Das 15. Gipfeltreffen der BRICS-Nationen im südafrikanischen Johannesburg ist vorüber. Die daraus hervorgehenden Ergebnisse erweisen sich keineswegs als Überraschung. Denn mit der Verkündung einer Aufnahme von neuen Mitgliedern war vor Beginn des Gipfels bereits gerechnet worden.

Zum kommenden Jahreswechsel werden neben Saudi-Arabien also auch die Vereinigten Arabischen Emirate, der Iran, Ägypten, Äthiopien und Argentinien dem Kreis der BRICS-Nationen beitreten.

Ein strategischer Meilenstein

Wie in der Vorwoche schon einmal angesprochen, erweist sich insbesondere die Aufnahme von Saudi-Arabien, von den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Iran als ein Meilenstein, der auf diese Weise vor einigen Monaten noch kaum voraussehbar, geschweige denn denkbar gewesen wäre.

Die Aussicht auf ein politisches und wirtschaftliches Zusammenwachsen der Golfregion könnte sich, so eine Integration unter chinesisch-russischer Mediation gelingen sollte, als geopolitischer Gamechanger erweisen.

Es war die Pekinger Staatsführung, die eine diplomatische Einigung samt dem Ausblick auf einen zwischen den sunnitisch-schiitischen Erzfeinden Saudi-Arabien und dem Iran zu vereinbarenden Langfristfrieden moderierte, bevor es zur Abhaltung des 15. BRICS-Gipfeltreffens in Johannesburg kam.

Dass sich die Lage in der Golfregion zu entspannen scheint, zeigt sich unter anderem an den Entwicklungen im Jemen, wo der jahrelange Bürger- bzw. Stellvertreterkrieg zwischen dem Iran auf der einen sowie Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf der anderen Seite seinem Ende ins Auge blickt.

Dass im vergangenen Jahr auch das Bürgerkriegsland Syrien wieder in den Kreis der Arabischen Liga aufgenommen wurde, sprach ebenfalls Bände. Allen voran das saudische Königshaus und die Teheraner Staatsführung scheinen sich nun eines Pragmatismus zu bedienen, der vor nicht allzu langer Zeit noch undenkbar schien.

Geopolitische Neuordnung

Auch die Aufnahme Saudi-Arabiens als neuem Dialogpartner der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) deutete bereits auf einen Umbruch im Bereich der Geopolitik hin.

Denn die SCO erweist sich nicht nur als ein Verbund aus Staaten, der sich eine wirtschaftliche Fortentwicklung auf die eigenen Fahnen schreibt. Vielmehr handelt es sich hinsichtlich der SCO auch um ein Bündnis, das gemeinsame militärische Interessen verfolgt.

Die SCO-Dialogpartnerschaft Saudi-Arabiens, dessen Staatsführung in allen Belangen eine engere wirtschaftliche Verknüpfung mit der Volksrepublik China anstrebt, wies darauf hin, dass die Fortentwicklung des Petroyuan ganz oben auf der Agenda beider Nationen zu stehen scheint.

Gleichzeitig war mit der SCO-Aufnahme ein Hinweis darauf verbunden, dass Saudi-Arabien eine zukünftige militärische Protektion durch die SCO-Staaten zuteil werden wird. Russland und Saudi-Arabien hatten sich hierauf separat geeinigt.

Damalige Aussagen von Präsident Donald Trump, wonach das saudische Königshaus im Fall eines Entzugs der militärischen Protektion durch die Vereinigten Staaten in nur wenigen Tagen von der Landkarte gefegt werden würde, dürften dem saudischen Kronprinzen Mohamed bin Salman überhaupt nicht behagt und gefallen haben.

Unterdessen haben sich die amerikanisch-saudischen Beziehungen seit dem Amtsantritt von Joe Biden weiter verschlechtert.

Dass Peking in dieses entstehende Vakuum hineingestoßen ist, um die Chance einer politischen Einigung zwischen den Saudis und dem Iran zum Voranbringen der eigenen Ziele auf dem Eurasischen Kontinent (Stichwort: Neue Seidenstraße oder BRI) beim Schopfe zu packen, zeugt von jenem Selbstbewusstsein, mit dem Peking die USA inzwischen auf dem internationalen Parkett herausfordert.

