Ein Grund ist natürlich der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen. Lange, auch nach dem 24. Februar 2022 hatte die Regierung am ursprünglichen Plan des Kohleausstiegs festgehalten.

Griechenland hat, auch aus Gründen der Erdbebensicherheit, keine Kernkraftwerke. Die Kosten für Ptolemaida 5, wie das Kraftwerk heißt, liegen mit rund zwei Milliarden Euro dennoch im Preisbereich, der für ein griechisches Kernkraftwerk veranschlagt werden könnte. Es wurde 2007 geplant, 2015 begann der Bau, der Jahre brachlag.

Ein „grüner“ Konservativer

Der konservative Mitsotakis hatte sich bereits im Wahlkampf 2019 als bekennender grüner Politiker geoutet. Er propagierte einen raschen Wechsel weg von der heimischen Kohle, hin zu erneuerbaren Energiequellen. Zur Energiesicherheit sollte als Übergangsenergiequelle das als sauberer als Kohle eingestufte Erdgas dienen.

Seine Vision präsentierte Mitsotakis wenige Monate nach dem Amtsantritt im September 2019 beim Weltklimagipfel. Er versprach seinerzeit, dass statt erst 2030, bereits 2028 die letzten Kohlekraftwerke im Land abgeschaltet werden würden.

Dass Griechenland deswegen noch mitten in der Wirtschaftskrise von der billigeren heimischen Braunkohle auf importiertes Gas setzen musste, sah Mitsotakis im Zusammenhang mit dem Klimawandel als vernachlässigbares Problem an. Schließlich berief sich Mitsotakis darauf, dass die Folgen des Klimawandels, verheerende Waldbrände, Griechenland bereits heimsuchen würden.

Die Opposition bemängelte, dass der Kohleausstieg im Hauruckverfahren und ohne Plan nicht nur tausende Arbeitsplätze kosten, sondern auch die Energie für die Bürger und die Industrie verteuern würde. Bemerkenswert daran ist, dass die größte Oppositionspartei SYRIZA während ihrer Regierungszeit auf den Wahllisten für das Parlament auch Politiker der griechischen Grünen hatte.

Die Grüne Partei spielt in Griechenlands Politik keine große Rolle. Aus eigener Kraft kann sie die drei Prozent Sperrklausel für den Einzug ins Parlament nicht schaffen. Trotzdem gibt es in Griechenland bereits seit Jahrzehnten ein Bewusstsein für den Klimawandel. Schon im Dezember 1980 legten große Umwelt-Demonstrationen das Zentrum Athens lahm. Damals war der Smog in der Hauptstadtregion, in der ein Drittel der Bevölkerung lebt unerträglich.

Linke und sozialdemokratische Parteien schrieben sich den Umweltschutz auf die Fahnen und „verhinderten“ so, dass die Grünen sich als politische Strömung etablieren konnten. Doch auch die zur EVP gehörende Nea Dimokratia scheute sich nicht vor Umweltschutzmaßnahmen, wenn sie notwendig erschienen.

So wurde das für jeweils die Hälfte der im Land zugelassenen Fahrzeuge gültige Fahrverbot in Athen 1979 vom damaligen konservativen Premier Konstantinos Karamanlis eingeführt. Andreas Papandreou, Gründer der zunächst sozialistischen PASOK legte 1982, ein Jahr nach seinem Amtsantritt fest, dass dieses „Daktylios“ genannte Fahrverbot dauerhaft gesetzlich verankert wurde. Der aktuelle Premier nutzte das Verbot, um mit Ausnahmen für Elektrofahrzeuge und Hybride den Anreiz für den Umstieg auf klimaneutralere Fahrzeuge zu verstärken.

Kohleausstieg lief zunächst nach Plan

Mitsotakis erleichterte mit einer lascheren Gesetzgebung die Installation von Windrädern, die nun auch in archäologischen Stätten und Naturschutzgebieten mit schnellen Genehmigungsverfahren installiert werden können. Am 7. Oktober 2022 feierte die Regierung den ersten Tag, an dem die Elektrizitätsversorgung des Landes allein mit erneuerbaren Energiequellen abgedeckt werden konnte als großen Erfolg.

Bis Ende 2021 galt als Zeitplan für die Abschaltung der Braunkohlekraftwerke, dass alle, bis auf das noch nicht fertiggestellte Ptolemaida 5 bis Ende 2023 abgeschaltet werden.

Der Zeitplan sah folgendermaßen aus:

2021: Die Werke Kardia 3-4 wurden bereits abgeschaltet.

2022: Die Werke Megalopoli 3 und Agios Dimitrios 1-4 sollten abgeschaltet werden.

2023: Agios Dimitrios 5, Meliti 1 und Megalopoli 4 sollten abgeschaltet werden.

2025: Ptolemaida 5 sollte auf Erdgas umgestellt werden.

