Aufregung in Israel. In einem Interview mit der Tageszeitung Maariw äußerte der ehemalige Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Schabtai Schavit kürzlich, dass Israel keinen Frieden mit den Palästinensern wünscht:
„Hätte Netanjahu das gewollt, hätte er diesen Frieden schon vor langer Zeit mit der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) haben können. Er hätte sowohl mit der PA als auch mit den arabischen Staaten über Bedingungen und Möglichkeiten sprechen können. Doch stattdessen brach der Ministerpräsident jeglichen Kontakt zur PA ab, weil er in ihr keinen Verhandlungspartner sieht, wie er es mehrfach gesagt hatte.“
„Jahrhundertdeal"!? Kushners Milchmädchenrechnung
Diese Äußerungen von Schavit kamen ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt, als in dem von Saudi-Arabien besetzten Insel-Staat Bahrein im Persischen Golf, eine vom Trump-Schwiegersohn Jared Kushner zusammengeschusterte Milchmädchenrechnung präsentiert wurde, die als angeblicher „Jahrhundertdeal" im Nahen Osten verkauft werden sollte, was aber selbst oberflächlichen Kommentatoren nicht gelingen wolle.
Ex-Mossad-Chef behauptet, Netanjahu stehe unter Druck
In dem Interview beschuldigte Schavit die ultrarechten Zirkel Israels, den amtierenden Premierminister unter Druck zu setzen, jegliche Verhandlungen mit der palästinensischen Autonomiebehörde abzulehnen. Netanjahu würde sich diesem Druck beugen, um die Unterstützung dieses politischen Machtfaktors nicht zu verlieren.
Ferner wies der Ex-Geheimdienstchef daraufhin, dass Israels Armee die stärkste im Nahen Osten ist und keine gleichwertigen Gegner mehr fürchten muss. Aufgrund dieser Stärke würde die staatliche Existenz Israels gefährdet, weil innenpolitische Konflikte mit den einflussreichen Lobbygruppen der Siedler und der Ultrareligiösen umgangen und deren Forderungen erfüllt werden.
Zahlreiche israelische Geheimdienst- und Militärexperten kritisieren Netanjahu
Schavit ist nicht der erste hochrangige Geheimdienstler und Militär, der in den letzten Jahren Netanjahu und seine politische Agenda in Bausch und Bogen verdammte. Juval Diskin, der ehemalige Vorsitzende des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, warf Netanjahu schon im Jahr 2012 vor, vom Iran besessen zu sein und seine Politik aufgrund „messianischer Gefühle“ zu vollziehen.
Ähnlich deutlich äußerte sich der inzwischen verstorbene Vorgänger von Schavit im Amt des Chefs des Auslandsgeheimdienstes, der Meisterspion Meir Dagan. „Den Iran anzugreifen, bevor alle anderen Vorgehensweisen ausgeschöpft sind, ist in meinen Augen nicht tragfähig", bekundete er, kurz vor dem Ende seiner Amtszeit gegenüber dem US-Sender CBS. Kurz vor seinem Tod 2016 warnte Dagan erneut: “Israel ist mit dem konservativen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in seine bisher schlimmste Führungskrise geraten.“
Was die Gefahr einer iranischen Atombombe angeht, von der Benjamin Netanjahu schon seit 1999 behauptet, deren Fertigstellung stehe unmittelbar bevor, erklärte der israelische Militärhistoriker Martin van Creveld, in einem Interview mit dem Verfasser dieses Beitrages: „Ich habe auch noch keinen erwähnenswerten Iran-Experten getroffen, der davon ausgeht, dass der Iran einen Atomkrieg gegen Israel plant. Die Gefahr einer iranischen Atombombe wird permanent übertrieben.“
Die heftige Kritik hochrangiger Militärs und Geheimdienstexperten an ihrer eigenen Regierung deutet auf einen tiefgehenden Riss im politischen Spektrum Israels hin, welcher sich in Zukunft noch vertiefen dürfte.
Kommentare
Na, da hat man ja wieder mal den Bock zum Gärtner gemacht. Man lässt einen orthodoxen Juden die Jahrhundertlösung für die explosivste Gegend unseres Erdballs präsentieren – ich fass' es nicht. Aber hatte er nicht auch für die Ukraine eine Lösung? Ich hätte auch eine: Gebt den Palästinensern das Land zurück, das ihr ihnen geraubt habt!
Ich bin ja in so einigen alternativen Medien (z.B. Freie Medien) fast täglich unterwegs und stimme den dort vertretenen Meinungen häufig zu, aber am Recht Israels, das "Ende Gelände" da unten komplett zu besetzen, halten auch diese "kritischen Medien" , z.B. Philosophia Perennis, ziemlich stur fest. Da bin ich eher dafür, Frieden zu machen, Besitztümer den früheren Eigentümern zurückzugeben, aber mindestens Deeskalation anzustreben. Aber da werden wir wegen der Orthodoxen wohl noch etwas warten müssen.
Und solange wird der Iran wohl die Einheit und den Wehrwillen der Nation aufrecht erhalten müssen.
Und Bibi am Ruder lassen!