Unerwartete Zinsanhebung – Mexiko folgt Russland, Türkei und Brasilien

Ähnlich wie die Federal Reserve Bank in den Vereinigten Staaten zeigte sich die mexikanische Zentralbank über die vergangenen Monate optimistisch, dass sich eine temporär zulegende Inflationsentwicklung ab einem bestimmten Zeitpunkt wieder „normalisieren“ würde.

Dieser Zeitpunkt ist aus mexikanischer Sicht bis heute allerdings nicht eingetreten, was in der letzten Woche zu einer unter Finanzmarktakteuren vollkommen unerwarteten Zinsanhebung geführt hat.

Mexikos Notenbank reiht sich damit ein in eine wachsende Anzahl von Zentralbanken in den Schwellenländern, die bereits zuvor einen neuen Zinserhöhungszyklus eingeleitet haben. Vor Kurzem hatte unter anderem die russische Notenbank den eigenen Leitzins um fünfzig Basispunkte (0,5 Prozent) angehoben.

Vorgestern erging dann die Warnung, dass im Juli eine erneute Zinsanhebung um 25 bis einhundert Basispunkte (0,25 bis ein Prozent) auf dem Fuße folgen dürfte. Auch Brasiliens Notenbank hatte den eigenen Leitzins Mitte Juni um weitere 75 Basispunkte (0,75 Prozent) auf 4,25 Prozent angehoben.

Ähnlich wie in Mexiko, Russland und der Türkei werden die mitunter stark wachsenden Inflationsgefahren für diese Entwicklung verantwortlich gemacht. Auch aus Perspektive Mexikos lässt sich behaupten, dass sich eine kommunikativ bisher in Aussicht gestellte Abschwächung der heimischen Inflation nicht einstellen wollte, was jetzt ganz offensichtlich zu der vorgenommenen Zinsanhebung beigetragen haben dürfte.

Hierbei handelt es sich um die erste Zinserhöhung der mexikanischen Zentralbank seit dem Jahr 2018. Schnell waren Analysten und Marktbeobachter in der vergangenen Woche zur Stelle, um vor den Auswirkungen dieser Zinsanhebung in Höhe eines Viertel Prozentpunkts auf 4,25 Prozent auf die mexikanische Wirtschaft zu warnen.

Es verwundert aus diesem Blickwinkel kaum, dass dreiundzwanzig vor der letztwöchigen Zinssitzung befragte Ökonomen und Analysten, die allesamt mit einem auf einem Niveau von vier Prozent verharrenden Leitzins gerechnet hatten, völlig auf dem falschen Fuß erwischt wurden.

Mit zur Entscheidung der Banco de Mexiko (Banxico) dürfte die Tatsache beigetragen haben, dass sich die heimische Inflationsentwicklung im Monat Juni auf 6,02 Prozent beschleunigte. Das offiziell anvisierte Inflationsziel bzw. der Korridor der Banxico liegt hingegen bei gerade einmal drei Prozent (+/- einem Prozentpunkt).

Wie sich zeigt, ist die aktuelle Inflationsentwicklung in Mexiko bereits weit über dieses Ziel hinausgeschossen. Die Bedenken, die sich unter Volkswirten und Ökonomen mit Blick auf die mexikanische Wirtschaft breitmachen, dürften jetzt noch zusätzlich zunehmen.

Im Gesamtjahr 2020 ist die mexikanische Wirtschaft um 8,2 Prozent geschrumpft, was dem stärksten Abschwung der Ökonomie innerhalb der vergangenen neunzig Jahre entsprach. Während die mexikanische Regierung trotz der sich entfaltenden Covid-Krise an ihrem zuvor eingeschlagenen Spar- und Austeritätskurs festhielt, wurden die Geldschleusen der Banxico weit geöffnet.

