Geschäftsmodell und Absatzmärkte

Normalerweise versuche ich bei meinen Analysen für unsere Leser Unternehmen ausfindig zu machen, welche sich zum Kauf bzw. zumindest für die Watchlist eignen.

Bei Amgen handelt es sich in meinen Augen um ein Unternehmen, welches laut meinen Kriterien derzeit komplett durchs Raster fallen würde. Warum das so ist, erkläre ich in diesem Beitrag. Denn wenngleich die Aktie momentan nichts für Qualitätsdepots wäre, kann man bei der Analyse dieses Unternehmens dennoch sehr viel lernen.

Amgen ist ein US-Biotech-Unternehmen, welches besondere Stärke bei Medikamenten für Krebspatienten sowie Immunologie-Präparaten hat. Zu den umsatzstärksten Medikamenten (sogenannte Blockbuster-Medikamente) gehören das Osteoporose-Mittel Prolia, Otezia sowie Enbrel (Immunologie).

Gerade die Performance solcher umsatzstarken Medikamente ist bei der Begutachtung von Pharma-Aktien besonders wichtig. Für das Cholesterin-Mittel Repatha sollen spätestens 2023 konkurrierende Biosimilars auf den Markt kommen, für die Osteoporose-Mittel Prolia sowie Xgeva 2025. Das bisher umsatzstärkste Medikament Enbrel leidet aufgrund von Konkurrenzpräparaten bereits seit mehreren Quartalen an Umsatzschwund.

Quelle: Q4-Zahlen

Mittels hoher Forschungsausgaben und Übernahmen hat man sich über die Jahre jedoch ein breites Wirkstoff-Portfolio aufgebaut. Mit dieser schieren Masse an unterschiedlichen Präparaten und Übernahmen schützt sich Amgen vor der Umsatzstagnation. Der Preis dafür ist allerdings hoch, worauf wir später noch eingehen werden.

Geleitet wird das Unternehmen von Robert Bradway, welcher seit 2006 verschiedene Positionen bei Amgen durchlaufen hat. Seit 2012 steht er Amgen als CEO vor.

 

 

Quelle: terminal.stock3.com

Langsam und stetig, Jahr für Jahr, arbeitet sich die Aktie nach oben. Gut im Bild zu erkennen, wie hervorragend die 200-Tages-Linie meist als Unterstützung fungiert hat. Auch jetzt notiert die Aktie wieder entlang dieses gleitenden Durchschnitts sowie der horizontalen Unterstützung bei 225 Dollar.

Während aufgrund dieses Unterstützungsclusters mit einer Reaktion nach oben zu rechnen ist, könnte es sich dabei aber auch nur um eine zwischenzeitliche Pause des anhaltenden Abwärtstrends handeln. Denn der Abverkauf der letzten Wochen fiel doch sehr dynamisch aus. Sollte die 225 Dollar-Marke bzw. die rote Trendlinie fallen, kann es locker in den Bereich zwischen 200 und 175 Dollar gehen. Erst bei Kursen über 275 Dollar wäre die Charttechnik-Kuh vom Eis.

Quelle: terminal.stock3.com

Amgen hat sich in den letzten Jahren sehr gut geschlagen und den Branchenindex Dow Jones US Pharma deutlich hinter sich gelassen. Die jüngste Abwärtsdynamik erhöht allerdings das Risiko, dass sich die Schere mittelfristig wieder schließen könnte

 

 

Bewertung

Den Gewinnschätzungen für das Jahr 2023 zufolge käme Amgen auf ein KGV von 13. Das wäre prinzipiell ein Schnäppchenpreis für einen zyklusunabhängigen Pharmawert mit hoher Dividendenrendite und starken Cashflows. Allerdings stellt dies nur die halbe Wahrheit dar. Denn aktuell sitzt Amgen auf einem Schuldenberg von knapp 30 Milliarden Dollar.

