Frieden im Nahen und Mittleren Osten? Was für eine schöne Vision. Doch Amerikas Kriege in der Region, in den letzten zwei Jahrzehnten, völkerrechtswidrig und durch Lügen begründet, die hunderttausende von Menschenleben gefordert haben und aus deren gescheiterten strategischen Entwürfen der IS seinen Siegeszug entfachen konnte, haben Folgen hinterlassen, die nicht einfach über Nacht beseitigt werden können.

Aber, die Annäherung zwischen den beiden bisherigen Rivalen Iran und Saudi-Arabien, eine Rivalität die von den Strategen im Westen geschürt wurde, eröffnet neue Perspektiven.

Durch den Einsatz der Volksrepublik China, die ihr geopolitisches Engagement jetzt auch in der Region um den Persischen Golf intensiviert, vereinbarten Riad und Teheran Anfang März die seit 2016 geschlossenen Botschaften innerhalb von zwei Monaten wiederzueröffnen, die Beziehungen zu normalisieren und eingefrorene Abkommen über wirtschaftliche Kooperation und Sicherheitszusammenarbeit umzusetzen. Die Golfregion ist für China wichtig, als Teil seiner Seidenstraßeninitiative und als Region, aus der die Volksrepublik rund die Hälfte seines Erdöls bezieht.

In Washington, London, Brüssel und Tel Aviv hielt sich die Begeisterung daher in engen Grenzen, denn Entspannung gehört anscheinend nicht zu den Tugenden, der sogenannten "regelbasierten Ordnung", schon gar nicht wenn diese vom Global Player China ins Leben gerufen wird.

Außerdem durchkreuzt eine Entspannung zwischen Iran und Saudi-Arabien die Ränkespiele des Westens, mit Hilfe Riads und der Golfmonarchien Teheran zu isolieren.

Die Tatsache, mit welcher Schnelligkeit Saudi-Arabien sich aus der "special relation" mit Washington befreit, löst dort Panik aus. Der ehemalige CIA-Agent Robert Baer umschrieb diesen Sachverhalt, in einem Gespräch mit dem Verfasser dieses Beitrages, mit folgenden Worten:

"Der "War on Terror" stellt heute das Scheitern eines strategischen Entwurfs dar. Sonst müssten wir uns nicht über den Terror unterhalten, der sich globalisiert hat. Der "Krieg gegen den Terror" war von Anfang an völlig falsch konzipiert. Das lag weniger an geheimdienstlichen Mängeln, sondern hängt mit der Inkompetenz der damaligen Führung in Washington zusammen."

In mehreren regionalen Brennpunkten stehen sich die Islamische Republik und die saudische Erbmonarchie bisher feindlich gegenüber.

Entspannung an allen Fronten

Vor allem im Jemen könnte eine Entschärfung des dortigen Bürgerkrieges die positive Folge sein, im besten Fall ein Ende des blutigen Konflikts.

Im Libanon unterstützt Riad die sunnitischen Parteien, während der Iran die schiitische Hisbollah protegiert. Eine Annäherung könnte in dem politisch gespaltenen und in einer schweren Wirtschaftskrise steckenden Land helfen, die Aussöhnung zu forcieren.

In Syrien gehört der im Westen schon vor zwölf Jahren totgesagte Präsident Assad zu den Gewinnern einer weiteren Annäherung zwischen Iran und Saudi-Arabien.Assad, der in der Vergangenheit die jeweiligen Herrscher in den Golf-Emiraten und in Saudi-Arabien als "Emire der Wüste und der Finsternis" zu titulieren pflegte, aufgrund deren massiver Unterstützung der syrischen Rebellen, erlebt dieser Tage eine Rehabilitierung und internationale Aufwertung. 

Erstmals seit Beginn des Krieges in Syrien vor zwölf Jahren hat ein syrischer Außenminister vorgestern Saudi-Arabien besucht. Faisal Mekdad landete gestern in Dschidda, um mit seinem saudi-arabischen Amtskollegen Faisal bin FarhanGespräche über „eine politische Lösung für die syrische Krise“ zu führen, wie das saudi-arabische Außenministerium mitteilte.

Am Freitag beginnt in Dschidda ein Treffen von Vertretern aus neun arabischen Staaten, bei dem erörtert werden soll, ob Syrien an einem Gipfel der Arabischen Liga im kommenden Monat teilnehmen darf. Riads Stellungnahme über den diplomatischen Besuch aus Syrien wurde nur wenige Stunden nachdem Iran das Eintreffen einer Delegation aus Teheran in Riad verkündet hatte, verbreitet. Im Rahmen dieser Konsultationen soll die Wiedereröffnung der iranischen Botschaft in Riad und des Konsulats in Dschidda vorbereitet werden.

Die geopolitischen Neuordnungen im Nahen Osten sind ein Schlag für den Westen, stellen aber Stärkung Russlands dar. Dies gilt besonders im Falle Syriens:

"In Berlin wurden vor elf Jahren Konzepte für eine Neuordnung Syriens nach Assads erhofftem Sturz erstellt; damals ließ sich ein Mitarbeiter des deutschen Auslandsgeheimdiensts mit der Aussage zitieren, man könne „stolz darauf sein, welchen wichtigen Beitrag wir zum Sturz des Assad-Regimes leisten“. Brachte der Beginn des russischen Militäreinsatzes in Syrien im September 2015 die Wende, so haben nun auch die Staaten der Arabischen Halbinsel – einst loyale Parteigänger des Westens und an dessen Seite für Assads Sturz kämpfend – angefangen, ihre Beziehungen zu Syrien zu normalisieren, parallel zur Annäherung zwischen Saudi-Arabien und Iran. Die Politik des Ausgleichs in Nah- und Mittelost vollzieht sich unter Vermittlung Chinas und läutet das Ende der westlichen Dominanz in der Region ein."

„Was heißt das konkret für mich!?“

Die Flucht der Amerikaner aus Kabul, im August 2001, die Tatsache, dass dort die Taliban wieder an den Schalthebeln der Macht sitzen, obschon diese vor 20 Jahren angeblich vernichtet wurden, vor allem aber die Erkenntnis, wie schnell Washington dort seine Verbündeten fallen ließ, gehört sicher auch zu den Motiven für den Kurswechsel Saudi-Arabiens in Richtung Osten. Die Machthaber in Kiew sind sich hoffentlich darüber im Klaren, dass das Fallenlassen von Verbündeten der USA nicht nur für den Nahen Osten gilt.

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