Eine der größten Gefahren, die sich auf den internationalen Handel und die bestehenden Systemrisiken auszuwirken droht, leite sich anhand der Reaktion der G7-Nationen auf den Einmarsch von russischen Truppen in die Ukraine ab. Insbesondere die Verschiffung von Rohöl ist im Verlauf der vergangenen fünf Wochen verstärkt in den Fokus der internationalen Finanzmärkte und unter Rohstoffhändlern geraten.

Der ehedem in Diensten der New York Fed stehende und heute als Stratege bei der Schweizer Bank Credit Suisse aktive Zoltan Pozsar warnte im Rahmen einer seiner jüngsten Analysen beispielsweise davor, welche bedenkliche Konsequenzen mit der Erklärung eines deutschen Embargos gegenüber russischem Erdgas und Rohöl verbunden wären.

Internationale Transportfrachtmärkte werden abermals in den Fokus der Betrachtungen rücken

Zoltan Pozsar zeigt sich davon überzeugt, dass russisches Ural-Öl, das zurzeit noch mittels sogenannten Aframax-Tankern, die über eine Kapazität von 600.000 Fass Rohöl verfügen, innerhalb von einer Woche nach Hamburg verschifft wird, zukünftig auf weitaus größeren Öltankern des Typs VLCC, die über eine Kapazität von zwei Millionen Fass Rohöl verfügen, innerhalb von zwei Monaten nach China verschifft werden müssten.

Um Rohöl auf die bislang gewohnte Weise weltweit zu verschiffen, würde es im Fall eines deutschen Energie-Boykotts gegenüber der Russischen Föderation jedoch eine Ausweitung der VLCC-Tankerflotte um mindestens zehn Prozent – ausgehend von den aktuell global zur Verfügung stehenden Schiffen – benötigen.

Gleichzeitig würde eine Ausweitung der Rohstofffinanzierungen unter global aktiven Rohstoffhandelshäusern notwendig, die nun schon seit Wochen nach einem Bailout durch die Federal Reserve Bank aufgrund von enorm gestiegenen Margin Calls in diesem Bereich rufen.

Inflation würde zusätzlich befeuert

Ähnliche Komplikationen ins Kalkül ziehend, die sich in anderen Rohstoffsektoren ergeben könnten, in denen sich die Russische Föderation als ein weltweit führender Exporteur (beispielsweise Weizen, Düngemittel, Stahl und Palladium) erweist, ließe sich zum jetzigen Zeitpunkt bereits absehen, auf welch inflationäre Weise diese möglicherweise aufziehenden Probleme sowohl im Transportsektor als auch im Rohstoffbereich als solchem wirken werden.

Denn diese sich abzeichnenden Transportschwierigkeiten würden jenen an den internationalen Rohstoffmärkten ohnehin schon bestehenden Preisdruck nochmals befeuern. Auch mit einem zusätzlichen Preisanstieg im Bereich der Frachtschiffraten sei dann zu rechnen.

Mit ein wenig Zeitverzug würde sich eine solche Entwicklung dann natürlich ebenfalls anhand der Produzenten- und Verbraucherpreise ablesen lassen. Einmal mehr stellt sich heraus, dass Geld sich zwar auf elektronische Weise unendlich erzeugen lässt, nicht so hingegen Rohstoffe wie Rohöl, Erdgas, Gold, Kupfer, Weizen oder Getreide.

Roundtable-Gespräch zwischen Zoltan Pozsar und Yra Harris

Es folgt im heutigen Bericht eine Übersetzung von Auszügen aus einem jüngsten Roundtable-Gespräch zwischen Zoltan Pozsar und Hedgefondsmanager Yra Harris, in welchem sich inhaltlich alles um die aktuellen Entwicklungen samt des Ausblicks auf ein sich global neu etablierendes Geld- und Währungssystem (Bretton Woods III), dreht.

 

 

Seitdem der Krieg in der Ukraine vor mehr als einem Monat begonnen hat, befindet sich die Welt in einem neuen Geld-, Inflations- und Zinsregime. Diese weitläufigen Veränderungen lassen sich nicht auf den ersten Blick erkennen, stehen allerdings in Zusammenhang mit all jenen Entwicklungen, die sich bereits über den Verlauf der letzten Jahre beobachten ließen.