Rechnen wir diese Verschuldung auf die Marktkapitalisierung hoch (abgekürzt kann auch der Enterprise Value anstatt der Marktkapitalisierung verwendet werden), steigt das KGV schon auf 16. Nehmen wir weiter an, dass die Übernahme von Horizon Therapeutics für 28,7 Milliarden Dollar im ersten Halbjahr durchgeführt wird, steigt das um Schulden bereinigte KGV schon auf 19,2. Aus dem vermeintlichen Schnäppchen wird dadurch schnell ein für die hohe Verschuldung und schwache Umsatzentwicklung recht üppig bewertetes Unternehmen.

Die steigende Verschuldung sorgt zudem auch für steigende Zinszahlungen, was wiederum die Gewinne reduziert. So wird man dank dem Horizon-Portfolio zwar rund eine Milliarde Dollar an Mehreinnahmen generieren können. Auf der anderen Seite fallen durch die zusätzliche Neuverschuldung aber auch möglicherweise 1,5 Milliarden Dollar an zusätzlichen Zinszahlungen an. Der Gewinn bei Amgen könnte also potenzial sogar niedriger ausfallen als vor der Übernahme.

Ich möchte die Aktie nicht madig machen. Bei Amgen handelt es sich um ein gutes Unternehmen. Nur möchte ich Ihnen mit den beispielhaften Rechnungen aufzeigen, wie trügerisch ein isolierter Blick auf das KGV sein kann, wenn man die Schulden nicht in die Rechnung miteinbezieht.

Die Dividendenerhöhungen können sich zwar sehen lassen, ebenso die Dividendenrendite von 3,3 Prozent. Und auch die Payout-Ratio von 41 Prozent ist nicht übertrieben. Im bilanziellen Gesamtkontext hätte man aber gut daran getan, weniger üppigere Ausschüttungen durchzuführen.

Bilanz und Verschuldung

Neben den satten Ausschüttungen hat man über die Jahre auch fortlaufend eigene Aktien zurückgekauft. Seit 2012 hat man 30 Prozent aller ausstehenden Aktien aus dem Markt genommen. Aktienrückkäufe und Dividendenzahlungen aufaddiert, hat man seit 2019 eine gewaltige Summe von 37 Milliarden Dollar an seine Aktionäre ausgeschüttet.

Dem Aktienkurs hat es gutgetan, Aktionäre haben sich gefreut. Allerdings hat man während der letzten Jahre zusätzlich viele Milliarden Dollar in Übernahmen gesteckt, u.a. mit dem 13,4 Milliarden Dollar schweren Kauf des Immunologie-Präparat Otezla von Celgene im Jahr 2019 und etlichen kleineren, aber ebenfalls milliardenschweren Transaktionen.

Nun steht mit dem 28,3-Milliarden-Dollar-Kauf von Horizon Therapeutics die nächste Milliarden-Transkation auf dem Plan, welche noch von der US-Kartellbehörde FTC abgesegnet werden muss. Würde dies geschehen, hätte man es mit einem Schuldenberg von nahezu 60 Milliarden Dollar zu tun.

Zugute halten muss man dem Unternehmen allerdings, dass die durchschnittliche Laufzeit des Anleiheportfolios derzeit rund 16 Jahre beträgt, bei einer durchschnittlichen Verzinsung von 4,2 Prozent. Die Verschuldung ist also sehr gut strukturiert. Auch möchte man diese bis 2025 um zehn Milliarden Dollar reduzieren. Wenn man in diesem Tempo weitermacht, würde es jedoch über 18 Jahre dauern, bis man die Verschuldung wieder abgebaut hätte. Und auch nur dann, wenn man bis dahin nicht weitere Übernahmen tätigt. Das ist jedoch alles andere als wahrscheinlich.

Durch die Aktienrückkäufe ist das Eigenkapital kontinuierlich gesunken. Die Übernahmen sorgen derweil für eine große Goodwill-Position. Die Horizon-Übernahme wird diese noch einmal zusätzlich vergrößern

Profitabilität

In den letzten Jahren musste man – vor allem wegen Konkurrenzpräparaten - Zugeständnisse bei Medikamentenpreisen machen. U.a. für wichtige Medikamente wie dem Cholesterin-senkenden Mittel Repatha, dem Migräne-Medikament Aimovig und dem Dialyse-Medikament Epogen. Das hat für deutliche Margenrückgänge gesorgt.

