Die Börse im Zeitalter der Kurzfristigkeit: Von Jahren zu Minuten

Es ist ein Zeichen unserer Zeit. Der Anlagehorizont wird immer kürzer. Dereinst lag die durchschnittliche Haltedauer von Aktien bei Jahren, heute liegt er laut der NYSE nur noch bei fünfeinhalb Monaten – und selbst das dürfte eine maßlose Beschönigung der Lage sein. Denn neben Aktien werden heute auch noch unzählige Hebelprodukte gehandelt, die es vor einigen Jahrzehnten schlichtweg nicht gab.

Der Zeithorizont, mit dem heute die meisten Handelsentscheidungen an der Börse getroffen werden, lässt sich in Minuten messen. Dadurch wird die Börse immer ineffizienter und die Kursausschläge nehmen zu. Das ist durchaus problematisch, es eröffnet, wie er es am Beispiel von Meta und Nvidia gesehen haben, aber auch gigantische Möglichkeiten. Denn Fehlbewertungen können nicht ewig bestehen bleiben.

Auf den übertriebenen Crash beider Aktien musste irgendwann eine Gegenbewegung folgen. Die Frage war eigentlich nur, von welchem Niveau aus das geschehen würde. Diesen Punkte genau zu treffen, ist nahezu unmöglich.

Selbst wenn man viel zu früh einsteigt…

Es ist aber auch nicht notwendig. Man muss nur richtig an die Sache rangehen, beispielsweise indem man tranchenweise einsteigt. Selbst wenn jemand bereits bei 300 USD angefangen hätte, Meta-Aktien zu kaufen und dann alle 50 USD nochmal für dieselbe Summe nachgelegt hätte, wäre er am Ende auf einen Mischkurs von 172,86 USD gekommen.

An dieser Vorgehensweise wären etliche Punkte verbesserungswürdig, allem voran, dass Meta bei 300 USD nicht gerade niedrig bewertet war. Das Beispiel zeigt aber, dass man selbst dann noch gut fahren kann, wenn man viel zu früh mit dem Kaufen beginnt.

Doch dazu muss man bereits bei der ersten Tranche die Grundlagen geschaffen haben, dass man auch nachlegen kann. Die Größe der ersten Tranche muss entsprechend gewählt werden.

Der wichtigste Punkt ist aber, dass man keine wirklichen Problemfälle kauft, bei denen die Hoffnungen auf einen Rebound vergebens sind. In der Regel sind das Unternehmen ohne Wachstum, mit hohen Schulden, schwachen Margen und Problemen mit der Profitabilität und so weiter.

Meta und das Metaverse: Zwischen Problemen und Cashflow

Meta hingegen hat(te) sicherlich seine Probleme. Die großen Wachstumszeiten sind vorbei und man gibt Unsumme für das Metaverse aus, ohne dass es bisher auch nur im Geringsten Früchte tragen würde. Man könnte noch mehr Kritikpunkte anführen, doch im Kern ist Meta eine Cashmaschine.

Das Geschäft mit Facebook, Instagram und Co. generiert mehr als 100 Mrd. USD an Jahresumsatz und einen Gewinn von über 20 Mrd. USD. Daran wird sich so schnell nichts ändern, ganz im Gegenteil.

All das hat einen Wert, denn das überschüssige Kapital kann schließlich ausgeschüttet werden. Im letzten Geschäftsjahr hat man für 27,9 Mrd. USD eigene Aktien eingezogen und weitere 40 Mrd. USD für weitere Buybacks bereitgestellt.

Man kann ein Freund von Aktienrückkäufen sein oder nicht, aber wenn ein Unternehmen jedes Jahr 5 % der eigenen Papiere einzieht, dann steigt das Ergebnis je Aktie selbst ohne organisches Wachstum um etwas mehr als 5 % pro Jahr.

Auch hier sind dieselben Punkte ausschlaggebend wie für uns als Investor. Das Unternehmen darf kein grundlegender Problemfall sein und je niedriger die Bewertung ist, zu der zurückgekauft wird, desto besser.

Der Wert des Cashflows: Eine Herausforderung

Damit schließen wir die Brücke zu PayPal. Der Zahlungsdienstleister hat einen starken Trackrecord, ein tolles Geschäftsmodell, ist etabliert und Umsatz sowie Gewinn sollen in diesem Jahr steigen. Die Chancen stehen also sehr gut, dass wir es nicht mit einem grundlegenden Problemfall zu tun haben.

PayPal dürfte in diesem Jahr einen freien Cashflow von 5 Mrd. USD erwirtschaften, der kann ausgeschüttet werden und natürlich ist dies etwas wert. Vielleicht kommt ihnen dieser Gedankengang bekannt vor. Es stellt sich wie zuvor bei Meta wieder nur die Frage, was dieser Cashflow wert ist.

Darauf gibt es keine exakte Antwort, aber glücklicherweise gibt es einige „Hinweise“, was sinnvoll sein könnte. Jagt man die Daten beispielsweise durch ein DCF-Modell ergibt sich selbst bei 0 % Wachstum und einer Abzinsungsrate von 8 % für PayPal ein fairer Wert von 62,50 USD.

Die Konsensschätzungen sehen für PayPal jedoch im laufenden und den kommenden beiden Geschäftsjahren jeweils Gewinn- und FCF-Steigerungen von 7-20 % vor. Bei 7 % Wachstum läge der faire Wert bei 93,18 USD und bei 10 % bereits bei 105,50 USD.

Bei Meta war die Diskrepanz damals übrigens ähnlich groß. DCF-Modelle sind zwar kein Allheilmittel, aber der faire Wert von Meta lag bei einem angenommenen Wachstum von 7 % bei 130,45 USD. Am Tief notierte die Aktie bei 88,09 USD.

PayPal (WKN: A14R7U) - Chart vom 15.05.2023 – Kurs 61,69 - Kürzel: PYPL - Wochenkerzen

 

Unterdessen fällt PayPal weiter und weiter, so wie es damals bei Meta auch der Fall war. Bis es plötzlich nicht mehr der Fall war.

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