Aus Sicht der Protagonisten innerhalb dieses Geldsystems, das allen voran die G7-Staaten betrifft, sind diese weitreichenden Veränderungen nun deutlich zutage getreten. Nicht nur der US-Dollar per se befindet sich im Zentrum dieser Betrachtungen, sondern vor allem auch Gelder, die innerhalb dieses Systems in Form von Ansprüchen und Obligationen gegenüber Drittparteien bestehen.

Weitreichende Veränderungen und Umbrüche voraus!

Hierzu gehören finanzielle Obligationen der Zentralbanken, der privaten Banken oder auch der Regierungen. Die Sichtweise unter führenden Marktteilnehmern habe sich im Hinblick auf diese innerhalb des aktuell existenten Systems bestehenden Ansprüche und Obligationen in den letzten Wochen auf eine dramatische Weise verändert. Viele führende Akteure an den globalen Finanzmärkten stellten zeitlich überkommene Ansichten mittlerweile offen in Frage.

Zweitens tritt klar und deutlich zutage, dass unsere Welt durch voneinander abweichende Sichtweisen bestimmt wird. Es schäle sich nun eine Perspektive nach Art des „Unser Block gegen einen anderen Block“ heraus.

Zoltan Pozsar wies in diesem Zusammenhang nochmals auf die durch die G7-Staaten getroffene Entscheidung zu einem Einfrieren von mehr als einer halben Billion US-Dollar an ausländischen Währungsreserven eines der größten Rohstoffexporteure der Welt hin.

Was er gegenüber seinen Kunden immer wieder zu verdeutlichen versuche, sei die Tatsache, dass die Russische Föderation zu diesem Zeitpunkt fast überhaupt keine US-Staatsanleihen noch irgendwelche im Inland gehorteten Auslandswährungsreserven gehalten habe.

Russland hatte bis zum Jahr 2018 fast alle seine bis dahin gehaltenen US-Staatsanleihen verkauft, während russische Geschäftsbanken keine Filialen in den Vereinigten Staaten betrieben haben. Auch die geschäftlichen Transaktionen zwischen russischen und amerikanischen Geschäftsbanken hielten sich in Grenzen.

Eurodollar-Märkten fällt zentrale Rolle zu

Die Russische Föderation sitzt trotz allem auf einem Berg von US-Dollars. Hierbei handele es sich fast ausschließlich um Eurodollars. Wie wir alle wüssten, handele es sich im Fall von Eurodollars um staatenloses Kapital. Es handelt sich hierbei nicht um irgendwelche Obligationen gegenüber irgendeiner Drittpartei, sondern größtenteils um gebuchte Positionen in Offshore-Bankbilanzen.

Jene für eigens verkaufte Rohstoffe vereinnahmten US-Dollars habe die Russische Föderation in den vergangenen Jahren eigentlich stets sofort an den internationalen Währungsmärkten weitergereicht, um aus den hieraus erzielten Erlösen Euros oder Yens zu kaufen. Diese Euros und Yens wurden dann wiederum bei anderen Zentralbanken im Ausland veranlagt.

Hierzu gehören beispielsweise die Deutsche Bundesbank und die Bank of Japan. Es war aus diesem Blickwinkel also nicht sonderlich schwierig, diese Anlagen der Russischen Föderation im Ausland einzufrieren, da hierfür Zentralbanken wie die Deutsche Bundesbank oder die Bank of Japan verantwortlich zeichnen.

Auf den Tag des Geschehens zurückblickend, ging dies auch ganz klar aus den Schlagzeilen der Berichte von beispielsweise Bloomberg hervor. Es ist wichtig sich darüber bewusst zu werden, dass diese Maßnahmen durch die US-Regierung zentral koordiniert worden sind.

Es ging darum, die Zentralbanken von allen G7-Staaten dazu zu bringen, jene durch die russische Zentralbank bei diesen Institutionen deponierten Auslandswährungsreserven in untereinander zu koordinierenden Maßnahmen einzufrieren.

