Die Rente in Deutschland ist lohnbezogen und beitragsabhängig. Die jährlichen Rentenanpassungen bemessen sich wesentlich an der Entwicklung der Bruttolöhne. Um etwaigen Rentenkürzungen infolge sinkender beitragspflichtiger Einkünfte zu entgegnen, wurde im Jahr 2009 eine Schutzklausel in das sechste Buch des Sozialgesetzbuches aufgenommen.

Diese sieht vor, dass eine negative Lohnentwicklung nicht zu einer Rentenminderung führt - oder verklausuliert …vermindert sich der bisherige aktuelle Rentenwert nicht, wenn der … aktuelle Rentenwert geringer ist als der bisherige aktuelle Rentenwert."(§ 68a SGB VI). Die Macht des Faktischen könnte dieser gut gemeinten Absicht jedoch entgegenstehen:

Das Bundesamt für Statistik versteht unter Bruttolöhnen alle Löhne und Gehälter vor Abzug der Arbeitnehmersozialbeiträge und der Lohnsteuer. Einbezogen sind weitere sozialversicherungspflichtige Zulagen wie zum Beispiel Akkord- und Nachtarbeit, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Als Folge der Corona-Krise ist ein Wirtschaftseinbruch, einhergehend mit Betriebsschließungen und deutlich zunehmender Arbeitslosigkeit, wenn nicht sogar Massenarbeitslosigkeit, zu erwarten.

Das ist zunächst vielleicht nicht so tragisch. Denn auch Entgeltersatzleistungen, wie zum Beispiel Arbeitslosengeld, sind rentenversicherungspflichtig. Der Rentenbeitrag bemisst sich nicht am Arbeitslosengeld. Bemessungsgrundlage sind 80 % des letzten Bruttoarbeitsentgeltes.

Nach spätestens 24 Monaten Bezugsdauer (Voraussetzungen: Lebensalter 58 Jahre, 48 Monate Beitragszahlung) entfällt der Anspruch auf Arbeitslosengend I. Soweit der ehemalige Arbeitnehmer nunmehr Arbeitslosengeld II (Hartz IV) in Anspruch nehmen muss, werden aus den gewährten Leistungen keine Beiträge an die Rentenversicherung abgeführt. Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung endet ebenso wie deren Beitragseinnahmen.

Einnahmeausfälle bei den Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung

Über kurz oder lang werden die überwiegend beitragsfinanzierten gesetzlichen Rentenversicherungsträger Einnahmeausfälle erleiden. Nun mag man einwenden, dass bereits die Zahlungen der Bundesagentur für Arbeit an die Rentenversicherungsträger einer Verschiebung der Gelder von der linken in die rechte Hosentasche ähneln, denn beide Geldleistungen beruhen wesentlich auf Abgaben, die von der arbeitenden Bevölkerung zu erwirtschaften sind. Für deren Geldbeutel ist es unerheblich, ob diese Pflichtabgaben als Steuern oder Sozialbeiträge tituliert werden.

Soweit zeichnet sich ab, dass es in allen Zweigen der gesetzlichen Daseinsvorsorge, also insbesondere bei der Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung zu erheblichen Leistungskürzungen kommen wird.

Kommt es zu betriebsbedingten Kündigungen?

Unter anderem durch die Bewilligung von Kurzarbeitergeld wird versucht, dieser Entwicklung entgegenzusteuern. Über einen Zeitraum von maximal zwölf Monaten werden anspruchsberechtigte Unternehmen von Lohnkosten und rückwirkend ab 01.03.2020 zu 100 Prozent von Sozialversicherungsbeiträgen entlastet.

Jedoch setzt der Anspruch auf Bewilligung voraus, dass u.a. ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt. Im Klartext - die von Kurzarbeit betroffenen Unternehmen entrichten keine Sozialversicherungsbeiträge mehr, während der Staat seine Sozialleistungen in Form von Kurzarbeitergeld ausdehnt.

Die Katze beißt sich in den Schwanz, die beitragsfinanzierten Sozialleistungen können über kurz oder lang so nicht aufrechterhalten werden. Spätestens, wenn der Anspruch auf Kurzarbeitergeld ausläuft, werden bei weiterhin schlechter Wirtschaftslage Unternehmen gezwungen sein, Arbeitnehmer zu entlassen - denn mit Auslaufen der Bezugsdauer haben diese wieder vollumfänglich das Arbeitgeberbruttoentgelt zu entrichten.

Möglicherweise gelingt es, die überwiegende Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse aufrecht zu erhalten. Sicher ist dies keineswegs. Denn es kann durchaus sein, dass vorausschauende Arbeitgeber versuchen, Mitarbeitern betriebsbedingt zu kündigen.

Der Bezug von Kurzarbeitergeld steht einer betriebsbedingten Kündigung nicht zwingend entgegen. Diese könnte beispielsweise wirksam sein, wenn der Unternehmer während der Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes erkennt, dass Arbeitsplätze nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft wegfallen. Das Wiederaufleben des Entgeltanspruches könnte dann die Vorwegnahme eines ohnehin unabwendbaren Ereignisses sein.

Hartz IV für alle?