Bau von Mega-Infrastrukturprojekten schreitet voran

Bereits in der Vergangenheit hatte ich darauf aufmerksam gemacht, welche strategischen Verschiebungen auf der geopolitischen Landkarte mit dem Bau der voranschreitenden Mega-Infrastrukturprojekte, der Errichtung von neuen Transport- und Handelskorridoren sowie der Errichtung des Nord-Süd-Transportkorridors auf dem Eurasischen Kontinent verbunden sein werden.

Dass mit der Russischen Föderation, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten mit Beginn des kommenden Jahres auch gleich noch die drei tonangebenden Mitglieder der Organisation OPEC+ am gemeinsamen BRICS-Verhandlungstisch sitzen werden, deutet zudem (unter zusätzlichem Einbezug des Irans) darauf hin, dass sich an den globalen Energiemärkten weitläufige Umbrüche und Verschiebungen andeuten.

Während dem Wunsch Brasiliens bezüglich einer BRICS-Neuaufnahme des südamerikanischen Nachbarn Argentinien entsprochen wurde, erweist sich auch die verkündete Neuaufnahme der beiden afrikanischen Nationen Ägypten und Äthiopien aus strategischer Sicht als ein kluger Schachzug.

Einerseits wird den Nationen des afrikanischen Kontinents auf diese Weise signalisiert, durch den BRICS-Verbund (und allen voran China und Russland) ernst genommen zu werden.

Einfluss der BRICS im Nahen Osten und in Afrika weitet sich aus

Andererseits erweist sich Ägypten als Bindeglied zwischen dem afrikanischen Kontinent und dem Nahen Osten. Der Einfluss der BRICS-Nationen wird nach dem Jahreswechsel also nicht nur im Nahen und Mittleren Osten, sondern auch in Nordafrika und am Horn von Afrika auf eine bedeutsame Weise wachsen.

Pragmatisch zeigten sich die auf dem BRICS-Gipfel versammelten Staats- und Regierungschefs in der gemeinsam getroffenen Entscheidung zur Verkündung einer Neuaufnahme der sechs neuen Mitglieder.

Während der chinesische Staatschef Xi Jinping vor Beginn des BRICS-Gipfels in Johannesburg auf eine Aufnahme von zehn neuen Mitgliedern drängte, erwies sich der indische Regierungschef Narendra Modi, der eine Zusage zur maximalen Aufnahme von drei neuen Mitgliedern geben wollte, noch als eine Art Bremsklotz.

Doch hinter verschlossenen Türen einigten sich China und Indien dann auf einen Kompromiss zur Neuaufnahme von sechs neuen Mitgliedern.

China und Indien entspannen Lage im gemeinsamen Grenzverlaufsgebiet

Dass es nur kurz nach dem BRICS-Gipfel auch zur Verkündung einer Vereinbarung zwischen China und Indien zu einer Entspannung der Lage im Himalaya und dem gemeinsamen Grenzverlauf zwischen beiden Nationen gekommen ist, spricht einmal mehr dafür, dass ein neuer Pragmatismus ganz oben auf der Agenda der BRICS-Nationen zu stehen scheint.

Für den Moment erweckt es den Eindruck, als würde die verkündete Aufnahme der sechs neuen BRICS-Mitglieder die politische und ökonomische Integration auf dem Eurasischen Kontinent auf bedeutsame Weise beschleunigen.

Parallel hierzu geht von dem nun beendeten BRICS-Gipfel das Signal aus, die USA zukünftig von politischen Einmischungen in innere Angelegenheiten der Staaten des Mittleren Ostens beziehungsweise der Golfregion abzuhalten.

Anders als die Washingtoner Regierung wird Peking fortan das Zünglein an der diplomatischen Waage sein, um annehmbare Kompromisse zwischen den Interessen der Golfstaaten – allen voran Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf der einen sowie dem Iran auf der anderen Seite – zu schmieden.