Wenn sich das Vertrauen verflüchtigt…

Die Russische Föderation wurde in diesem Zusammenhang als „unfreundliche“ Jurisdiktion gebrandmarkt. Hierbei handele es sich in der Tat um eine Angelegenheit von enormer Tragweite. Denn es geht hierbei nicht mehr nur um den US-Dollar als solchen, sondern es geht auch um das allgemeine Vertrauen in den Euro als eine der globalen Reservewährungen.

Die mit den Vereinigten Staaten im Bunde stehenden Jurisdiktionen, darunter die Europäische Union, Japan oder Australien, sind praktisch über Nacht in den Fokus von Zentralbanken geraten, die außerhalb dieser Allianz stehen.

Es gehe aus deren Sicht nach diesen Vorfällen nun um die alles entscheidende Frage, auf welche Weise sich ausländische Währungsreserven in der Zukunft veranlagen und in welcher Form diese sich an welchem Ort bestmöglich deponieren lassen.

Mit dem als Bretton Woods III bezeichneten Geld- und Währungssystem gehen weitreichende Implikationen einher. Erstens ließe sich feststellen, dass der jahrzehntelange Prozess eines Recyclings von US-Dollars aus Exportgeschäften in Richtung der Vereinigten Staaten an den US-Dollar- oder Eurodollarmärkten einen schweren – und wahrscheinlich nicht wieder gut zu machenden – Schaden genommen habe.

Allein diese Tatsache mache es unausweichlich, dass sich nun weitreichende Veränderungen und Umbrüche an den internationalen Kapital- und Finanzmärkten einstellen werden. Solche Veränderungen und Umbrüche finden häufig nicht über Nacht statt, sondern lassen sich über einen gewissen Zeitraum beobachten. Sie seien unter Berücksichtigung der aktuellen Situation auch unausweichlich.

Nichts ist mehr so, wie es vorher gewesen ist

Der zweite Aspekt leite sich anhand der Beobachtung ab, dass innerhalb der G7-Staaten gehaltene Einlagen plötzlich nicht mehr das sind, was sie vorher einmal gewesen sind. Wenn sich aufgrund eines möglichen Einfrierens oder gar einer Konfiskation von dort getätigten Einlagen die Vertrauensfrage stellt, so gehe dies mit einer sich anschließenden Diversifikation international gehaltenen Vermögenswerten einher.

Welche Möglichkeiten und Alternativen bieten sich an? Gold rücke in den Fokus. Akteure an den globalen Finanzmärkten, einschließlich Zentralbanken, können auf einen Kauf von Gold setzen, denn im Fall von Gold handele es sich um einen geldwerten Vermögenswert.

Auf die russische Zentralbank blickend ließe sich konstatieren, dass es aus deren Perspektive durchaus Sinn mache, einen guten Anteil in Relation zu den eigenen Gesamtvermögenswerten in Form von Gold in heimischen Tresoren zu halten. Denn Gold erweist sich für die russische Zentralbank als ein sehr nützlicher Anker. Jedenfalls trifft dies angesichts der aktuellen Lage rund um den russischen Rubel zu.

Im sich jetzt herausbildenden Geldsystem Bretton Woods III wird es darum gehen, dass sich internationale Exporteure – gleich welcher Art – in der Zukunft nicht mehr nur in Form von Fiat- oder Papierwährungen der G7-Staaten, allen voran dem US-Dollar, bezahlen lassen werden.

Es wird darüber hinaus spätestens jetzt zu einer sich beschleunigenden Diversifikation samt Umstellung auf andere Verrechnungseinheiten kommen. So hat die Russische Föderation bereits angekündigt, eigene Rohstoffe, allen voran Gas und Rohöl, fortan nur noch gegen den russischen Rubel, der seit Kurzem wiederum über eine Goldbindung verfügt, verkaufen zu wollen.

