In vielen Unternehmen sind Angestellte mit einer Fülle von Aufgaben beschäftigt, die wenig oder gar nichts zur Produktivität oder zum eigentlichen Geschäftswert beitragen. Sei es das ständige Ausfüllen von Berichten, das Abarbeiten endloser E-Mails oder die Teilnahme an Meetings ohne klare Struktur.  Solche Tätigkeiten kosten Zeit, bringen nichts und frustrieren mit der Zeit jeden, der noch eine Restmotivation hat.

Der Fokus der Arbeit liegt meist darauf, Prozesse einzuhalten und – analogen und digitalen - Papierkram zu erledigen. Oft scheint es wichtiger zu sein, einen bestimmten Zettel rechtzeitig an einen internen Adressaten zu senden, als den Kernprozess der Produktherstellung oder der Erbringung der Dienstleistung am Laufen zu halten. Es würde uns nicht überraschen, wenn in der Arbeitswelt auch auf dieser Ebene das Pareto-Prinzip greift. Demnach würden lediglich 20 % der Tätigkeiten noch direkt mit dem Unternehmenszweck zu tun haben während die anderen 80 % sich im Prozess-Nirwana auflösen. In vielen Branchen dürfte die Schätzung von 20 % sogar zu hoch gegriffen sein.

Ob eine Tätigkeit sinnlos ist oder nicht spielt hinsichtlich der dafür eingesetzten Arbeitszeit keine Rolle. Daher hat die Medaille des Fachkräftemangels zwei Seiten. Die eine Seite beschreibt die Situation in Branchen, die Schwierigkeiten haben, Menschen mit einer relevanten und umfassenden Ausbildung zu finden. Einen Heizungsinstallateur durch einen Zimmermann zu ersetzen (oder umgekehrt) ist in der Regel keine gute Idee.

Die zweite Seite der Medaille ist mit Arbeitskräftemangel besser beschrieben, denn für viele einfache Dienstleistungs- und Verwaltungstätigkeiten sind oft nur überschaubare Fachkenntnisse erforderlich oder aber es gibt Arbeitsfelder, die sehr große Schnittstellen aufweisen, sodass es in relativer kurzer Zeit möglich ist, eine andere aber ähnliche Tätigkeit auszuüben. Treffender, wenn auch etwas sperrig, wäre hier die Formulierung „Schwierigkeit, Leute zu finden, die den Job machen wollen“. Dieses Problem wird von Anreizsystemen gefördert, die vielen, die noch arbeiten gehen, das Gefühl geben, mit einer Mütze herumzulaufen, auf der in Leuchtbuchstaben „Depp“ steht.

Eine Ursache des Mangels an echten Fachkräften liegt vermutlich weniger am Arbeitswillen technisch oder handwerklich interessierter Menschen als an den Folgen der vor Jahrzehnten begonnenen und in den letzten Jahren perfektionierten Schleifung des Bildungssektors. Die Spannbreite der Schulen ist natürlich ebenso enorm wie die Vielfalt ihrer Einzugsgebiete, und so gibt es wie immer Licht und Schatten. Das Ignorieren von Leistungsunterschieden und das Schönreden von Fehlern und Problemen führen jedoch offensichtlich nicht zu einer generellen Steigerung des Wissens. Dies zeigt sich seit Jahren auch im Alltag.

So glauben manche Zeitgenossen sogar, man könne als Schüler streiken, obwohl man ja Empfänger der Leistung ist und nicht deren Erbringer. In solchen Momenten zeigt sich die Bildungsmisere in vollendeter Schönheit. Wir streiken jetzt auch – machen Sie mit! In dieser Woche stellen wir die Mülltonnen nicht an die Straße. Das wird den Müllmann bestimmt ärgern.

Doch auch hinsichtlich der Menge der Arbeit stellt sich die Frage, ob wirklich ein Mangel an Arbeitskräften besteht, oder das Problem woanders liegt – nämlich in einem Überschuss an sinnlosen Aufgaben. Dafür sorgt nicht zuletzt die stetig zunehmende Regulierung in vielen Branchen.