Krieg und Energiesicherheit

Durch den Krieg ergaben sich neue Umstände. Die Kritik wegen des Kohleausstiegs kam bereits im April nicht mehr nur aus der Ecke der linken Opposition, sondern auch aus der regierungsnahen Wirtschaftspresse. Im Wirtschaftsmagazin Naftemporiki rechnete Professor Giannis Mylopoulos der Regierung vor, dass wegen des Kohleausstiegs die Elektrizitätspreise in Griechenland höher ansteigen würden, als in Mitteleuropa. Erste Diskussionen über einen Ausstieg vom Kohleausstieg wurden bereits im Januar 2022 von Parlamentariern der Nea Dimokratia angestoßen

Für die bestehenden Gaskraftwerke wurde bereits im August 2022 geplant, diese auch mit Erdöl betreiben zu können. Megalopoli 3 und Agios Dimitrios 1-4 wurden wegen des Krieges nicht wie geplant abgeschaltet. Für Ptolemaida 5 wurde zunächst ein Betrieb mit Braunkohle bis 2028 geplant. Danach sollte das Kraftwerk entweder für eine Übergangszeit mit Biomasse betrieben, oder bis 2031 zum Gaskraftwerk umgerüstet werden.

Auch dieses Datum für den Kohleausstieg wird nun nicht mehr gehalten. Die Zeitung Kathimerini berichtet in Berufung auf Kreise des halbstaatlichen Elektrizitätserzeugern Public Power Company, dass Ptolemaida 5 auch über 2028 hinaus als Kohlekraft für die Energiesicherheitsreserve sorgen soll.

Zur Einweihung erklärte Mitsotakis, „Das Kraftwerk wird in Zukunft eine strategische Reserveeinheit für das Land sein“. Er betonte dessen Bedeutung für die Energiesicherheit des Landes. „Die Energiesicherheit unseres Landes schreibt vor, dass wir alle zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um uns vor möglichen Energiekrisen, wie der, die wir heute erleben, zu schützen“, fügte der Chef der PPC Georgios Stassis hinzu. Die PPC erklärt, dass sie nicht beabsichtigt, ihre Investition nicht vollständig zu nutzen. Es wird erwartet, oder erhofft, dass Brüssel dem Ausstieg aus dem Ausstieg keine Steine in den Weg legt.

Der Journalist Michalis Stoukas präsentierte nach der Eröffnung von Ptolemaida 5 in seinem Artikel über das Werk die Geschichte der Braunkohleregion Eordaia, in der Ptolemaida liegt. Er verweist darauf, dass die Braunkohlevorkommen bereits in der Antike bekannt waren. Systematisch abgebaut wurde der Brennstoff, für den sich bereits Griechenlands erster König, der Wittelsbacher Otto I. interessierte, in Griechenland zunächst ab 1873 auf der Insel Euböa,

Eordaia wurde erst im 20. Jahrhundert bergbaulich erschlossen. In seiner Blütezeit lieferte der Bergbau in Eordaia rund achtzig Prozent der griechischen Braunkohle, die auch exportiert wurde. Bis zu sechzig Prozent der gesamten Stromproduktion des Landes wurden mit der Kohle aus der westmakedonischen Region erzeugt.

Stoukas stellt zum Abschluss die Frage: „Kommt es zum Kohleausstieg des Landes und natürlich von Ptolemaida?“ Er kommt zum Schluss, „die russische Invasion in der Ukraine führte zur Aussetzung dieser Entscheidung für 2028. In einer Welt, die sich schnell verändert und in der einige Ereignisse (siehe Erdbeben in der Türkei) völlig unvorhersehbar sind, kann niemand mit Sicherheit sagen, was und wie es sein wird und was bis dahin passiert.

Politik verkauft Braunkohle als „sauber“

Mitsotakis, der sich lange als Vorreiter der „grünen Wende“ feierte, findet nun Argumente für seinen Rücktritt vom Ausstieg. Er erklärte zur Einweihung,

Ptolemaida 5 ist mit einer Leistung von 660 MW das modernste und effizienteste verfügbare Braunkohlekraftwerk in Griechenland. Dank der Verwendung der besten Technologien und seiner Bauart kann es mit den Einheiten konkurrieren, die Erdgas mit den geringstmöglichen Kohlendioxidemissionen verfeuern, während es 43 % mehr Energie bei 7 % weniger Kraftstoffverbrauch erzeugt.“

„Was heißt das für mich konkret!?“

Anders gelesen wird den Wählern nun die Geschichte einer „sauberen Braunkohle“ verkauft und deren Effizienz mit der von Erdgas verglichen, wobei der Kraftstoff vorher noch verteufelt wurde. Denn in der aktuellen Krise ist der Kohleausstieg für Griechenland schlicht zu teuer – er kostet zu viel „Kohle“.

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