Währungsdiversifikation läuft auf hohen Touren

Gleichzeitig zeige sich bereits, dass Nationen außerhalb der G7 mehr und mehr Bereitschaft dazu an den Tag legten, Exporte und Importe auf Basis von jeweils nationalen Währungen abzuwickeln. Wenn Saudi-Arabien nun plötzlich über einen möglichen Export von Rohöl in Richtung Chinas auf Basis des chinesischen Yuans / Renminbis spräche, so falle auch diese Entwicklung unter die derzeitigen Beobachtungen.

Es handele sich ganz klar um einen Knackpunkt. Rückblickend auf Bretton Woods I handelte es sich um ein System, in dessen Zentrum sich der US-Dollar an Gold angekoppelt sah. Dem System Bretton Woods II lag hauptsächlich die Idee zugrunde, dass die Volksrepublik China als Produktionswerkbank der Welt in die Vereinigten Staaten exportiert, um dann wiederum überschüssige US-Dollars an den amerikanischen Staatsanleihemärkten zu recyceln.

Bretton Woods III werde sich als eine Art Hybridsystem der beiden zuerst genannten Systeme erweisen, da es jetzt zu einer sich intensivierenden Rückwendung hin zu einem physischen (Währungs-) Anker kommen wird.

Hierbei könne es sich sowohl um Gold als auch um andere Rohstoffe handeln. Gleichzeitig wird es zur Bildung einer Art neuen Vorhangs kommen, der Währungen aus dem Westen von Währungen aus dem Osten voneinander trennen wird.

Rubel setzt seine Rally fort

Der an der Gesprächsrunde ebenfalls teilnehmende Hedgefonds Manager Yra Harris stimmte Zoltan Pozsar in allen Belangen zu. Auch Harris machte darauf aufmerksam, dass der Rubel vor dem Einmarsch von russischen Truppen in die Ukraine an den globalen Devisenmärkten zu einem Kurs von 81 Rubel pro US-Dollar gehandelt worden sei.

Nach der Bekanntgabe der westlichen Sanktionen sei der Rubel daraufhin in der Spitze auf bis zu 150 Rubel pro US-Dollar abgestützt. Der Moskauer Kreml habe sich in Reaktion auf diese Entwicklung zu einer sehr smarten Entscheidung durchgerungen, um russisches Gas und Öl gegenüber als „unfreundlich“ bezeichneten Nationen fortan nur noch gegen russische Rubels zu verkaufen.

Anzumerken bleibt, dass der russische Rubel seine fulminante Rally gegenüber dem US-Dollar fortgesetzt hat, und nun wieder über dessen 200-Tage-Linie auf ein Mehrwochen-Hoch geklettert ist. Von einem vielerorts zuvor kolportierten Ableben des Rubels kann aus heutiger Sicht keine Rede mehr sein. Aus dem nachfolgenden Währungschart von investing.com geht diese Entwicklung anschaulich hervor.

Ganz im Gegenteil hat die russische Zentralbank auf Basis von deren jüngst getroffenen Entscheidung in Bezug auf eine Rubel-Gold-Bindung de facto eine Art „Preisboden“ im Rubel-Handel gegenüber dem US-Dollar eingezogen.

In dem oben verlinkten Bericht angestellte Berechnungen haben einen Goldpreis von 1.940 US-Dollar pro Feinunze zur Grundlage. Im heutigen Handel wird der Rubel zu einem Kurs von rund 76 pro US-Dollar gehandelt, womit dessen Kurs nun um gut fünf Pips oberhalb jenes gemessenen Kurses vor dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine liegt.

Erfolgreiche Kontersanktionen des Moskauer Kremls

In diesem wichtigen und alles entscheidenden Bereich hat der Moskauer Kreml also Mittel und Wege gefunden, um die gegenüber dem eigenen Land durch die USA und den Westen verhängten Sanktionen zu kontern.

Wenn westliche Regierungen, allen voran die deutsche Bundesregierung, bekanntgegeben haben, den Aufforderungen des Moskauer Kremls nicht Folge leisten zu wollen, um auch weiterhin in Form von Euros für russische Gas- und Öllieferungen zu bezahlen, so werden solche Schlagzeilen in westlichen Medien durch Yra Harris als „vollkommen lächerlich“ bezeichnet.

