Die nicht zur Euphorie neigende „International Atomic Energy Agency (IAEA)“ hatte im September 2021 erstmals seit zehn Jahren ihre Projektionen für das potentielle Wachstum der Nutzung der Kernenergie heraufgesetzt. Im Maximalfall ging das Institut von einer Verdopplung der bestehenden Kapazitäten bis zum Jahr 2050 aus.

Selbst im Minimalszenario wurde kein Absinken des Anteils der Nuklearenergie an der gesamten Energieerzeugung mehr erwartet. Der globale Primärenergiekonsum legt weiter deutlich zu. Selbst ein nur konstanter Anteil wäre somit gleichbedeutend mit einem Anstieg der absoluten Stromerzeugung aus Kernenergie.

Für das Eintreffen des maximalen Szenarios der Verdopplung der Kapazitäten sei jedoch, so hieß es im Bericht aus dem Herbst 2021, eine rasche und deutliche Steigerung der Investitionen nötig. Damals war eine entsprechende Dynamik noch nicht absehbar. Spätestens seit dem Frühjahr 2022 aber ist diese erkennbar. Nicht nur diejenigen Länder, die der Kernenergie seit jeher offen gegenüberstanden, fahren die Investitionen in Reaktoren und Forschung deutlich hoch. Selbst viele Länder, die bisher keine Kernkraft nutzen steigen in die Kernenergie ein. Der deutsche Ausstieg ist somit, unabhängig davon wie man ihn persönlich bewerten mag, eine Ausnahme.

Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung der gesamten, weltweiten Erzeugung von Primärenergie nach Energieträger bzw. Erzeugungsart. Der Anteil der fossilen Energieträger ist über die Jahre nicht nennenswert gesunken. Zu konstatieren sind lediglich Verschiebungen innerhalb der fossilen Energieträger. Die Verteilung zeigt die Daten bis 2020, was jedoch keinen Einfluss auf die Gesamtbeurteilung hat. Seither hat sich im Wesentlichen der Anteil von Gas zu Lasten von Öl erhöht. Das gelb gefärbte Segment ist Photovoltaik und Wind.

 

In den letzten beiden Jahren ist bekanntermaßen auch die Kohle wieder auf dem Vormarsch. In absoluten Zahlen hat mit dem gesamten Energieverbrauch auch der fossile Bereich nicht abgenommen, sondern deutlich zugelegt. Wer sich trotz der oft zu lesenden hohen Wachstumsraten über den sehr geringen Anteil von Photovoltaik und Windenergie wundert, der sei an den Basiseffekt erinnert. Wenn die Nutzung einer Energieform mit einem Anteil von 5% um 10% zulegt, dann entspricht das in absoluten Zahlen einem Zuwachs vom 0,5 Prozentpunkten. Einer Energieform mit einem Anteil 25% muss lediglich um 2% zulegen, um diesen Wert zu erreichen.

Die teils euphorischen Reaktionen auf hohe Wachstumszahlen kleiner Segmente sind daher befremdlich. Dies gilt ebenso für die auch von manchem Professor emsig und höchst unprofessionell gewechselten Bezugsgrößen. Bei einer ungeliebten Erzeugungsart wird deren Erzeugung mit dem deutschen Primärenergiebedarf verglichen, bei der bevorzugten Energieform wird der Anteil am deutschen Stromverbrauch zur sonnigen Mittagszeit bejubelt.

Da der Strom hierzulande nur rund ein Fünftel des Primärenergiebedarfs ausmacht, kann man so seine Lieblingsenergie ins gewünschte Licht rücken. Dafür wäre man früher zu Recht selbst aus einem Seminar geworfen worden und hätte bestenfalls bei einer Werbeagentur anheuern können. Heute reicht so etwas offenbar für eine Professur.

 

Vom hierzulande herbei fantasierten globalen Niedergang der Kernenergie war schon in den letzten Jahren nichts zu erkennen. Etwaige Rückgänge in einigen Ländern wurden durch eine höhere Erzeugung andernorts kompensiert. Angesichts des von vielen Ländern in Gang gesetzten erneuten Ausbaus der Kernenergie dürften bald neue Hochs bei der Erzeugung erreicht werden.

 

Wie bei fast allen Darstellungen zum Energieverbrauch lässt sich auch bei der Kernenergie die Marginalisierung der Bedeutung Deutschlands feststellen. Ob Deutschland aus der Kernenergie aussteigt ist eine Frage, die Deutschland und aufgrund der zu erwarteten erhöhten Nachfrage nach Stromimporten das europäische Ausland interessiert. Generell wäre es sinnvoller, sich neben der eigenen Erzeugung auch den eigenen Konsum nach Erzeugungsformen anzuschauen. Von einem Importverbot für Strom aus Kernkraftwerken war bisher nichts zu lesen.

„Was heißt das konkret für mich!?“

Für die weltweite Entwicklung spielen die in Berlin getroffenen Entscheidungen ebenso keine Rolle, wie die Reduktion des hiesigen Gas-, Kohle oder Ölverbrauchs durch die Deindustrialisierung. Dementsprechend werden zeitgenössische deutsche Thesen zur Energiepolitik im Ausland im höflichsten Falle mit einem Schmunzeln quittiert.

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