Die Verbesserung der Produktivität ist die Basis für die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes. Dies gilt unabhängig davon, ob man die Bedeutung der Wettbewerbsfähigkeit - aus welchen Gründen auch immer - in Abrede stellt oder nicht. So wie die ökonomischen Prinzipien unabhängig vom jeweiligen Wirtschaftssystem greifen, so bleibt auch das Prinzip der relativen Attraktivität von Wirtschaftsregionen unabhängig davon erhalten, ob man Lust darauf hat oder nicht.

Die anhaltende relative Schwäche der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands ist für die Menschen vor Ort keine Überraschung mehr. Mittlerweile finden sich vielerorts Grafiken, die den stetigen Niedergang klar visualisieren. Die folgende Abbildung von Bloomberg zeigt den Verlauf der Konsenserwartungen für die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes Deutschlands und der USA.

Bekanntermaßen gibt es zahlreiche philosophische Diskussionen darüber, ob das BIP ein geeigneter Maßstab für das Wohlbefinden der jeweiligen Bevölkerung ist. Natürlich ist das ebenso wenig der Fall wie ein normaler Puls nicht zwingend bedeutet, dass jemand mit seinem Leben zufrieden ist. Das BIP misst was es misst, nicht mehr und nicht weniger. Generell weisen allerdings viele andere Fortschritts- und Wohlstandsindikatoren eines Landes langfristig oft in die gleiche Richtung wie dessen BIP-Entwicklung.

Ein wichtiger Baustein bei der Entwicklung der Gesamtwirtschaft ist die Verbesserung der Produktivität. Die kürzlich veröffentlichten Grafiken zur Produktivitätsentwicklung zeigen ähnlich wie die wirtschaftliche Entwicklung eine auseinanderlaufende Entwicklung zwischen den USA und Europa, insbesondere Deutschland.

Während die USA eine stetige und bemerkenswerte Steigerung der Produktivität aufweisen, zeigen die Daten für Deutschland nicht nur eine schwächere Dynamik, sondern sogar einen absoluten Rückgang.

Die USA profitieren unter anderem von einer starken Integration von Technologie, einer hohen Flexibilität des Arbeitsmarktes sowie der Förderung innovativer Prozesse. Im Gegensatz dazu führen eine teils abstrus komplexe und starre Regulierung sowie ein tendenziell langsamerer Ansatz beim Einsatz neuer Technologien in Deutschland zu einer schwächeren Produktivitätsentwicklung.

Es geht nicht darum, einzelne dieser Punkte binär als „gut“ oder „schlecht“ zu klassifizieren. Das Gegenteil von zu viel Regulierung ist bekanntlich nicht gar keine Regulierung, sondern eine bessere Regulierung.

Gleiches gilt für den Arbeitsmarkt. Das Gegenteil von „Bürgergeld für alle“ ist nicht die Rückführung der Arbeitnehmerrechte auf null. Die Frage aber, was man verbessern kann und sollte, muss erlaubt sein. Gleiches gilt ebenso für gesellschaftlichen Anreizsysteme, zu denen auch die Entwicklung der Gehälter und der enorme Einfluss der Steuer- und Abgabenlast gehören. Bei der Gelegenheit, diese Dinge kritisch zu hinterfragen, könnte man gleich darüber nachdenken, ob die Verschwendung von Steuern nicht ebenso hart geahndet werden sollte wie deren Hinterziehung.

Die folgende Grafik führt uns zurück zur Produktivität. Die Linien stellen die Entwicklung der Kennzahl in den USA und in Deutschland über die letzten zehn Jahre dar. Der unterschiedliche Startpunkt soll hier keine Rolle spielen. Es geht lediglich um die strukturell unterschiedlichen Verläufe. Einmal sehen wir eine Verbesserung, im anderen Falle eine Verschlechterung.

Der Blick auf die langfristige Entwicklung der Produktivität in Deutschland zeigt, wie sehr sich die letzten Jahre von ihrem über Dekaden bis in die 2000er-Jahre etablierten Muster entfernt haben. War die kontinuierliche Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit einst eine Stütze der wirtschaftlichen Entwicklung und früher ein wichtiger Einflussfaktor auf die Stärke der D-Mark, so regiert nun die Stagnation. Wie der Verlauf zeigt, hat man sich in dieser Hinsicht der Einheitswährung mittlerweile auch qualitativ angenähert. Es kommt halt auf das Ziel an, wenn es darum geht, wie man eine Entwicklung beurteilt.

Die langfristigen Risiken einer zurückbleibenden Produktivität sind vielfältig. Für die Wirtschaft bedeutet dies eine niedrigere Wettbewerbsfähigkeit, die sich in einer schwächeren Exportleistung und geringeren Investitionen ausdrücken wird.

Für die Gesellschaft kann eine geringere Produktivität zu einem langsameren Einkommenswachstum und damit zu stagnierenden oder sogar sinkenden Lebensstandards führen. Da viele offenbar einen niedrigeren Lebensstandard begrüßen, kann man sagen, das Schiff Deutschland ist auf Kurs, denn diesbezüglich laufen alle Maschinen mit voller Kraft in die gewünschte Richtung.

„Was heißt das konkret für mich!?“

Sinkende wirtschaftliche Stärke ist in der Regel mit sinkender geopolitischer Bedeutung verbunden. Im Falle Deutschlands stellt sich der Eindruck ein, dass beides gleichermaßen schnell abnimmt. Auf Ratschläge von den Vertretern eines Landes, in dem es wirtschaftlich nicht rund läuft und das höflich formuliert Probleme hätte, sich im Ernstfall eigenständig zu verteidigen, dürfte weltweit niemand warten.

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