Denn an einer Einfuhr von russischem Erdgas und Rohöl ginge aus Sicht Deutschlands und der Europäischen Union auf Sicht der nächsten Jahre kein Weg vorbei. Hinzu geselle sich die Tatsache, dass sich nun schon über eine geraume Zeit eine Unterversorgung an den globalen Rohölmärkten eingestellt habe.

Wer der Ansicht sein mag, dass sich diese aufeinandertreffenden Faktoren jetzt einfach wegzaubern ließen, bewege sich geistig fernab von jedweder zugrundeliegenden Realität, wie Yra Harris befindet.

Harris stimmt mit Zoltan Pozsar darin überein, dass wir zurzeit Zeugen eines weitreichenden strukturellen Umbruchs in aller Welt werden. Ähnlich wie im Fall von Bretton Woods I vollzögen sich solche Veränderungen nicht über Nacht, sondern bildeten sich im Zeitablauf heraus.

Saudis haben genug vom dauerhaften Bashing durch die USA

Yra Harris sprach beispielsweise die sich zuspitzende Lage zwischen den Vereinigten Staaten und Saudi-Arabien an. Es fällt schwer zu verstehen, wie Harris befindet, wie jemand wie die US-Regierung einem ehemaligen Langzeitverbündeten wie den Saudis dauerhaft die Leviten lesen wolle, ohne auch nur im Geringsten mit einzukalkulieren, dass die politische Führung in Saudi-Arabien auch irgendwann einmal genug davon haben könnte, sich diesem anhaltenden Bashing auszusetzen. Dieser Zeitpunkt scheint jetzt erreicht zu sein.

Jüngst wurde berichtet, dass Saudi-Arabien in Erwägung zöge, eigene Rohöllieferungen in Richtung der Volksrepublik China zukünftig auf Basis des Yuans / Renminbis abrechnen zu wollen, womit das Fundament des sogenannten Petrodollars ins Wanken geraten würde.

Ob diesen Erwägungen in absehbarer Zeit auch Taten folgen werden oder ob es sich hierbei viel eher um ein Druckmittel der Saudis handeln könnte, bleibt für den Moment abzuwarten.

New Yorker Wall Street (noch) im Tiefschlaf?

Es erwecke den Eindruck, als ob diese sich anbahnenden Veränderungen und Umbrüche an der New Yorker Wall Street bislang noch nicht in ihrem gebührenden Ausmaß erkannt oder wahrgenommen worden sind – oder wahrgenommen werden wollen.

Zu Mentalitätsänderungen sollte es jedoch alsbald unter diesen Protagonisten kommen, da die USA im Zentrum des Systems Bretton Woods I standen. An den Grundpfeilern eben jener Tatsache werde nun allenthalben gerüttelt, was auch den Akteuren an der New Yorker Wall Street möglichst bald bewusstwerden sollte.

Während sich die Welt vom US-Dollar auf eine sich intensivierende Weise fortbewege, stünde unter Bezgnahme auf Yra Harris nämlich jetzt vermehrt die Frage im Raum, wie sich diese Entwicklung in der Zukunft auf die amerikanischen Zinsmärkte auswirken wird.

Zoltan Pozsar ergriff an diesem Punkt wieder das Wort, um darauf hinzuweisen, dass sein persönlicher Instinkt ihm sage, dass die hieraus resultierenden Auswirkungen alles andere als gut sein werden.

„Unser Dollar, Euer Problem“ hat ausgedient

Noch bis vor Kurzem habe es seitens der Vereinigten Staaten geheißen, „dass der US-Dollar unsere Währung, jedoch das Problem aller anderen ist“. Nach der Entscheidung der Kreml-Regierung in Bezug auf eine zukünftige Bezahlung von russischen Rohstoffen auf Basis des Rubels, habe sich diese Sichtweise praktisch über Nacht geändert.

Denn nun laute der Slogan laut Zoltan Pozsar wie folgt: „Es sind unsere Rohstoffe, und ihr macht euch ab jetzt Gedanken darüber, wie ihr diese Rohstoffe bezahlen wollt. Nicht wir.“

Praktisch vor unserer aller Augen sei der auf das Jahr 1973 zurückgehende Konsens in Bezug auf eine globale Bezahlung von Rohstoffen in US-Dollars zu einem Stillstand, wenn nicht gar zu seinem plötzlichen Ende gekommen.