Da Amgen auf der anderen Seite in eine sehr kostengünstige Produktion investiert hat, erzielt man immer noch stolze Margen.

Wer hier investiert, sollte allerdings engmaschig verfolgen, ob die US-Politik ihre Drohungen wahrmacht und Preisdeckel bei US-Arzneien durchsetzen wird.

Wachstum

Amgen wächst nur schwach. So wuchs der Umsatz in den vergangenen fünf Jahren lediglich um 2,4 Prozent p.a. Beim Gewinn kam es sogar zu einem annualisierten Rückgang um sechs Prozent.

Das legt nahe, dass Amgen schlichtweg nicht mehr die Preissetzungsmacht hat, wie einst.

Mit dem Horizon-Kauf, sofern genehmigt, wird man zwar die Umsätze steigern können. Aufgrund der höheren Zinszahlungen wird gewinnseitig davon aber höchstwahrscheinlich nicht allzu viel zu spüren sein.

Aus diesem Grund ist es bei dieser Aktie umso wichtiger, diese zu einer möglichst attraktiven Bewertung zu kaufen. Denn ein Hineinwachsen in eine erhöhte Bewertung ist mit diesem Zahlenwerk eher unwahrscheinlich.

Die Pipeline: 18 Wirkstoffe befinden sich aktuell in der entscheidenden Studienphase 3. Hoffentlich kommen aus dieser Richtung frische Impulse für die schwache Umsatz- und Gewinnentwicklung.

Konkurrenz

Die Umsatzrückgänge, insbesondere bei Blockbuster-Medikamenten, zeigen, dass Amgen unter einem harten Konkurrenzkampf leidet. Sei es von Seiten von konventionellen Pharmakonzernen wie auch von Biotech-Unternehmen sowie Generika-Herstellern.

Risiken

Neben dem hohen Schuldenberg sorgt auch die Abhängigkeit vom US-Markt für Risiken. Drei Viertel des Umsatzes stammt aus den USA. Die Diskussion um Preisdeckel für US-Medikamente sorgt deshalb insbesondere bei Amgen-Aktionären für Unbehagen. Wie die Geschichte ausgeht, ist noch nicht absehbar.

Novo Nordisk hat bereits gemeldet, proaktiv die Preise für mehrere Insulinprodukte um bis zu 75 Prozent zu verringern.

Porter’s Five Forces

Neue Konkurrenz ist vor allem durch generische Nachahmerpräparate sowie Biosimilars zu erwarten. Und auch mit bereits etablierten Konkurrenten aus der Pharmabranche muss man sich herumschlagen.

Für Abnehmer sorgt dies für sinkende Preise, was von der US-Politik noch einmal zusätzlich forciert werden könnte. Diese beiden Faktoren erhöhen die Abnehmermacht auf das Maximum.

Bei aller berechtigten Kritik zeigt die üppige Forschungs-Pipeline jedoch, dass Amgen nicht tatenlos bleibt. Das Substitutionsrisiko wird deshalb mit null Punkten versehen.

Und da man die Produktion selbst in der Hand hat, fällt auch die Macht der Lieferanten nicht ins Gewicht.

Auch wenn die Aktie von Amgen nicht zum Kauf empfohlen werden kann, kann man bei der Analyse dieses Unternehmens sehr viel lernen. Und trotz des negativen Fazits sind Kursanstiege natürlich nicht ausgeschlossen. Nur besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Weg des geringsten Widerstands nach unten bzw. im besten Fall seitwärts ist.

 

Herzlichst

Ihr

Christof von Wenzl

 

Quellen: sentieo.com, morningstar.com, www.investors.amgen.com, terminal.stock3.com, wikipedia.de

Alle Kennzahlen wurden – sofern nicht anders erwähnt - auf Sicht der letzten vier verfügbaren Quartale berechnet.

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