Vielleicht mag diese aggressive Geldpolitik einen Beitrag dazu geleistet haben, dass sich die mexikanische Wirtschaft im laufenden Jahr stärker erholt hat als bislang prognostiziert. Bei Banxico wird im Gesamtjahr 2021 mit einem wirtschaftlichen Wachstum von sechs Prozent gerechnet.

Nachdem die Inflation im April im Jahresvergleich auf 6,1 Prozent geklettert war, hat sich der Inflationsdruck, wie die jüngst veröffentlichten Daten für den Monat Juni aufzeigten, bis dato nicht vermindert.

Hieran zeigt sich unter anderem, als wie hartnäckig sich steigende Preise in der Realität erweisen können. Nachdem der Kopf durch Banxico nun in den Sand gesteckt wurde, wären die Verantwortlichen bei der Federal Reserve Bank vielleicht auch gut beraten, die sich mehrenden Inflationssorgen an den amerikanischen Märkten ernst zu nehmen.

Auf die Federal Reserve Bank könnte ein ähnlicher Verlust an Glaubwürdigkeit zukommen, falls eine solche Entwicklung nicht schon längst eingesetzt haben sollte. Festzuhalten bleibt, dass steigende Preise vor allem die Mittelklasse – oder zumindest das, was davon noch übriggeblieben ist – zerstören.

Die überraschende Zinserhöhung hat zumindest dem mexikanischen Peso, der sich zuvor in einem Sturzflug gegenüber dem US-Dollar – und gegenüber Gold – befand, gutgetan. Die mexikanische Währung wusste am Tag der Zinsentscheidung in der Spitze um bis zu 2,5 Prozent gegenüber dem US-Dollar zuzulegen.

Lebensmittelinflation in der Russischen Föderation bei über sieben Prozent

Auf die Situation in der Russischen Föderation zurückkommend, lässt sich beobachten, dass die Inflation auch dort über den Verlauf der letzten Monate stark anzog. Im Monat Mai wurde ein Anstieg des heimischen Verbraucherpreisindexes auf 6,04 Prozent verzeichnet.

Ähnlich wie aus Sicht der mexikanischen Zentralbank ist der eigens anvisierte Zielkorridor von vier Prozent damit deutlich überschritten worden. Es sind vor allem die steigenden Preise für Lebensmittel, die weiten Teilen der russischen Bevölkerung große Probleme verursachen.

In Zahlen ausgedrückt, hat die Lebensmittelinflation in der Russischen Föderation aktuell einen Wert von 7,4 Prozent erreicht. Die Situation in der Russischen Föderation mit den Vereinigten Staaten vergleichend, fällt auf, dass Amerika einer ähnlichen Entwicklung nicht allzu weit hinterherhinkt.

  

  

Im Monat Mai kletterte der Verbraucherpreisindex (CPI) in den USA auf satte fünf Prozent. Doch anders als in einer Reihe von Schwellenländern scheinen sich die geldpolitisch Verantwortlichen bei der Federal Reserve Bank zumindest für den Moment noch nicht mit Gedanken an eine baldige Zinsanhebung auseinanderzusetzen.

Bezug auf aktuelle Aussagen einzelner Fed-Mitglieder nehmend, soll es in den Vereinigten Staaten nicht vor dem Jahr 2022 zu einer ersten Zinsanhebung kommen. Vielmehr pochen Fed-Chef Jerome Powell und dessen Kollegen und Kolleginnen nach wie vor darauf, dass sich ein Anstieg der Inflation in den USA nur als ein vorübergehendes Ereignis erweisen werde.

Es erweckt den Anschein, als ob der Eindruck vermittelt werden soll, dass sich der zuletzt gemessene Anstieg der Preise in den Vereinigten Staaten von selbst verflüchtigen würde – trotz der bislang ungesehenen Fiskalstimulierungspakete, welche die Biden-Administration eines nach dem anderen auf den Weg zu bringen versucht.