Ähnlich wie die Russische Föderation sähen sich auch alle anderen Rohstoffexporteure auf unserer Erde dazu in der Lage, eine Bezahlung und Abrechnung dieser Rohstoffe auf Basis von deren eigenen Währungen zu verlangen.

Die russische Zentralbank befinde sich jetzt unter anderem auch in der komfortablen Lage, die Wechselkursrate des Rubels gegenüber dem Euro deutlich höher anzusetzen als vor dem Ausbruch des Ukraine-Konflikts.

In Russland herrschten Kriegszeiten und aus diesem Blickwinkel würden die Dinge jetzt auch naturgemäß betrachtet. Aus Sicht der russischen Zentralbank ginge es unter anderem darum, die heimischen Zinsen auf erträglichen Niveaus zu halten, um mögliche Langzeitschäden von der russischen Wirtschaft weitestgehend abzuhalten.

Gleichzeitig komme es nun verstärkt zu Überlegungen, ähnlichen wie im Fall der Saudis und deren Ölausfuhren nach China, russische Rohstofflieferungen in der Zukunft auch in einer zunehmenden Weise auf Basis des Yuans / Renminbis abzurechnen. Aus Sicht der russischen Zentralbank ginge eine solche Entwicklung mit der Tatsache einher, ausländische Reserven in der Zukunft in einem weit höheren Ausmaß in einer „freundlichen“ Währung zu halten.

Steigt Gold wieder zu einer Transaktionswährung auf?

Ausländische Währungsreserven lassen sich auf diese Weise durch die Russische Föderation also auch innerhalb des chinesischen Bankensystems halten. Und drittens, wie Zoltan Pozsar ausführt, könnten sich die Russische Föderation und andere große Rohstofflieferanten dieser Erde zukünftig darauf berufen, diese Lieferungen gegen eine Zahlung in Gold abzuwickeln.

Weil innerhalb des bestehenden Systems deponierte Einlagen nicht mehr sicher sind, sollte eine Staatsregierung wie der Moskauer Kreml also nicht schon bald dazu übergehen, ihre international benötigten und verschifften Rohstoffe in einem wachsenden Ausmaß gegen Goldzahlungen zu verkaufen, wie Zoltan Pozsar rhetorisch fragend in den Raum stellt.

Diese Optionen lägen spätestens jetzt für jedermann sichtbar auf dem Tisch. Auf die damit verbundenen Implikationen an den amerikanischen Zinsmärkten eingehend, ist auch Zoltan Pozsar der Ansicht, dass es sich um ein Ereignis von großer Tragweite handelt.

Bislang basierten Transaktionen an den internationalen Rohstoffmärkten fast ausschließlich auf Basis des US-Dollars oder – sich hiervon ableitend – auf Basis des Eurodollar-Systems. Zoltan Pozsar macht dies anhand eines Beispiels deutlich.

Wenn JPMorgan einen Kredit an das Rohstoffhandelshaus Glencore vergibt, werden frische US-Dollars geschöpft, die dann wiederum für einen Erwerb von Rohöl bei der saudischen Zentralbank landen. Diese überschüssigen US-Dollars fließen dann zurück in die USA, um dort in Form von Anlagen in amerikanischen Staatsanleihen recycelt zu werden.

Sand im Getriebe des bislang bestehenden Prozesses

Wenn Sand ins Getriebe dieses Prozess gerät, wovon sich aus aktueller Sicht ausgehen ließe, so gingen hiermit weitreichende Rückkopplungseffekte an den amerikanischen Finanz-, Zins-, Banken- und Staatsanleihemärkten einher, welche nicht sofort, sondern erst über den Verlauf einer gewissen Zeit sichtbar werden.

Nach einer gewissen Zeit werden die damit verbundenen Implikationen dann jedoch für jeden sicht- und spürbar. Die rund um den Globus zirkulierende US-Dollar-Geldmenge dürfte sich im Zuge dieses Prozesses als rückläufig oder stagnierend erweisen.

