischen Immobiliensektor abzeichnenden Turbulenzen rein auf die Volksrepublik China beschränkt bleiben werden, der sollte über die bestehenden Querverflechtungen vielleicht noch einmal nachdenken.

Auf welch andere Weise droht sich diese (noch lokale) zu einer potenziell globalen Krise auszuweiten? Nun, wie seit Donnerstag der vergangenen Woche zu beobachten, hat die China Evergrande Group es versäumt, zahlungsfällige Anleihen ausländischer Bondhalter zu begleichen.

Während es einen Tag zuvor noch zu einer Begleichung von fälligen Zinszahlungen unter heimischen Investoren gekommen war, hüllt sich das Management von China Evergrande Group seit letzter Woche in Schweigen was die bislang nicht geleisteten Zahlungen an ausländische Bondhalter anbelangt.

Ganz so, als ob dieses Problem einfach nicht bestünde. Internationale Ratingagenturen wie Moody´s & Co. hat dieses Verhalten dazu veranlasst, davor zu warnen, nach dem Ablauf einer dreißigtägigen Kulanzphase offiziell einen „selective default“ (bedingten Zahlungsausfall) der China Evergrande Group festzustellen.

Noch bleiben dem Konzern aus heutiger Sicht also rund drei Wochen, um den eigenen Zahlungsverpflichtungen baldmöglichst nachzukommen. Es droht also auch auf diesem Wege zu globalen Ansteckungseffekten zu kommen, da Anleihehaltern des Konzerns über den Verlauf der letzten Wochen ohnehin schon signifikante Verluste entstanden sind.

Angemerkt sei, dass in nächster Zeit auslaufende Anleihen der China Evergrande Group teils schon nur noch zu 25 Cents pro US-Dollar gehandelt werden. Auch Investoren an den Aktienmärkten sind nach dem signifikanten Einbruch der Kurse an der Hongkonger Börse hohe Verluste entstanden.

Je mehr sich diese von Chinas Immobilienmärkten ausgehende Krise in Richtung des Banken- und Finanzsystems zu verlagern droht, desto wahrscheinlich wird das Einpumpen von weitläufigen Liquiditätsspritzen in das heimische Bankensystem durch die People´s Bank of China.

Dieser Prozess hat bereits begonnen, nachdem es zu Beginn der vergangenen Woche zu den höchsten Liquiditätsinjektionen seit Februar dieses Jahres durch die People´s Bank of China gekommen war. Es sollte allerdings nicht darauf gewettet werden, dass sich die aktuellen Probleme allein auf diese Weise in den Griff bekommen lassen werden.

Hierzu sei nochmals auf die Lage an den Junkbondmärkten sowie den erfolgten Kollaps unter einer Vielzahl von Akteuren an den Immobilienmärkten verwiesen. Ein Brand, der durch einen zu hohen Grad an Fremdfinanzierungen verursacht worden ist, lässt sich nicht dadurch löschen, indem dieser Fremdfinanzierungsgrad und die allgemeine Verschuldung noch stärker ausgeweitet werden.

Wie könnte eine Lösung des Problems also aussehen? Nun, ein sich beschleunigender Verkauf von Vermögenswerten böte sich an. Entgegen der weltweit zu beobachtenden „Bailout-Mania“ über den Verlauf der letzten Dekade wird sich nun endlich ein Fenster öffnen, das sich schon zu Zeiten der globalen Finanzkrise hätte öffnen müssen.

Heißt, Akteure und Unternehmen mit soliden Finanzstrukturen und gesunden Bilanzbüchern werden werthaltige Ländereien und Bauprojekte zu günstigeren Preisen aufkaufen können. Selbst solide finanzierte Kleinunternehmen könnten hiervon profitieren, um das eigene Projektportfolio mittels Akquisitionen zu erweitern.

Selbstverständlich lässt sich davon ausgehen, dass die Pekinger Staatsführung und die People´s Bank of China diesen Prozess flankieren werden, indem bislang rücksichtslos agierende Unternehmen wie China Evergrande Group abgewickelt werden, während die Konzernmitarbeiter und Immobilienkäufer im Zuge eines solchen Prozesses weitläufig von Verlusten abgeschirmt werden dürften.

Im Hinterkopf sollte behalten werden, wie viele einst begonnene Bauprojekte der China Evergrande Group im ganzen Land nun stillstehen und aufgrund der sich ausweitenden Finanzprobleme des Konzerns auf Eis gelegt wurden.

Probleme werden unter aller Voraussicht auch jene ebenfalls bereits im gestrigen Bericht angesprochenen Vermögensmanagementprodukte verursachen, welche hauptsächlich mit dem Zweck eines Verkaufs an die eigenen Konzernmitarbeiter durch Akteure im Schattenbankensektor emittiert wurden.

Denn auf viele dieser Vermögensmanagementprodukte war zuvor eine Garantie auf Rückzahlung (bei Zinsversprechen von zehn Prozent und mehr pro Jahr) ausgesprochen worden, was immer hellhöriger machen sollte, je mehr Gerüchte über bereits vor Wochen getätigte Insiderverkäufe die Runde machen.