In welcher Höhe künftig - ungeachtet aller heute geltenden gesetzlichen Bestimmungen - noch Renten und Arbeitslosengeld bezahlt werden können, ist derzeit wohl niemand seriös vorauszusagen in der Lage. Die Macht des Faktischen wird voraussichtlich zu erheblichen Leistungskürzungen zwingen. Aber selbst dann, wenn die heute geltenden gesetzlichen Bestimmungen beibehalten werden, wird die überwiegende Anzahl der künftigen Arbeitslosen nach spätestens 24 Monaten gezwungen sein, Hartz IV Leistungen in Anspruch zu nehmen - es sei denn, diese verfügen noch über verwertbares Privatvermögen. Denn dieses ist zunächst aufzubrauchen, bevor Anspruch auf Gewährung des aktuellen Basisregelsatzes in Höhe von 422,00 € im Monat besteht.

Unternehmenskredite in beinahe unbegrenzter Höhe

Die Bundesregierung hofft, einen Rettungsschirm aufgespannt zu haben, um Unter- nehmen und Arbeitnehmer zu schützen. Der Unternehmensrettungsfonds beläuft sich auf ca. 600 Milliarden Euro (zum Vergleich: Der Bundeshaushalt des Jahres 2019 wurde mit 356,80 Milliarden veranschlagt - davon entfielen 144,20 Milliarden auf das Ministerium für Arbeit und Soziales). Allerdings kann dieser Schuss auch nach hinten losgehen.

Man lehnt sich wohl nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man davon ausgeht, dass diese Geldmenge eine Inflation auslösen kann. Dies auch vor dem Hintergrund, dass andere europäische Staaten ebenfalls Geldmittel zum Schutz ihrer Unternehmen zur Verfügung stellen. Noch ist nicht absehbar, in welchem Umfang diese überwiegend als Kredite bewilligten Mittel dazu beitragen werden, Firmenschließungen abzuwenden. Denn diese müssen zurückgezahlt werden und von Zuschüssen ist kaum die Rede.

Schatten der Vergangenheit könnten lebendig werden

Soweit allerdings ein Geldmengenüberhang auf ein nicht hinreichend vorhandenes Güter- und Dienstleistungsangebot, als Folge etwaiger Firmenschließungen, stößt, kommen die historisch belegbaren Zutaten einer Inflation zusammen. Erinnert sei hier an die (Hyper)Inflation der Jahre 1922 bis 1923. Seinerzeit versuchte die Reichsbank den Folgen der einbrechenden Industrieproduktion (diese war 1919 auf den Stand von 1888 zurückgefallen und erlitt in Folge der französischen Besetzung des Ruhrgebietes ab 1923 eine erneute Schwächung) durch expansives Geldmengenwachstum entgegenzuwirken.

Anlass für deren Erhöhung ist heute eine andere. Leistungseinschränkungen in der gesetzlichen Daseinsvorsorge und die Pflicht Privatvermögen aufzuzehren, bevor überhaupt Anspruch auf Geldleistungen zur Existenzsicherung besteht (Hartz IV), zeichnen sich jedoch bereits heute ab.

Spätestens bei einer etwaigen inflationären Geldentwertung wird dies bewirken, dass nicht nur abhängig Beschäftigte interessante Zeiten erleben. Minderung der Rentenkaufkraft als Inflationsfolge oder Rentenkürzung kraft Gesetzes könnten dann noch eines der geringeren Probleme sein.

„Was heißt das konkret für mich!?“

Arbeitnehmer: Ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis kann in diesen Zeiten Gold wert sein. Immerhin ist man als Arbeitnehmer zumeist nicht auf staatliche Sozialleistungen angewiesen. Rentennahe Jahrgänge sollten deshalb überlegen, keine Frührente zu beantragen, sondern eventuell sogar über die Regelaltersgrenze hinaus im Job zu verbleiben.

Unternehmer / Selbständige: Die kapitalgedeckte Altersversorgung ist aufgrund des Niedrigzinsumfeldes bereits heute gefährdet. So absurd es klingen mag - es ließe sich überlegen, freiwillig in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen. Die spätere Rente wird zumeist nicht üppig sein. Andererseits dient auch eine Minimalrente der Existenzsicherung.

Beispielsweise kann eine Minirente aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Einzelfall die kostengünstige Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner auslösen. Allerdings muss die Vorversicherungszeit in der gesetzlichen Krankenversicherung (in der zweiten Hälfte des Erwerbslebens mindestens 90 Prozent gesetzlich krankenversichert) erfüllt sein.

Rentner: Diese Personengruppe wird mit spürbaren Einbußen zu rechnen haben. Etwaige Zusatzrenten aus betrieblicher Altersvorsorge oder Lebensversicherung sind gefährdet. Soweit die finanziellen Möglichkeiten bestehen, ließe sich überlegen, Gegenpositionen aufzubauen. Beispielsweise in Aktienfonds investieren, die gezielt auf Abschwungphasen des Marktes ausgerichtet sind. Im Fokus sollte nicht die Rendite, sondern der Kapitalerhalt stehen.

https://rentenberatung-ziemann.de

 

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