Andererseits geselle sich zu diesem Aspekt dann noch die bereits zuvor angesprochene Zurückhaltung unter ausländischen Zentralbanken hinzu, die ihre ausländischen Reserven in einem sich intensivierenden Ausmaß weg vom US-Dollar und hinein in alternative Anlagen und Währungen diversifizieren werden.

Eine Kombination all dieser Entwicklungen erweise sich aus Sicht der Vereinigten Staaten als gefährlich. Es werde weltweit zwar stets eine Nachfrage nach amerikanischen Staatsanleihen geben.

Im Zentrum der sich zukünftig stellenden Frage befänden sich nun allerdings Überlegungen, wie hoch diese Nachfrage ausfallen wird. Im Zentrum dieser Frage steht zudem der Fluss der zukünftigen Kapitalströme.

Überschüssige U.S. Treasuries mittels QE aufsaugen

Wenn sich ausländische Käufer an den amerikanischen Staatsanleihemärkten in einem sich verstärkenden Ausmaß zurückhalten werden, so bliebe der Federal Reserve Bank nichts anderes übrig, als jene überschüssig an den Markt strömenden Treasuries mittels Quantitative Easing aufzusaugen.

Wird eine solche sich verstetigende Entwicklung Einfluss auf den US-Dollar ausüben? Selbstverständlich wird es das, wie Zoltan Pozsar befindet. Da sich abzuzeichnen beginnt, dass große Rohstoffexportnationen wie die Russische Föderation aus dem bisher bestehenden System des US-Dollar-Recyclings auszusteigen bereit sind, werden nicht nur die Federal Reserve Bank, sondern auch andere westliche Zentralbank in einem sich intensivierenden Ausmaß in die sich hierdurch auftuende Bresche springen müssen.

Und hierfür wird ein Preis zu zahlen sein. Angesprochen auf die angespannte Lage an den Repo-Märkten zeigte sich Zoltan Pozsar davon überzeugt, dass diese heimischen – und somit auf die Vereinigten Staaten zentrierten Probleme – schon seit einiger Zeit anhand des Verlaufs des FRA-OIS zum Ausdruck kommen. Im Fall von OIS handelt es sich um die sogenannte Overnight Index Swap Rate.

Es handele sich hierbei trotz allem um eine sehr interessante Angelegenheit. Denn wenn US-Dollars nicht mehr in einem vergleichbaren Ausmaß wie in der Vergangenheit geschöpft werden, und ausländische Zentralbanken sich just aus jener Währung zurückziehen, auf deren Basis über den Verlauf der letzten Jahrzehnte nahezu der gesamte Rohstoffhandel abgewickelt worden sei, zeichne sich bereits ab, dass dies auch langfristige Auswirkungen auf zu zahlende US-Dollar-Premiums haben wird.

Auf welche Weise sich dies wiederum mittel- bis langfristig auf FRA-OIS auswirken wird, bleibe für den Moment abzuwarten. Mittelfristig werde sich beobachten lassen, dass sich internationale Finanzierungen auf Basis des US-Dollars als rückläufig erweisen werden, während der globale Handel auf Basis von anderen Währungen auf eine bedeutsame Weise zunehmen dürfte.

Fed wird auf Sicht abermals ranmüssen

Sollten sich ausländische Zentralbanken fortan auf eine sich intensivierende Weise an den amerikanischen Staatsanleihemärkten zurückhalten, wovon ausgegangen werden müsse, so bliebe der Federal Reserve Bank keine andere Option, als diese fehlenden Käufe durch eine Ausweitung ihres eigenen Bilanzbuchs zu substituieren.

Eine Fortsetzung von QE wäre also die damit verbundene Folge. Allerdings würde es in diesem Zuge erwartungsgemäß nicht zu einer expandierenden US-Dollar-Geldmenge rund um den Globus kommen, da die Fed einfach nur jene Gelder elektronisch erzeugen würde, die in der Zukunft im Handel an den amerikanischen Staatsanleihemärkten fehlen würden.