Aus Perspektive Amerikas dürften diese Entwicklungen alles andere als mit Wohlwollen aufgenommen worden sein. Wer bedenkt, dass Präsident Donald Trump in seiner Amtszeit verkündete, eine Allianz zwischen Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Marokko und Israel geschmiedet zu haben, die einen Interessenausgleich unter den genannten Staaten vorsah und sich inhaltlich gegen den Iran richtete, beginnt sich als Beobachter spätestens jetzt am Kopf zu kratzen.

Einmal mehr sei auf Frankreichs General Charles de Gaulle verwiesen, der als junger Offizier den Nahen und Mittleren Osten besuchte, um daraufhin zu konstatieren, mit einfachen Vorstellungen in den komplizierten Orient gereist zu sein.

Blick nach Zentralasien

Dass auch Afghanistan und Pakistan (eines der BRI-Länder, das über einen der wichtigsten Wirtschaftskorridore in Bezug auf dieses Projekt verfügen wird) mehr und mehr unter den Einfluss der Volksrepublik China und den BRICS-Staaten gebracht werden, lässt darauf schließen, mit welcher diplomatischen Finesse die Pekinger Regierung die bestehenden Probleme in dieser Region angeht.

Dass auch die Mitglieder der Eurasischen Wirtschaftsunion unter russischer Führung darauf bedacht sind, den Amerikanern keine Möglichkeit zu einer Neuerrichtung von Militärbasen in der zentralasiatischen Region mehr zu bieten, lässt darauf schließen, dass der Einfluss der US-Regierung unter den Ländern der Region auf maximale Weise zurückgedrängt werden soll.

Hierin dürfte sich wahrscheinlich – neben Ölinteressen – ein weiterer Grund finden, weswegen die amerikanische Armee ihre (illegal betriebenen) Basen im Osten Syriens unter keinen Umständen zu räumen bereit sein wird, dabei jedoch Gefahr läuft, unter einen zunehmenden Beschuss durch schiitische Milizen in Syrien wie auch aus dem Nachbarland Irak zu geraten.

In Johannesburg wurde zudem entschieden, den Kreis der BRICS-Nationen im Jahr 2024 auf dem dann im russischen Kazan stattfindenden Jahresgipfel der dann elf Mitglieder abermals zu erweitern.

Die besten Aussichten auf eine Neuaufnahme werden neben Kasachstan auch dem nordafrikanischen Staat Algerien nachgesagt. Eine sich abzeichnende Aufnahme Algeriens würde die dem BRICS-Verbund angehörenden Erdöl- und Gasnationen komplementieren.

Geht die Organisation OPEC+ im BRICS-Verbund auf?

Zu diesem Zeitpunkt würden die BRICS-Nationen dann einen Anteil von mehr als achtzig Prozent an allen Erdöl- und Gasverkäufen auf sich vereinen, weshalb es momentan den Eindruck erweckt, als ob die Organisation OPEC+ zukünftig im BRICS-Verbund aufgehen könnte.

Wenn diese Staaten also beschließen sollten, ihren Erdölhandel zunehmend auf Basis von Lokalwährungen oder unter Nutzung des chinesischen Yuans / Renminbis (auch mit Drittstaaten) abzuwickeln, so lässt sich in ungefähr erahnen, welche Konsequenzen aus Sicht der globalen US-Dollar-Nachfrage damit verbunden sein werden.

Schon jetzt haben sich beispielsweise die Vereinigten Arabischen Emirate auf der einen sowie Kenia und Ghana auf der anderen Seite darauf geeinigt, Erdöl-Lieferungen zukünftig gegen eine Bezahlung in kenianischen Schillingen bzw. in Gold abzuwickeln.

Verstärkt auf Chinas Währung im bilateralen Handel setzen

Meldungen dieser Art dürften sich nach dem nun zu Ende gegangenen BRICS-Gipfel häufen, zumal die Russische Föderation und Staatspräsident Wladimir Putin insbesondere die afrikanischen Staaten vor Beginn des BRICS-Gipfels dazu aufrief, verstärkt auf eine Nutzung des chinesischen Yuans / Renminbis zur Umgehung des US-Dollars im jeweils bilateralen Handel zu setzen.