Außer Acht sollte auch keineswegs gelassen werden, dass die Federal Reserve Bank noch immer Monat für Monat einen Betrag in Höhe von 120 Milliarden US-Dollar mittels eigener Ankäufe von US-Staatsanleihen und MBS-Papieren (durch Hypotheken besicherte Anleihen) in die Finanzmärkte pumpt.

Anders die russische Zentralbank, die bereits Mitte März damit begann, den heimischen Leitzins um 25 Basispunkte (0,25 Prozentpunkte) auf 4,5 Prozent anzuheben. Im Monat April folgte dann eine weitere überraschende Zinserhöhung in Höhe von fünfzig Basispunkten (0,5 Prozentpunkte) auf fünf Prozent.

Mitte Juni kam es dann erneut zur Vermeldung einer Zinsanhebung um weitere fünfzig Basispunkte (0,5 Prozentpunkte) auf 5,5 Prozent. Wie eingangs bereits erwähnt, warnte die russische Zentralbank vorgestern davor, dass es im Monat Juli zu einer hierauf folgenden Zinsanhebung von bis zu einem vollen Prozentpunkt kommen könnte.

Russische Zentralbankchefin: Inflation ist hartnäckiger Trend, dem es entgegenzuwirken gilt

In einem solchen Fall stünde der russische Leitzins dann schon bei 6,5 Prozent. Vielleicht mag die russische Zentralbankchefin Elvira Nabiullina die Finanzmarktakteure vorsorglich schon einmal vorbereitet und auf ein solches Ereignis eingestimmt zu haben, damit mit einer solch potenziellen Entscheidung keine Schockwirkungen verbunden sein werden.

Im Rahmen eines kürzlich ausgestrahlten Interviews gegenüber dem Sender Bloomberg TV teilte Elvira Nabiullina mit, dass sich die Inflation in der Russischen Föderation momentan auf einem hartnäckig hohen Niveau befinde. Zudem seien auch die Inflationserwartungen sehr hoch.

Die zu dieser Entwicklung hauptsächlich beitragenden Faktoren leiteten sich neben einem im vergangenen Jahr im Außenwert sinkenden Rubel auch anhand von steigenden Preisen an den internationalen Rohstoffmärkten ab.

Laut Elvira Nabiullina versuche sich die russische Zentralbank mittels Zinserhöhungen jenen an den Finanzmärkten und in der Bevölkerung herrschenden Inflationserwartungen mit allen Mitteln entgegenzustemmen, weil es insbesondere diese Erwartungen seien, die sogenannte Zweitrundeneffekte auslösten.

Ähnlich wie in vielen anderen Ländern der Welt werde sich die Inflationsentwicklung in der Russischen Föderation aus diesem Grund nicht als vorübergehend erweisen. Vielmehr sei mit einem hartnäckigen Trend zu rechnen, den es zu bekämpfen gelte.

Zinserhöhungen gewöhnliche Reaktion und „alternativlos“

Um einen solchen Trend erfolgreich zu bekämpfen, bedienten sich Zentralbanken für gewöhnlich Zinserhöhungszyklen. Hinzu geselle sich die Tatsache, dass Beobachtungen rund um den Globus darauf hindeuteten, dass das Nachfragewachstum das Angebotswachstum in vielen Bereichen der Wirtschaft übersteige und hinter sich lasse.

Auch hierdurch erhöhe sich der Inflationsdruck auf eine sehr unangenehme Weise. Aus Sicht der russischen Notenbank gäbe es unter Bezugnahme auf Elvira Nabiullina zu einer Erhöhung der Zinsen deshalb keine Alternative. In Russland befinde sich die Zinspolitik auf dem Weg hin zu einer Normalisierung.

Hört Fed-Chef Jerome Powell angesichts von solchen Aussagen auch mal hin? Oder werden Aussagen dieser Art seitens internationaler Zentralbankkollegen und Kolleginnen einfach weggewischt und ausgeblendet?