Yra Harris äußert sich an dieser Stelle ein wenig zurückhaltend. Nochmals auf die ehemalige Bekanntgabe in Bezug auf eine stehende beziehungsweise langfristige Repo-Fazilität der Fed eingehend, habe sich Harris schon zum damaligen Zeitpunkt überrascht ob deren Umfangs gezeigt.

Selbstverständlich sei die weltweit zur Verfügung stehende US-Dollar-Geldmenge auf diese Weise ausgeweitet worden. Die sich aus seiner persönlichen Sichtweise stellende Frage laute, ob sich die Federal Reserve Bank nicht zu einem viel zu hohen Grad abhängig gemacht habe von dieser langfristigen Repo-Fazilität.

Repo-Märkte: Fed verfügt über gar keine anderen Alternativen

Zoltan Pozsar antwortete hierauf, dass es aus Sicht der Federal Reserve Bank überhaupt keine andere Alternative gäbe, als sich von diesem Instrument abhängig gemacht zu haben. Um was drehe sich alles an den internationalen Geldmärkten? Die Antwort hierauf laute: Um die Schöpfung frischen Geldes und eine daraufhin erfolgende Kreditvergabe dieser Gelder durch die Banken.

Um diese Gedanken nun auf die Situation an den internationalen Rohstoffmärkten zu übertragen, so ließe sich sagen, dass der Fremdfinanzierungsgrad an diesen speziellen Märkten überaus hoch sei. Dies sei auch verständlich, wenn bedacht werde, dass diese Rohstoffe nicht nur eingekauft, sondern in der Folge auch weltweit von A nach B verschifft und transportiert werden müssten.

Sowohl Kredite als auch Bankeinlagen werden im Zuge dieses Prozesses also zu einem hohen Grad kreiert. Ein weiteres Mal wies Zoltan Pozsar darauf hin, dass es sich hierbei um Dinge handele, die insbesondere das Eurodollar-System beträfen.

Globale Inflation wird steigen

Diesen langjährigen Prozess zu unterbrechen, um einen Teil der eigenen Rohstoffrechnungen fortan auf Basis des Yuans / Renminbis, Rubels oder vielleicht auch der indischen Rupie zu auszustellen, werde zur Folge haben, dass nicht nur der US-Dollar seine tragende Rolle in diesem seit Jahrzehnten bestehenden System einbüßen, sondern dass auch die weltweite Inflation steigen wird.

Anlagen in Form von amerikanischen Staatsanleihen würden damit ebenfalls immer uninteressanter, weshalb sich die Blicke unter Investoren in Richtung der Aktienmärkte oder in Richtung eines Kaufs von Sachwerten jedweder Art richten werden.

Wichtig sei es zu verstehen, dass die zukünftig im internationalen Rohstoffhandel kreierten und genutzten Währungen nicht mehr zurück an die amerikanischen Staatsanleihemärkte fließen, sondern sich Anlageinstrumente auf Basis von alternativen Währungen oder Anlageklassen suchen werden.

Es wird also jemand anderes sein. Und wer anderes als die Federal Reserve Bank sollte es sein, der zukünftig das benötigte Geld erzeugen wird, um die Situation an den amerikanischen Staatsanleihemärkten im Gleichgewicht zu halten. Welchem Mechanismus sich die Federal Reserve Bank zu diesem Zweck bedienen werde, bleibe aus aktueller Sicht abzuwarten.

Zoltan Pozsar geht allerdings davon aus, das die Repo-Fazilitäten der Federal Reserve Bank eine Rolle, wenn nicht sogar eine tragende Rolle, spielen werden. Hieraus würden sich dann wiederum andere Herausforderungen ergeben, da die Fed ihre langfristige Repo-Fazilität wohl nur mittels einer Liquiditätsexpansion wird verteidigen und aufrechterhalten können.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts von Roman Baudzus basiert auf einem Roundtable-Gespräch zwischen Zoltan Pozsar und Yra Harris, das auf dem Kanal YouTube veröffentlicht wurde (eine Fortsetzung folgt in der nächsten Woche).

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"