Um abschließend noch auf die Aufnahme Äthiopiens in den BRICS-Verbund einzugehen, so handelte es sich hierbei um eine strategische Entscheidung Chinas, da Unternehmen des Reichs der Mitte in Äthiopien wie in kaum einem anderen afrikanischen Staat mit dem Bau von Infrastrukturprojekten betraut sind.

Ich werde auf dieses Thema in einem meiner nächsten Berichte anhand meiner eigenen Beobachtungen in Kenia zurückkommen, wo ich zuletzt eine ganze Reihe von neu im Bau befindlichen Infrastrukturprojekten selbst aufgesucht habe und deren Vorankommen in Augenschein nehmen konnte.

Aus meiner Sicht lohnt es sich, Ihnen einmal vor Augen zu führen, mit welcher Geschwindigkeit die Volksrepublik China diese Bauprojekte in afrikanischen Nationen wie Kenia oder Tansania vorantreibt und umsetzt – und wie diese aussehen.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus basiert auf eigenen Beobachtungen des Autors zu dem in Johannesburg stattgefundenen BRICS-Gipfel.

„Was heißt das für mich konkret!?“ (Roman Baudzus)

Die verkündete Neuaufnahme der sechs neuen Mitglieder in den BRICS-Verbund ist strategisch betrachtet ein kluger Schachzug. Nicht nur, dass mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten zwei unheimlich finanzstarke Nationen in den Verbund aufgenommen wurden.

Es deutet auch einiges darauf hin, dass die energiepolitischen Entscheidungen der OPEC+-Mitglieder zukünftig am Verhandlungstisch der BRICS-Nationen (mit)entschieden werden könnten. Hieraus leitet sich eine Verzahnung des OPEC+-Kartells mit dem BRICS-Verbund ab.

Gleichzeitig schreiten chinesische Bau- und Infrastrukturprojekte in den Ländern des afrikanischen Kontinents mit hoher Geschwindigkeit voran. Allein hieran lässt sich erkennen, dass China es ernst damit zu meinen scheint, den Nationen Afrikas einen Ausblick auf Integration (Stichwort: BRI) und wirtschaftliche Kooperation zu liefern.

Endlich ernst genommen zu werden, um das in Afrika schlummernde Potenzial nicht nur auszubeuten, sondern zukünftig zum Vorteil beider Seiten zu heben, ist etwas, was unter den meisten Nationen der Afrikanischen Union schon seit geraumer Zeit auf fruchtbaren Boden fällt.

Von daher erweisen sich die verkündeten Neuaufnahmen von Ägypten und Äthiopien in den BRICS-Verbund auch als strategisch kluge Schachzüge. Denn hierdurch geht auch ein Signal an andere afrikanische Staaten aus.

Zumal Ägypten das Transportnadelöhr des Suez-Kanals kontrolliert und Äthiopien sich als Hinterraum zu der durch die Volksbefreiungsarmee (PLA) im benachbarten Dschibuti betriebenen Militärbasis erweist.

Der Einfluss Chinas in dieser Region wächst, zumal die PLA über einen direkten Zugang zum Nadelöhr des Bab el Mandeb am Horn von Afrika – und damit zum Roten Meer wie auch dem Indischen Ozean – und mit Äthiopien über einen direkt daran anschließenden (Versorgungs-)Hinterraum verfügt.

Wie in der vergangenen Woche gemutmaßt, wird die Lancierung einer neuen Handelswährung der BRICS-Nationen noch ein wenig mehr Zeit in Anspruch nehmen.

Erwarten lässt sich, dass die BRICS-Nationen bis dahin darauf setzen werden, im jeweils bilateralen Handel verstärkt auf Lokalwährungen oder eine Nutzung des Yuans / Renminbis zu setzen.

Auch Rom wurde nicht an einem Tag erbaut. Allerdings zeichnet sich ab, dass sich die westlich dominierte Organisation der G7-Staaten warm anziehen darf, um sich in der Zukunft an allen Fronten herausgefordert zu sehen.

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