Trotz der zuletzt erfolgten Zinsanhebungen in der Russischen Föderation erweise sich die heimische Geldpolitik laut Elvira Nabiullina aus aktueller Sicht noch immer als akkomodativ, die Tatsache berücksichtigend, dass der Leitzins der Zentralbank momentan bei 5,5 Prozent, die zuletzt gemessene Inflation jedoch bei etwas mehr als sechs Prozent lägen.

Wer diese Entwicklung in der Russischen Föderation auf die Vereinigten Staaten übertragen und damit in Vergleich setzen wollte, dem sei gesagt, dass der Leitzins in den Vereinigten Staaten (basierend auf dem aktuellen Kernverbraucherpreisindex) auf mindestens 3,4 Prozent und basierend auf dem Verbraucherpreisindex (CPI) auf mindestens fünf Prozent angehoben werden müsste, um so etwas wie das Erreichen eines „Neutralzinssatzes“ anzustreben.

Großteil der US-Bevölkerung kennt derartige Entwicklungen nicht…

Hierzu lässt sich sagen, dass die meisten in den USA lebenden Generationen bislang noch niemals mit einer Inflation dieser Art in Berührung gekommen sind oder Erfahrungen mit so etwas in der Heimat gemacht haben.

Viele Einwohner und Einwohnerinnen des Landes dürften dies vor allem anhand eines an Kaufkraft abwertenden US-Dollars zu spüren bekommen. Heißt, ein immer größerer Teil der eigenen Einkommen muss für Lebensmittel, Benzin, Strom und andere Güter des alltäglichen Lebens aufgewendet werden.

Für einen darunter rangierenden Konsum steht somit immer weniger frei verfügbares Geld oder Einkommen zur Verfügung. Und deshalb spricht man im Fall von Inflation auch von einer „Inflationssteuer“, die wie eine unsichtbare Hand zu wirken scheint, die Verbraucher jedoch schmerzhaft im Geldbeutel trifft.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Es führe sich bitte jedermann selbst vor Augen, was es aus der Perspektive des aktuellen Verschuldungsgrads in den Vereinigten Staaten, den unzähligen Konjunkturpaketen und zusätzlich geplanten Finanzstimulierungsmaßnahmen der Washingtoner Regierung für Folgen hätte, wenn der amerikanisch Leitzins auf 3,4 Prozent – oder sogar fünf Prozent – klettern würde.

In einem solchen Fall wäre wohl nicht nur der Ausbruch einer Schuldenkrise, sondern auch der mögliche Ausbruch einer neuen Banken- und Finanzkrise ausgemachte Sache. Darüber hinaus würde der momentan inflationäre Trend abermals in einen stark deflationären Trend umschlagen.

Es ist eben jenes Drahtseil, auf dem Fed-Chef Jerome Powell, dessen Kollegen im Offenmarktauschuss der Fed und US-Finanzministerin Janet Yellen tagtäglich jonglieren, in dem verzweifelten Versuch, die Marktakteure bei Laune zu halten, und den Ausbruch einer desaströsen Krise an den Finanzmärkten zu verhindern oder so lange wie möglich in die Zukunft zu verschieben.

Nichtsdestotrotz wird sich zeigen, wie stark die Federal Reserve Bank erst unter Druck geraten wird, falls sich der aktuelle Inflationstrend über die nächsten Monate fortsetzen sollte. In der Russischen Föderation liegt der Leitzins - bei in etwa ähnlichen Inflationsbedingungen - bereits bei 5,5 Prozent, während der Leitzins in den USA nach wie vor bei nahe null Prozent verharrt.

Vielleicht lässt sich an diesem Vergleich ermessen, welchem Sprengpotenzial die Vereinigten Staaten finanztechnisch ins Auge blicken, und welche Risiken und Gefahren damit verbunden sind.

Diese Zusammenfassung für CK*Wirtschaftsfacts basiert auf einem Bericht auf der Seite des Finanzblogs Zerohedge, der durch Roman Baudzus inhaltlich ergänzt wurde.

Beitrag senden

Drucken mit Kommentaren?



href="javascript:print();"