Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer ist an gestrigen Donnerstag in Berlin eingetroffen. Während seines zweitägigen Aufenthaltes wird Nehammer mit seinem Amtskollegen Olaf Scholz, aber auch mit Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner (FDP) sprechen. Selbstverständlich wird es dabei um die Abhängigkeit vom russischen Gas gehen.

Sowohl Wien als auch Berlin sind stark von russischen Gaslieferungen abhängig und lehnen daher ein von der Ukraine und Experten gefordertes Energieembargo gegen Russland kategorisch ab. Der österreichische Bundeskanzler ließ schon im Vorfeld seiner Deutschland-Reise erklären, dass das für Österreich nicht infrage käme, weil es sei, wie „wenn man sich ins linke und rechte Bein gleichzeitig schießen würde“.

Bundeskanzler Scholz stimmt dem grundsätzlich zu und warnte bereits, vor einer Wirtschaftskatastrophe, falls Russland seine Gaslieferungen einstellen würde.

Scholz wird dabei von Wirtschaftswissenschaftlern bedrängt, überwiegend neoliberal und transatlantisch positioniert, die zwar Wirtschaftswissenschaften studiert haben, aber offensichtlich nichts von Wirtschaft verstehen.

Der Bonner Ökonom Moritz Schularick hält ein Gas-Embargo gegen Russland aus deutscher Sicht für verkraftbar. "Ein Energie-Embargo gibt es nicht zum Nulltarif, aber es ist machbar. Wenn die Energiepreise steigen, werden die Verbraucher ihr Verhalten anpassen - sie werden die Heizung herunterdrehen, einen Pullover anziehen, ihr Haus besser dämmern oder die Heizung austauschen", sagte Schularick der "Rheinischen Post".

Soweit eine der vielen Stimmen aus dem akademischen Elfenbeinturm. Experten die weit besser über die ökonomischen Realitäten informiert sind, zeichnen hingegen ein düsteres Bild.

Der Chemiekonzern BASF hat vor drastischen Folgen eines möglichen Gasembargos aus Russland gewarnt. Sollten die Gaslieferungen um die Hälfte reduziert werden, würde das Werk in Ludwigshafen – der größte Chemiestandort der Welt – den Betrieb einstellen müssen. Dann sei mit erheblichen Auswirkungen auf die Grundversorgung der Bevölkerung nicht nur in Deutschland und damit auf das Gemeinwesen zu rechnen, erklärt der Konzern anlässlich seines Investorentages. Vorstandschef Martin Brudermüller sagte, es gebe keine Möglichkeit, russisches Gas kurzfristig zu ersetzen. Der Konzern arbeite intensiv daran, die Abhängigkeit von Gas zu verringern. Kurzfristig sei dies jedoch nicht möglich.“

Das Schweigen der Annalena

Außenministerin Baerbock, die noch am 25. Februar bezüglich der von der EU verhängten Sanktionen verkünden ließ: "Das wird Russland ruinieren", schweigt sich inzwischen zu diesem Thema ebenso aus, wie Ursula von der Leyen, die großspurig behauptete“ "Die Sanktion beißen ganz hart, das merkt man. Die russische Wirtschaft wankt!“

Robert Habeck wurde in Katar über den Tisch gezogen

Inzwischen wankt Wirtschaftsminister Robert Habeck, dessen übliche Selbstzufriedenheit inzwischen einer großen Unsicherheit gewichen ist, die der Spiegel mit folgenden, mitfühlenden Worten umschrieb:

Gerade die Grünen erleben in der Regierung einen Realitätsschock. Angetreten, das Klima zu retten, geht es nun noch um viel mehr: um den Weltfrieden. Das verlangt der Partei der Pazifisten einiges ab, und das Spannende ist: Man kann Robert Habeck jeden Tag dabei zusehen, wie er den Realitätsschock verarbeitet.“

In der Tat: Nach seinem Besuch in Katar steht Habeck keineswegs besser da, denn der Energieminister des Emirats ließ kürzlich verlautbaren:

Niemand verfügt derzeit über ausreichende Kapazitäten, um russisches Gas zu ersetzen, und Europa verfügt nicht über die notwendige Infrastruktur. Fast unser gesamtes Gas ist jedoch an bestehende langfristige Verträge gebunden. Diese Verträge mit asiatischen Kunden erlauben es uns größtenteils nicht, Lieferungen einseitig auf der Grundlage der Marktkräfte umzuleiten.“

Umso erstaunlicher, dass Habeck und Scholz - im Gegensatz zu den Regierungen in Wien und Budapest - eine Zahlung russischer Gaslieferungen in Rubel kategorisch ablehnen. Kremlsprecher Dmitri Peskow betonte, dass das neue Zahlungssystem aber nicht direkt am Donnerstag in Kraft treten werde. Die Lieferung von Gas und die Bezahlung seien getrennte Prozesse. Zugleich hatte er kürzlich betont, Russland sei keine Wohltätigkeitsorganisation und gesagt: "Keiner wird Gas umsonst liefern, und bezahlt werden kann es nur in Rubel."

Auch nach den folgenden Erklärungen, dass die Zahlungen weiterhin ausschließlich in Euro ergehen und wie üblich an die nicht von den westlichen Sanktionen betroffene Gazprom-Bank überwiesen würden, welche das Geld dann in Rubel konvertieren würde, herrscht weiter Unklarheit.

Wie die Staaten der EU, die sich auf Geheiß Washingtons allzu euphorisch und siegessicher in die Sanktionsschlacht gestützt hatten, aus diesem Dilemma wieder hinauskommen möchten, steht sprichwörtlich in den Sternen.

Ob dieses überhaupt gelingt, werden uns die nächsten Tage zeigen. "Wenn der Rubel nicht rollt", mit dieser Phrase kann man die gegenwärtige energie- und geopolitische Ausgangslage getrost umschreiben, als Drohung wohlbemerkt.  

„Was heißt das für mich konkret!?"

Das Scheitern eines weiteren strategischen Entwurfs des Westens zeichnet sich ab. Fünf Wochen nach dem russischen Überfall auf die Ukraine ist es den westlichen Mächten noch immer nicht gelungen, Russland international zu isolieren. Im Gegenteil, Indien baut seine Beziehungen zu Russland weiter aus.

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"