Während einige Vorschriften zweifellos notwendig sind, führen andere oft zu einer unnötigen Belastung für Unternehmen, ohne einen Nutzen zu schaffen. Die Regulierung im Finanzwesen ist nur eines von vielen Beispielen. Mannigfaltige Risikohinweise und die damit verbundene Zettelwirtschaft, die vorgeblich die Anleger schützen sollten, haben in den letzten Jahren rein gar nichts bewirkt.

Wer gerade in Echtzeit erleben darf, wie die so genannte „Nachhaltigkeit“ auf allen Ebenen in die Arbeits- und Dokumentationsprozesse gedrückt wird, der hat einen guten Eindruck davon, was mit dem Begriff sinnloser Regulierung gemeint sein könnte. Der Umfang und die begriffliche Schwammigkeit der Regulierung sorgen derweil für nachvollziehbare Sorgen der Institute, Fehler zu begehen. So wächst der Aufwand und mit ihm die Zahl der Arbeitskreise und Gremien. Unterdessen freuen sich die Berater und Wirtschaftsprüfer über Folgeaufträge.

Am Ende wird dies zu einer erhöhten Arbeitsbelastung, mehr sinnloser Dokumentation und zusätzlichen Kosten führen. Herauskommen wird ansonsten nichts. Den Frust der Belegschaft gibt es zum zusätzlichen Aufwand gratis dazu, denn die Arbeit als Dauerprozession um eine sich füllende Rundablage ist weder befriedigend noch produktiv, während die systemweit anfallenden gestiegenen Kosten schlussendlich immer beim Konsumenten landen.

Könnten viele Prozesse im Wesentlichen auf das reduziert werden, worum es im Unternehmen geht, dann wäre sehr viel Arbeitszeit gewonnen. Das gilt an anderer Stelle. So hätte eine drastische Vereinfachung des Steuersystems spürbare positive Effekte. Allein die Nutzung einheitlicher Steuersätze für alle Einkommensarten und die Abschaffung jeglicher Ausnahmen würde eine Menge bringen. Man denke an die schöne Arbeitszeit, die für die Steueroptimierung, die Beratung, die Steuerprüfung oder die Verfolgung von Steuerdelikten aufgewendet wird. Auch dürften die wenigsten ahnen, wie der Irrgarten des Steuersystems für größere Kapitalanleger aussieht.

Ein eher einfaches Beispiel sind verschiedene Steuersätze für verschiedene Gesellschaftsformen. Diese werden abschließend garniert mit einer ebenfalls unterschiedlichen steuerlichen Behandlung verschiedener Kapitalanlagen innerhalb dieser unterschiedlichen Gesellschaftsformen. In anderen Branchen sollte es ähnliche abstruse Beispiele geben. Der „kleine Mann“, der immer noch denkt, seine paar hundert Euro Steuerrückerstattung wären der Beleg dafür, per Saldo ein Profiteur des Steuersystems zu sein, ist beneidenswert naiv.

Ein Abschaffen undurchsichtiger Strukturen, die den Bedarf einer Beratung ja erst in die Welt setzen, wäre einfach und würde die Transparenz erhöhen. Leider ist Intransparenz ein beliebtes Herrschaftsinstrument. Ein weiteres bürokratisches Monstrum, dessen Aussterben wünschenswert wäre, ist die Umsatzsteuer. Diese frisst sich bekanntlich in finanzieller und bürokratischer Hinsicht neutral durch das ganze System, bis der Verbraucher als letztes Glied in der Nahrungskette an der Reihe ist.

Eine Abschaffung der Umsatzsteuer wäre ein großer Wurf für Unternehmer. Für Steuerberater, Angestellte und Beamte des Finanzministeriums und die Hersteller von Steuersoftware wären derartige Vereinfachungen zwar keine guten Aussichten. Aber dank des Fachkräftemangels wird schon jeder sein neues Plätzchen finden.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Die Diskussion um den Fachkräftemangel sollte um eine weitere Dimension erweitert werden: Den Überschuss an unproduktiven und sinnlosen Aufgaben. Durch die Reduzierung unproduktiver Tätigkeiten, die Nutzung von Technologie zur Automatisierung und einen Fokus auf die Sinnhaftigkeit von Arbeit im Sinne des Kernprozesses eines Unternehmens könnten vorhandene Fachkräfte besser genutzt und der vermeintliche Mangel an qualifiziertem Personal zumindest gelindert werden. Das Steuersystem kann man aber natürlich auch einfach so vereinfachen.

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