Seien Sie darauf vorbereitet, dass mehr und mehr „faule Tomaten“ zum Vorschein kommen werden, was im weiteren Ablauf zu einem sich intensivierenden Ruf nach einer Übernahme von Verantwortung, finanziellen Kompensationen, Aufdeckungen von Skandalen (Stichwort: Das Betreiben von finanziellen Ponzi-Systemen) und damit einhergehenden Gerichtsprozessen führen wird.

Die immensen Probleme, in denen sich die chinesischen Immobilienmärkte befinden, berücksichtigend, wird eine Stabilisierung dieses Marktsegments nicht nur von zeitlich langer Dauer, sondern darüber hinaus auch ein schmerzhafter Prozess sein, der mit einer Vielzahl an Risiken Hand in Hand gehen wird.

Allein anhand des aktuellen Auftragsbuchs der China Evergrande Group wird dies mehr als ersichtlich, das ein Niveau von rund 1,75 Millionen Privatobjekten erreicht hat. Lassen Sie bitte nicht außer Acht, dass für all diese im Bau befindlichen Objekte schon vor teils langer Zeit Anzahlungen durch die Käufer geleistet wurden.

All diese Projekte liegen nun auf Eis, werden durch den Immobilienprojektentwickler momentan also nicht fertiggestellt. Es ist also kaum verwunderlich, dass die allgemeine Volatilität nicht nur an den chinesischen, sondern auch an den globalen Finanzmärkten in nächster Zeit wahrscheinlich noch stärker zunehmen dürfte.

Dieser Prozess basiert auf einer stetig wachsenden Unsicherheit unter Investoren und Spekulanten weltweit, da niemand weiß, welche Hiobsbotschaften aus diesem Bereich demnächst noch publik zu werden drohen.

All jenen, die zurzeit mal so lapidar davon ausgehen, dass es einen Bailout zugunsten der China Evergrande Group durch die Pekinger Regierung geben wird, sei an dieser Stelle und auf Basis der bisherigen Ausführungen nochmals gesagt, dass das Problem überhaupt nicht auf die China Evergrande Group als solcher beschränkt ist.

Das Problem ist viel größer, da es die allgemeine Lage und den Verfassungszustand der chinesischen Immobilienmärkte als solche betrifft. Vielmehr muss damit gerechnet werden, dass sich der Abschwung in der chinesischen Immobilienwirtschaft, die einen Anteil von rund dreißig Prozent zum chinesischen BIP beisteuert, fortsetzen wird.

Schon im dritten Quartal droht die Wirtschaft im Reich der Mitte zu stagnieren oder – wie Nomura warnte – gar zu schrumpfen. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass sich die inzwischen einsetzenden Preisrückgänge an den chinesischen Immobilienmärkten über den Verlauf der nächsten Quartale unter aller Voraussicht fortsetzen werden.

Eben jene staatlichen Interventionen sind doch exakt mit dem Ziel verbunden, den heimischen Immobiliensektor nicht noch stärker auswuchern zu lassen, den Grad der Fremdfinanzierung und Verschuldung drastisch zu senken und die Preise für Land und Immobilien aller Art nicht noch stärker in die Höhe schießen zu lassen.

Erklärtes Ziel der Pekinger Staatsführung ist es doch darüber hinaus, einen Erwerb von Immobilien, die zurzeit im Extremfall mit Kaufpreisen eines bis zu sechzigfachen Jahreseinkommens einhergehen, auch wieder erschwinglich für Durchschnittsfamilien zu machen.

„Was bedeutet das konkret für mich!?"

Durchdenken Sie diese Vorgänge bitte gründlich, um in einem weiteren Schritt Konsequenzen und Folgen aus Sicht der Rohstoff- und Metallmärkte abzuschätzen. Allen voran wären in diesem Zusammenhang die Stahlmärkte zu nennen. Oder die Märkte für Eisenerz.

Die Eisenerzpreise zeigen sich momentan höchst volatil und konnten sich nach einem deutlichen Preisrückgang über die letzten Wochen im Verlauf der vergangenen Tage wieder ein wenig erholen. Angemerkt sei an dieser Stelle, dass beispielsweise der Aktienkurs des Konzerns Dalian Iron Ore bereits seit Juli fulminant eingebrochen ist.

Bislang hat sich das Unternehmen von diesem Kursabschwung nicht wesentlich erholen können. Und warum sollte es auch anders sein? Für den Monat August veröffentlichte Daten haben doch gezeigt, dass es in der Volksrepublik China zu einem rekordhohen Rückgang der Stahlproduktion gekommen ist.

Abschließend sei hier noch auf die folgende Meldung vom heutigen Tage hingewiesen:

Link zum Bericht: https://www.zerohedge.com/markets/evergrande-default-second-offshore-bond-after-15-billion-bank-stake-sale

Übersetzung: Evergrande zum zweiten Mal zahlungsausfällig im Bereich von Auslandsbonds nach Verkauf eines 1,5 Milliarden US-Dollar schweren Bankanteils. Ab einem bestimmten Zeitpunkt werden die Leute hiervon Notiz nehmen.

Weitere Überlegungen und aktuelle Entwicklungen rund um die chinesischen Immobilienmärkte und die China Evergrande Group werden in einem folgenden Bericht weitergeführt und fortgesetzt.

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